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Bauingenieur: "Ich hoffte auf 80.000 Euro im Ausland"

Deutsche Bauingenieure würden überall gesucht, hatte der Professor noch gesagt. Das anonyme Gehaltsprotokoll von einem, der von zahlreichen Absagen schockiert wurde.


Name: anonym

Alter: 32

Branche: Bauingenieurwesen

Position: Projektingenieur/ Planungsingenieur

Unternehmensgröße: 15-20 an seinem Standort


"Nach dem Studium wollte ich unbedingt im Ausland arbeiten. Wo, war mir egal. Wenn du für eine deutsche Firma als Bauingenieur für ein Projekt ins Ausland gehst, verdienst du dank der Auslandspauschale bis zu doppelt so viel wie in Deutschland. 3.000 Euro netto hatte ich schon als Werkstudent in Frankreich bekommen. Damals war ich im sechsten Bachelorsemester und total zufrieden mit meiner Studienwahl. Nach dem Abschluss rechnete ich mit einem Einstiegsgehalt von ungefähr 40.000 Euro Brutto im Jahr. Im Ausland erhoffte ich mir bis zu 80.000 Euro.


Bei meinem Werdegang habe ich viel Glück gehabt. Als Jugendlicher schaffte ich gerade mal den Realschulabschluss. Danach habe ich mich noch einmal motiviert und Fachabitur gemacht. Ein 3,6-Abschluss war das dürftige Ergebnis. Damit durfte ich nur an die Fachhochschule. Deshalb habe ich mich lieber erst mal für eine Schlosserlehre entschieden. Ich mochte die Arbeit in der Werkstatt mit den Kollegen sehr, aber die finanziellen Aussichten waren sehr schlecht. Nach der Ausbildung ging ich in die USA und baute für eine NGO eine behindertengerechte Brücke durch den Urwald. Da habe ich gemerkt, wie viel Spaß es mir macht, Bauwerke zu planen. Nach meiner Rückkehr entdeckte ich eine Fachhochschule, die keinen NC beim Studium der Bauingenieurwissenschaft hatte.


"Keine Angst, wir sieben Sie schon aus", hatte mein Prof gleich am Anfang des ersten Semesters gesagt. So war es auch. Das Studium war knallhart. Während ich mich durch die Prüfungen kämpfte, wurde meine Fachhochschule zu einer Universität. So war mein Abschluss plötzlich mehr wert. Ich bestand mit einer 2,0 und dachte, es würde jetzt immer so weitergehen mit meinem Glück. Nach dem Studium war mein Plan einfach. Zwei Jahre im Ausland arbeiten, ordentlich Geld verdienen und danach ein Jahr reisen.

Ich verschickte über 40 Bewerbungen an Projekte in verschiedene Ländern, alle wurden abgelehnt. "Ihnen fehlt die Berufserfahrung", hieß es. "Zwei bis fünf Jahre sind Voraussetzung." In der Uni hatte es noch ganz anders geklungen. "Deutsche Bauingenieure werden überall gesucht", sagte mein Prof schon in der ersten Vorlesung. Deshalb hatten meine Kommilitonen und ich hohe Erwartungen, unser hartes Studium sollte sich schließlich auszahlen, dachten wir. Nun wurde mir schnell klar, dass das nicht so einfach war. Die besten Chancen auf dem internationalen Markt haben Maschinenbauer, dann Wirtschaftsingenieure und erst danach kommen wir Bauingenieure. Und es kommt auf die Spezialisierung an. Viele Arbeitgeber wünschen sich eine Vertiefung in Statik. Rechnen lag mir nie, deshalb habe ich mich lieber anders spezialisiert.


Von den vielen Absagen war ich schockiert. Ich hatte mir den Berufseinstieg leichter vorgestellt. Trotzdem habe ich mich schnell erholt und Bewerbungen in Deutschland verschickt. Bei einigen Bewerbungsgesprächen wurde mir wesentlich weniger Gehalt angeboten als normal. Die dachten wohl, ein junger Berufsanfänger merkt das nicht. Ich bin einfach gegangen. Weitere 40 Bewerbungen und 15 Vorstellungsgespräche später saß ich meinem zukünftigen Arbeitgeber gegenüber und bekam endlich einen Job.

Jetzt verdiene ich 2.200 Euro netto im Monat. Also circa 40.000 brutto im Jahr. Ich bin für die Planung der Restaurierung von 200 Bauwerken zuständig. Das ist für mich erst einmal genug Verantwortung. Die Arbeit gefällt mir. Nicht zu stressig, aber trotzdem ordentlich zu tun. Ich plane und überwache die Arbeit anderer. Selbst anpacken ist dabei nicht drin. Das fehlt mir.


Was den Aufstieg angeht, bin ich eher ein Typ, der das Preis-Leistungs-Verhältnis abwägt. Freizeit oder Karriere? Wenn ich die Wahl habe, gewinnt bei mir die Freizeit. Mein Privatleben ist mir sehr wichtig. Da baue ich dann meinen VW-Bus aus und toure zu den besten Kletterspots Europas. Bei der vielen Arbeit bleibt dafür kaum noch Zeit.

Mein Traum vom schnellen Geld im Ausland war wohl etwas blauäugig. Trotzdem ist es nicht unmöglich, im Ausland gut zu verdienen. Vielleicht gehe ich doch noch weg, sobald ich genug Berufserfahrung habe. Wenn das nicht klappt, mache ich vielleicht noch einmal ganz was anderes. Vielleicht werde ich Tischler. Der ehrliche Umgang in einer Werkstatt hat mir ja schon bei meiner Ausbildung zum Schlosser sehr gefallen. Körperliche Arbeit und Dingebauen liegt mir einfach. Da bin ich mehr ich selbst und nicht Herr Soundso im Hemd."

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