Die Koalition hat auf Druck des Bundesverfassungsgerichts einen Gesetzesentwurf zur Reform der Erbschaftssteuer vorgelegt. Sie hätte es sich leicht machen und das Gesetz abschaffen können. Eine Regelung, die im Todesfall in die Autonomie der Familie eingreift, ist ethisch fragwürdig.
Was bleibt von mir, wenn ich nicht mehr auf der Welt bin? Jeder stellt sich die Frage früher oder später. Was bleibt, ist das Erbe. Manche bauen ein Haus, pflanzen einen Baum oder machen eine bahnbrechende Erfindung. Andere gründen ein Unternehmen, geben es an ihre Kinder weiter und erschaffen so Tradition.
Vor einem knappen halben Jahr hat das Bundesverfassungsgericht das Erbschaftsteuergesetz gekippt, mit der Begründung: Die Steuerbefreiung beim Vererben von Betrieben sei ungerecht und somit verfassungswidrig. Nach monatelangen Querelen haben Union und SPD jetzt einen Kompromiss gefunden. Firmenerben sollen weiterhin von der Erbschaftssteuer befreit werden, wenn sie das Unternehmen fortführen und so Arbeitsplätze sichern. Betriebe, die mehr als 26 Millionen Euro wert sind, sollen sich künftig einer "Bedürfnisprüfung" unterziehen. Wirtschaftsverbände und Liberale sehen den Mittelstand gefährdet. Gewerkschaften und Opposition hingegen finden den Entwurf zu sanft.
Eine gesellschaftliche Debatte ist entbrannt: Ist Erben ungerecht? Fördert es die soziale Ungleichheit? Kluge Menschen und auch nicht so kluge sitzen in Talkshows und versuchen darauf eine Antwort zu finden. Dabei ist die Lösung einfach: Schafft die Erbschaftssteuer ab!
Nicht das Erben an sich ist ethisch falsch. Falsch ist, dass der Staat in die Familiensphäre eingreift und vererbtes Geld versteuert, das bereits versteuert wurde. Ein bereits versteuertes Vermögen sollte den Staat fortan nichts angehen. Wer oder was ermächtigt denn den Staat, sich nach dem Tod der Eltern aus der Familienkasse zu bedienen und so die Autonomie der Familie einzuschränken? Wie lässt es sich moralisch begründen, das Vermögen derjenigen, die für ihre Kinder jahrzehntelang sparsam lebten, posthum finanziell zu belasten? Die Antwort ist kurz: gar nicht! Zudem geht von der Erbschaftssteuer eine fatale Botschaft aus. Sie lautet: "Verpulvert euer Vermögen lieber zu Lebzeiten, denn der Verzicht bringt nur Scherereien und der Konsum nützt euch und der Volkswirtschaft mehr." Vor allem Familienunternehmen würden bei einem Generationswechsel durch die neue Reform benachteiligt. Je öfter Geld von Generation zu Generation vererbt wird, desto ungerechter ist es, Steuern zu erheben, die dasselbe Vermögen anzapfen. Als würde ein Dieb sich mehrmals aus demselben Portemonnaie bedienen.
Erben ist ein Geschenk an die nahen Angehörigen, ein Akt der Liebe vor dem letzten Atemzug. Und hier, im engsten Familienkreis, in diesem Heiligtum, hat der Staat nichts zu suchen. Die Entscheidung, was und wie viel ich meinen Nachfahren hinterlasse, zählt zu den persönlichen Freiheiten. Diese Freiheit wird durch den Gesetzgeber beschnitten. Es ist paradox, dass der Staat einerseits Familien fördert, diese dann aber im Trauerfall bestraft. Dabei nimmt der Staat nur 5,5 Milliarden Euro durch die Erbschaftssteuer jährlich ein. Experten sind der Auffassung, dass das Eintreiben der Gelder mehr koste, als die Erbschaftssteuer an Staatseinnahmen einbringt. Wer glaubt, fünf Milliarden Euro machten ein Land gerechter, irrt. Für den Fiskus ist die Erbschaftssteuer entbehrlich, für Erben und Hinterbliebene ist sie eine Zumutung. Zudem schafft die Erbschaftssteuer ein bürokratisches Monster. Zum dritten Mal hat Karlsruhe das Erbschaftssteuerrecht deshalb schon verworfen. Auch wenn das Gesetz in Zukunft verfassungskonform sein sollte, moralisch vertretbar ist es nicht. Österreich hat die Erbschaftssteuer 2008 abgeschafft und auch acht weitere EU-Länder kommen gut ohne sie aus. Jetzt wäre die Gelegenheit da, nach der Abschaffung der Vermögenssteuer eine weitere Substanzsteuer zu kippen. Doch dagegen haben vor allem die Sozialdemokraten etwas. Für sie ist die Erbschaftssteuer Teil ihrer Symbolpolitik. Als wollten ihre Finanzpolitiker zeigen: Schaut her, die Reichen müssen immer noch etwas abgeben.