Lara Schwenner

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Artikel

Natürliches Testosteron: Ein Wettbewerbsvorteil im Frauensport?

  • Beide Geschlechter produzieren Testosteron
  • Testosteron kann Leistung steigern
  • Fraglich ist, ob auch körpereigenes Testosteron leistungssteigernd ist

Eine Frau mit Testosteron im Blut: Das ist zunächst nicht unnatürlich, denn Männer und Frauen produzieren beide Sexualhormone: das weibliche Östrogen und das männliche Testosteron.


Beide Geschlechter haben also einen Östrogen- und Testosteronspiegel, der je nach Geschlecht unterschiedlich stark ausgeprägt ist. In Bezug auf das weibliche Sexualhormon gleichen sich Männer und Frauen im Laufe ihres Lebens sogar an, da mit der Menopause der Östrogenspiegel bei Frauen deutlich sinkt (Frauen: 5-50 pg/ml, Männer: 27-52 pg/ml).


Beim männlichen Sexualhormon sieht es anders aus: Männer produzieren üblicherweise deutlich mehr Testosteron. Es gibt jedoch Frauen, bei denen der natürliche Testosteronspiegel überdurchschnittlich hoch ist. In der Fachsprache heißt das Hyperandrogenämie. Diese hormonelle Störung liegt auch bei der südafrikanischen Leichtathletin Caster Semenya vor.


Das Problem: Um Wettbewerbsvorteile zu vermeiden, gibt der Internationale Leichtathletik-Verband IAAF vor, wie viel Testosteron weibliche Athleten im Blut haben dürfen: Zehn Nanonmol Testosteron pro Liter Blut - ein Wert, den Frauen im Normalfall nicht erreichen. Um weiterhin an Wettkämpfen teilnehmen zu dürfen, musste Caster Semenya daher zeitweise ihre körpereigene Hormonproduktion mit Medikamenten regulieren.


Wirkt Testosteron leistungssteigernd?

Wenn Testosteron von außen zugeführt wird, beispielsweise gespritzt, dann könne man dem Hormon einen leistungssteigernden Effekt zusprechen, sagt der Hormon-Spezialist Günter Stalla im Interview mit der taz. Denn Testosteron kann das Muskelwachstum ankurbeln und die Regeneration der Muskulatur nach Belastung beschleunigen. Deshalb wird es auch immer wieder als Anabolikum eingesetzt. Allerdings ist die chemische Struktur dann so verändert, dass die Wirkung um ein Vielfaches stärker ausfällt als bei natürlichem Testosteron.


Natürlicher Testosteronspiegel 


Und wie sieht es der IAAF? Sportlerinnen mit einem hohen Testosteron-Level haben Vorteile gegenüber Athletinnen mit einem niedrigeren Level. So das Ergebnis einer Studie, die der IAAF in Auftrag gegeben hat: Für die Disziplinen über 400 Meter, 400 Meter Hürden, 800 Meter, Hammerwurf und Stabhochsprung wurden demnach Vorteile in Höhe von 1,8 bis 4,5 Prozent ermittelt.


Doch im Körper wirkt das männliche Sexualhormon bei jedem Menschen anders. Ob Caster Semenya nur eine Sekunde schneller ist, weil sie mehr natürliches Testosteron im Blut hat als ihre Mitstreiterinnen, lässt sich wissenschaftlich nicht feststellen, so Stalla.


Prozess gegen Testosteron-Regel


Semenyas Beispiel ist kein Einzelfall: Die indische Läuferin Dutee Chand wurde 2014 mehreren Tests unterzogen, bei denen auch ihr Testosteron-Level bestimmt wurde. Es lag höher, als der IAAF bei Frauen erlaubt.  Chand wurde daraufhin wegen des Verdachts auf einen Wettbewerbsvorteil von den Wettkämpfen gesperrt.


Doch Chand hat gegen die Testosteron-Regel vor dem Sportgerichtshof geklagt und darf nun wieder an Wettkämpfen teilnehmen – solange die IAAF keine wissenschaftlichen Beweise dafür liefern kann, dass hyperandrogene Athletinnen einen deutlichen Leistungsvorteil haben.



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