Die Abgeordneten im Bundestag haben in dieser Legislaturperiode nach Berechnungen von abgeordnetenwatch.de neben ihrem Mandat insgesamt mindestens 18,07 Millionen Euro kassiert.
Mehr als jeder vierte der 630 Parlamentarier hat Zusatzeinkünfte von mehr als 1000 Euro angegeben. Unter den 13 Top-Nebenverdienern, die Einkünfte von mehr als 300.000 Euro veröffentlicht haben, finden sich zwölf Parlamentarier der Union.
Darunter sind der CSU-Innenexperte und Jurist Hans-Peter Uhl, die ehemalige Wirtschaftsstaatssekretärin und CSU-Abgeordnete Dagmar Wöhrl und Ex-Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber ( CDU). Dieser ist wie Wöhrl nebenbei in unterschiedlichen Funktionen für Unternehmen tätig. Der CSU-Finanzpolitiker und Landwirt Philipp Graf Lerchenfeld aus dem bayerischen Landkreis Regensburg führt auch in diesem Jahr die Liste an:
Auf Platz sieben taucht ein SPD-Politiker auf: der ehemalige Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Im vergangenen Jahr lag der Abgeordnete noch auf Platz zwölf des Rankings, nun ist er mit mindestens 590.500 Euro vorgerückt. Steinbrück, der als Redner und Autor auftritt, hatte vor einigen Wochen angekündigt, sein Bundestagsmandat Ende September niederzulegen. Erst auf Platz 43 findet sich ein Linker: Gregor Gysi, Ex-Chef der Linksfraktion. Der Anwalt gibt Nebeneinkünfte als Redner, Autor und Beratungen von mindestens 97.000 Euro an. Auf Rang 63 erscheint der erste Grüne: Peter Meiwald. Er sitzt in einem Oldenburger Energieunternehmen im Aufsichtsrat (mindestens 45.000 Euro).
Am meisten kassieren CSU-Abgeordnete nebenbei - jeder zweite Christsoziale gibt in dieser Legislaturperiode Nebeneinkünfte an. Bei der CDU sind es rund 29 Prozent der Parlamentarierer. Bei den Sozialdemokraten haben rund 21 Prozent Nebeneinnahmen, bei den Grünen rund 17,5 Prozent. Die Politiker der Linkspartei bilden mit knapp 14 Prozent das Schlusslicht ( lesen Sie hier, was Abgeordnete des Bundestags nebenbei machen und wie sie mit ihren Nebenjobs umgehen).
Die Parlamentarier müssen ihre Einkünfte nicht in Euro und Cent angeben. Dies hatte damals unter anderem die SPD, damals noch in der Opposition, gefordert. Die Debatte um Steinbrücks Vortragshonorare im jüngsten Bundestagswahlkampf hatte dazu geführt, dass die Regeln für die Veröffentlichung der Nebeneinkünfte für Bundestagsabgeordnete geändert wurden. Die Union setzte sich mit einem ausführlicheren Stufensystem durch. Statt drei gibt es nun zehn Stufen, in die die Abgeordneten den Richtlinien des Bundestags zufolge ihre Nebeneinkünfte in folgende Tabelle einordnen müssen:
Wirklich transparent sind die Verhaltensregeln des Bundestags aber nicht. Ein Beispiel: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Rudolf Henke hat mehrere Nebenjobs, so ist der Arzt zum Beispiel Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Jeden Monat kassiert er als Ärztefunktionär laut seiner Bundestagsseite mindestens 7000 Euro. Seine monatlichen Einkünfte könnten aber auch mehr als doppelt so hoch liegen.
Durch diese Breitbandstufen besteht nach Berechnungen von abgeordnetenwatch.de eine Grauzone von rund 15 Millionen Euro. Besonders problematisch ist dies in der Stufe 10, hier ist der eigentliche Maximalwert nicht fassbar. Immerhin sechs Parlamentarier geben Einkünfte dieser Einordnung an:
Problematisch ist zudem, dass sich die Einkünfte der Parlamentarier nur bedingt miteinander vergleichen lassen. So veröffentlichen Landwirte wie Graf Lerchenfeld (CSU) nach den Regeln des Bundestags ihren Umsatz ( 1,73 Millionen Euro). "Das hat nichts mit meinem Gewinn zu tun, der liegt weit davon entfernt. Ich habe Ausgaben für Personal und Kosten für zum Beispiel Düngemittel und Saatgut", sagt er SPIEGEL ONLINE. Lerchenfeld führt seinen Familienbetrieb mit 300 Hektar. "Ich hätte auch eine Gesellschaft gründen können, so wie viele es machen, das mache ich aber nicht." Lerchenfeld hat einen Betriebsleiter und drei ständige Mitarbeiter angestellt. Solch hohe Ausgaben fallen dagegen bei Honoraren für Vorträge, Beratungen oder Vorstandstätigkeiten kaum an.
Zudem müssen Rechtsanwälte wie Stephan Harbarth (CDU) ihre Mandanten nicht benennen. Der CDU-Politiker, der Einkünfte der Stufe 10 aufführt, nummeriert diese auf seiner Bundestagsseite "Mandant 36, 2015; 2016"). Nach den Richtlinien des Bundestags kann er die Verschwiegenheitspflicht geltend machen. Auch Landwirte wie Johannes Röring (CDU) anonymisieren zum Teil ihre Geschäftspartner (zum Beispiel "Vertragspartner 3, 2013, Stufe 5; 2014, Stufe 9; 2015, Stufe 10; 2016, Stufe 6") oder Unternehmensberater wie Daniela De Ridder (SPD) ("Kunde 6, 2015, Stufe 3"). Sie können dies tun, wenn sie mit ihren Partnern Verschwiegenheit vereinbart haben.
abgeordnetenwatch.de hat errechnet, dass in dieser Legislaturperiode mindestens 3,3 Millionen Euro und maximal 7,14 Millionen Euro von unbenannten Geldgebern stammen. Das Politikportal fordert, dass zumindest die Branche des Unternehmens, des Kunden oder des Mandanten benannt werden müssen, um einen möglichen Interessenkonflikt zu vermeiden. "Wenn unsere Volksvertreter mehrere Millionen Euro von unbekannten Geldgebern kassieren, ist dies ein Einfallstor für Lobbyisten", sagt abgeordnetenwatch.de-Geschäftsführer Gregor Hackmack. "Bürger müssen in einer Demokratie wissen, von wem ihre Repräsentanten Geld annehmen."
Die Abgeordneten müssten außerdem sämtliche Nebeneinkünfte offenlegen, sagt Hackmack. Nur so lasse sich das ganze Ausmaß von finanziellen Abhängigkeiten ermessen. Als Beispiel nennt Hackmack Großbritannien. Dort führen die Unterhausabgeordneten nicht nur die Summe der Nebeneinkünfte genau auf, sondern auch den zeitlichen Aufwand. abgeordnetenwatch.de hat eine Petition gestartet - Titel: "Verschleierung von Nebeneinkünften stoppen!". Darin werden die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, ein striktes Transparenzgesetz zu beschließen.
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