Corona-Hilfe für Klubkultur "Was in Berlin passiert, ist ziemlich einmalig"
Metropolen wie Berlin, Hamburg oder Köln setzen sich mit gezielten Förderprogrammen für den Erhalt ihrer Klubkultur ein. Im Rest Deutschlands bleibt den klammen Betreibern oft nur das Hoffen auf Bundeshilfen.
Der Ärger vieler Berliner Klubbetreiber war groß, als vergangene Woche diese Summe öffentlich wurde: 81.492 Euro. So viel Geld sollen 38 Klubs, Festivals und Konzertvenues durchschnittlich aus dem Soforthilfepaket IV des Senats erhalten haben, berichtete der "Tagesspiegel". "Diese Zahl wurde durch ein Missverständnis in Umlauf gebracht", sagt Dimitri Hegemann, Chef der Technoklubs Tresor und OHM. Er habe 25.000 Euro bekommen. Auch das ://about blank, ein populärer Klub am Ostkreuz, antwortete per Mail, lediglich 24.000 Euro erhalten zu haben.
Seit März sind Musik- und Tanzstätten im Zuge der Corona-Schutzmaßnahmen geschlossen. Sie gehörten zu den ersten, die zu machen mussten, und sie werden aller Voraussicht nach zu den letzten Veranstaltungsorten gehören, die wieder öffnen dürfen. Laut Hegemann belaufen sich allein Posten wie Kredite, Mieten, Versicherung, GEZ und Abrechnungssysteme auf eine Summe von 25.000 Euro.
Die bewilligte Fördersumme würde daher nur für etwa fünf Wochen reichen. Von seinen ehemals 108 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe der Tresor bislang 35 Minijobber entlassen müssen, 45 befristete Verträge würden zudem im August auslaufen. Das ://about blank hielt sich bisher mit einer Crowdfunding-Kampagne über Wasser und konnte Entlassungen vermeiden, indem viele Minijobber und Angestellte freiwillig unbezahlten Urlaub antraten.
Nur einige wenige Klubs hätten in der aktuellen Förderrunde für kleine und mittlere Kulturbetriebe deutlich höhere Summen erhalten, bestätigt die Berliner Club Commission. In Berlin gibt es 140 Klubs sowie weitere 140 Klub-Veranstaltungsagenturen mit insgesamt 9000 Angestellten. Klubs mit weniger als zehn Mitarbeitern profitierten gar nicht von dem 30-Millionen-Euro-Paket des Klubkultur-affinen Kultursenators Klaus Lederer (Die Linke). Aber auch wenn viele durchs Raster der Förderungen fallen, weiß Lutz Leichsenring, Sprecher der Club Commission: "Was in Berlin passiert, ist ziemlich einmalig."
Außerhalb der Metropolen Berlin, Hamburg und Köln gibt es bislang keine spezifische Klubkulturförderung - abgesehen von der im März vom Bund bereitgestellten Soforthilfe in Höhe von maximal 15.000 Euro, die für die meisten Bundesländer gilt. In Hamburg wurden aus dem "Hilfspaket Kultur" des Senats rund 1,5 Millionen Euro für Klubs mit einer Größe von unter 1600 Personen zur Verfügung gestellt. Köln stellte im April 700.000 Euro an Zuschüssen für Livemusik-Spielstätten mit ähnlichen Konditionen zur Verfügung. 41 Klubs erhielten dort zwischen 5000 und 25.000 Euro.
Der Wirtschaftsausschuss der Stadt habe zudem weitere 600.000 Euro für eine zweite Förderrunde bewilligt, bestätigt Jan van Weegen, Vorsitzender von ClubKomm Köln und Betreiber des Gebäude 9. "Ich würde mir wünschen, dass vom Land Nordrhein-Westfalen auch noch eine Initiative kommt", sagt er. Zwar habe das Land 185 Millionen Euro für Kulturförderung bereitgestellt, diese richte sich aber ausschließlich an institutionell geförderte Einrichtungen. Die meisten Klubs sind das nicht.
In mehreren Ländern werden jetzt Programme aufgelegt, von denen auch Klubs profitieren können. In Bayern gibt es das "Stabilisierungsprogramm für kleine und mittlere Spielstätten"; ein dreistufiges Kulturpaket in Hessen richtete sich in der ersten Phase an Festivals, in der zweiten an Künstler und in der dritten an Kultureinrichtungen. Es geht um Unterstützungen von bis zu 18.000 Euro. Laut dem Interessenverband LiveKomm, der 627 deutsche Musikspielstätten vertritt, arbeitet auch der Zusammenschluss Eventkultur Rhein-Neckar an einem Förderprogramm, in Stuttgart sei eine Spielstättenhilfe geplant.
Kampf um die Anerkennung als KulturortDass die Länder kaum zugeschnittene Maßnahmen für Klubs auflegten, sei auch ein Verwaltungsproblem, glaubt Jan van Weegen von ClubKomm Köln: "Berlin und Hamburg haben als Stadtstaaten einen Sonderstatus und eine bessere finanzielle Ausstattung, weil sie Landes- und Kommunalmaßnahmen bündeln können". Seit Langem würden Klubs um ihre Anerkennung als kulturelle Orte kämpfen. In der Krise zeige sich, dass dort, wo die Lobbyverbände stark sind, auch mehr gefördert werde.
In einigen ostdeutschen Bundesländern war Popkulturförderung nie ein Thema. Das rächt sich jetzt. Steffen Kache, Chef der Distillery in Leipzig und Vorstand vom Interessenverband LiveKomm, bestätigt das: Obwohl Leipzig und Dresden eine lebendige Klubszene hätten, fehle es an konkreten Programmen.
Zum einen mangele es auf Landesebene am Verständnis für den kulturellen Wert der Klubs. Zum anderen fehle es schlicht am Geld. "Wir haben einen engen Draht zur Stadt. Die würden gern alles tun, können aber nicht", sagt Kache. Daran zeige sich, dass die Ostkommunen finanziell immer noch schlechter dastehen. Gleichzeitig brauche es langfristige Lösungen, gerade wenn die Open-Air-Saison vorbei ist.
In Berlin erarbeitet Club-Commission-Sprecher Leichsenring zusammen mit dem globalen Netzwerk Nighttime.org inzwischen einen Plan für die Wiederbelebung der Nacht- und Tanzszene. Die überraschende Forderung aus der Berliner CDU-Fraktion, Klubs vollständig die Miete zu erlassen und anteilig vom Bund zahlen lassen, begrüßt er ausdrücklich: Mietstundungen habe es in Einzelfällen bereits gegeben, sagt er. "Aber wir sind bereits im vierten Monat. Da kann man nicht mehr auf den Goodwill der Immobilienwirtschaft hoffen."