Noch vor ihrem ersten Geburtstag musste Ilka einiges durchmachen. Die ersten drei Monate lebte sie ausschließlich im Krankenhaus, eine Operation jagte die nächste. Der Grund: eine Gesichtsspalte.
Durch einen Infekt während der Schwangerschaft ihrer Mutter konnte Ilkas Gesicht nicht korrekt zusammenwachsen. Zusätzlich waren ihre Atemwege in der Nase nicht richtig ausgebildet und ihr fehlte ein Tränenkanal.
Heute geht es ihr dank vieler Operationen gut – anders sieht sie aber immer noch aus. Doch dass „anders“ genauso schön sein kann wie „normal“, beweist Ilka auf ihrem Instagram-Account @ilkamiilka.
Dort postet sie ihre Modelfotos und beweist so sich selbst und der Gesellschaft, dass jeder auf seine eigene Art schön ist.
Ilka macht auch beim „Projekt Grenzenlos” mit, das vermeintliche Makel feiert und Betroffenen Mut und Selbstbewusstsein schenken will.
NOIZZ: Hättest du gedacht, dass du mal 8.000 Follower bei Instagram hast?
Ilka Brühl: Wenn jemand früher gesagt hätte, wie sich das alles entwickelt hätte, ich erst mal gelacht. Damals fand ich, dass ich der unfotogenste Mensch der Welt bin.
Heute ist meine Einstellung ja eher, dass jeder fotogen sein kann bei dem richtigen Fotografen, der die richtigen Seiten zeigt. Jeder Mensch hat eine sehr schöne Seite, die ein guter Fotograf auch zeigen kann.
NOIZZ: Warum hast du überhaupt angefangen zu modeln?
Ilka: Es war totaler Zufall. Die Fotografin meiner ersten Model-Bilder zog zufällig in meine Heimatstadt, und ich wollte eigentlich, dass sie mir zeigt, wie man selber richtig gut fotografiert. Doch dann wollte sie Fotos von mir machen.
Zuerst war ich total nervös und wollte einen Rückzieher machen, weil ich dachte, dass es nicht sein kann, dass jemand Fotos von mir machen will. Doch am Ende war es wirklich toll. Weil sie – wie fast alle Fotografen, mit denen ich bisher gearbeitet habe – sehr locker war und das Shooting einfach Spaß gemacht hat.
Nach dem ersten Shooting war ich voller Adrenalin!
NOIZZ: Wie waren die Reaktionen von anderen, nachdem du die Fotos das erste Mal hochgeladen hattest?
Ilka: Sehr positiv! Zuerst habe ich die Fotos ja nur privat hochgeladen, aber schon da bekam ich tolles Feedback. Dann habe ich mich entschlossen, die Fotos auch öffentlich zu zeigen, und meistens kam sehr viel Nettes zurück.
Das hat mich dann ermuntert, weiterzumachen, und mir dann auch gezeigt: Es gibt nicht nur oberflächliche Leute.
Die Reaktionen haben mir geholfen, mich so zu akzeptieren, wie ich bin.
NOIZZ: Welche Erfahrungen hast du mit Oberflächlichkeit gemacht?
Ilka: Da waren zum Beispiel Situationen in meinem Studium. Ich will auf keinen Fall sagen, dass alle da oberflächliche Arschlöcher sind, aber gerade bei Männern merkt man halt sehr schnell, wen sie attraktiv finden und wen nicht. Und wenn dann über eine, meines Erachtens, sehr hübsche Frau hergezogen wird, habe ich mich immer gefragt: Wie reden die über mich, wenn ich nicht da bin?
Ich habe mich minderwertig gefühlt. Gerade weil das Äußere häufig eine sehr große Rolle spielt.
NOIZZ: Und die Fotos haben die geholfen, dass du dich besser fühlst?
Ilka: Ja, sie haben mein Selbstwertgefühl wieder auf ein normales Level gehoben. Auch heute noch würde ich sagen, dass ich nicht über diesen „Normalpegel” hinaus bin, ich fühle mich jetzt nicht wie der schönste Mensch der Welt. Aber ich habe mittlerweile ein gesundes Selbstwertgefühl.
Ich bin sehr froh, dass mir die Fotografie das gegeben hat, denn auf Dauer ist es einfach sehr anstrengend, wenn man sich immer wieder infragestellt und an sich selbst zweifelt.
NOIZZ: Also: Je mehr Fotos, desto besser geht es dir?
Ilka: Na ja, also ich mache jetzt auch aktuell wieder weniger Shootings, einfach weil es mir momentan so gut geht. Ich möchte nicht, dass meine Fotos auf einmal „selbstbeweihräuchernd” wirken.
Aber hin und wieder tut es einfach gut, durch alte Fotos zu gucken oder mal ein neues zu schießen und auch noch liebevolles Feedback zu bekommen.
Das ist genau das, was mir so geholfen hat: Dass Fremde sich so viel Zeit nehmen, nur um mir etwas nettes zu sagen. Diesen Leuten bin ich total dankbar. Ich habe auch so ein kleines Buch, in dem ich besonders nette Kommentare vermerke. Das hilft, wenn man mal einen schlechten Tag hat.
NOIZZ: Die Menschen sind also in den sozialen Netzwerken besonders nett zu dir?
Ilka: Es gibt natürlich nicht nur freundliche Kommentare. Ich habe auch schon wirklich fiese Sachen über mich gelesen – aber nie auf meinen eigenen Seiten, sondern immer nur, wenn ein Foto von mir geteilt wurde. Da steht dann auch sehr Verletzendes.
Ich lese häufig, ich würde aussehen wie ein Alien. Die Leute werden teilweise auch sehr persönlich.
NOIZZ: Wie fühlst du dich dann?
Ilka: Ich bin komischerweise gar nicht so sehr verletzt, weil ich immer die vielen positiven Kommentare der netten Menschen vor Augen habe, und die bedeuten mir einfach viel mehr. Aber ich werde wütend, wenn ich so fiese Sachen lese, weil nicht jeder so selbstbewusst mit sich umgeht wie ich.
Ich war ja auch nicht immer auf diesem „Selbstwert-Stand” wie heute. Und vor zwei Jahren hätten solche Kommentare dazu geführt, dass ich mich richtig elend gefühlt hätte.
NOIZZ: Wie reagierst du dann?
Ilka: Meistens nehme ich das einfach still hin. Aber einmal war ich so sauer, dass ich dieses Kindheitsfoto von mir hochgeladen habe. Dazu habe ich dann einen irrsinnig langen Text geschrieben, weil ich mich gefragt habe: Wie verrückt ist denn die Welt? Warum macht es Leuten Spaß, sich über andere Leute, die krank sind oder waren, lustig zu machen? So etwas geht mir nicht in den Kopf.
NOIZZ: Wie waren die Reaktionen auf besagtes Kindheitsfoto von dir?
Ilka: Mehrheitlich positiv. Ich habe auch viele private Nachrichten bekommen, die sehr berührend waren. Von Betroffenen, aber auch von Müttern, die geschrieben haben, dass sie dank mir ihrem Kind den Glauben geben können, dass es später nicht nur geärgert wird.
Allerdings gab es auch ein paar kritische Kommentare, in denen beispielsweise stand, dass ich naiv sei. Da stand dann so etwas drin wie: „Du glaubst wirklich, dass so etwas schön ist? Die Industrie gibt uns doch vor, was und wer schön ist.” So etwas finde ich unglaublich traurig. Ich will doch nicht von Anfang an sagen, dass es okay ist, wenn mir jemand anders vorgibt, was schön ist!
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