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Ein Job mit Sinn: Warum Nachhaltigkeit auch im Beruf immer wichtiger wird

Bild: dpa

Ob ökologische Produktion, transparente Lieferketten oder soziales Engagement – auch für Unternehmen rücken Nachhaltigkeitskriterien zunehmend in den Fokus. Auch bei der Jobsuche werden ethische Kriterien für Bewerberinnen und Bewerber immer bedeutender. Aber wie erkennt man einen nachhaltigen Job?


Berlin/Köln. Täglich viele Stunden absitzen, sich am Monatsende über den Gehaltsscheck freuen und im Laufe der Zeit möglichst weit aufsteigen – dieses Bild vom Arbeitsleben hat sich seit geraumer Zeit überholt. Nicht nur bei der Berufswahl, auch bei der Stellensuche rücken für Arbeitnehmende neben der Höhe des Gehalts oder Aufstiegschancen viele andere Kriterien in den Vordergrund. Immer stärker gewinnen dabei auch ethische Werte an Bedeutung. So gaben laut einer Studie des Jobnetzwerks Xing 26 Prozent der Befragten als Grund für einen Jobwechsel an, dass sie bei ihrer aktuellen Tätigkeit die Sinnhaftigkeit vermissten.

Sinnstiftende Arbeit gewinnt an Bedeutung

Menschen wollen ihre Lebenszeit verstärkt mit einer sinnvollen Tätigkeit verbringen, anstatt nur Geld zu verdienen. Der Fachkräftemangel verstärkt diesen Effekt, da es in vielen Branchen einfacher wird, eine neue Stelle zu finden als noch vor einigen Jahren. Der Arbeitsmarkt entwickle sich infolgedessen vom einem Angebots- zum Nachfragemarkt. Der Studie zufolge kündigte jeder vierte Wechselwillige seinen Job, ohne bereits einen neuen in Aussicht zu haben.

„Soziales Engagement und Nachhaltigkeit sind für Unternehmen in den letzten Jahren auf jeden Fall wichtiger geworden, das sehen wir in Umfragen“, sagt die Verhaltensökonomin und Wirtschaftsethikerin Theresa Eyerund vom Institut der deutschen Wirtschaf (IW) in Köln. Besonders der Klimaschutz stehe stark im Fokus, was alle Gesellschaftsbereiche betreffe. Die Bedeutung von Nachhaltigkeitsthemen sei deshalb nicht nur, aber eben auch für Unternehmen gewachsen. Das gestiegene Bewusstsein in der Bevölkerung wirke sich neben vielen anderen Feldern auch auf das Arbeitsleben aus.

Nachhaltigkeit als Teil des Unternehmenszwecks


Doch wie lässt sich ein „sinnvoller“ Arbeitsplatz bei einem nachhaltig und ethisch verantwortlichen Unternehmen überhaupt finden? Es sei kaum auf den ersten Blick zu erkennen, ob es sich bei einem Betrieb um einen nachhaltigen Arbeitgeber handele, so Eyerund. Das liege schon daran, dass die Definition dessen, was als nachhaltiges Wirtschaften gelte, unklar sei. „Im besten Fall werden die nachhaltigen oder sozialen Tätigkeiten ins Kerngeschäft und in den Unternehmenszweck integriert“, erklärt Eyerund. „Ich versuche also, in der Art und Weise, wie ich als Unternehmen Geld verdiene, besser zu werden, was Nachhaltigkeitskriterien angeht.“ Es gehe etwa darum, die Produktion möglichst umweltschonend zu gestalten und hohe soziale Standards für Mitarbeitende zu gewährleisten, anstatt beispielsweise einen Teil der Gewinne an wohltätige Projekte zu spenden.

Das Berliner Start-up Goodjobs möchte die Suche nach einem „sinnvollen“ Job erleichtern und nachhaltigen Unternehmen eine Plattform bieten. Neben einer Stellenbörse bietet die Webseite eine Liste von über 2500 Betrieben und Organisationen, die die Plattform als nachhaltig eingestuft hat. Zur Beurteilung dienten fünf Kategorien, die auf den 17 „Social Development Goals“ (SDG) der Vereinten Nationen basieren, erklärt Goodjobs-Sprecherin Julia Dillan. Dort finden sich erneuerbare Stromanbieter, Hersteller von Biolebensmitteln, Vereine wie das Deutsche Rote Kreuz oder der Tierschutzbund, aber auch Banken und Drogeriemärkte.


Nachhaltige Berufe gibt es in allen Branchen

Oft werde fälschlicherweise davon ausgegangen, dass nachhaltige Tätigkeiten nur in bestimmten Branchen, etwa in Umweltwissenschaften oder Solartechnik, zu finden seien, erklärt Dillan. „Dabei gibt es für jeden herkömmlichen Job ein nachhaltiges Gegenstück.“ Jedes Unternehmen brauche etwa Angestellte in der Buchhaltung oder im Personalwesen. Deshalb sei es auch ein Trugschluss, dass nur Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen einen Job in einem nachhaltigen Unternehmen bekommen könnten. Bei Goodjobs gebe es auch viele Stellenangebote in Ausbildungsberufen, so Dillan.

Seit Anfang 2020 habe die Plattform einen enormen Anstieg an Nutzerinnen und Nutzern erlebt, berichtet Dillan. Das habe nicht nur, aber auch mit der Pandemie zu tun. „Einerseits waren durch die Kurzarbeit in vielen Betrieben sicherlich mehr Menschen auf Jobsuche“, so die Unternehmenssprecherin. Auf der anderen Seite sei aber durch Homeoffice der persönliche Austausch mit Kolleginnen und Kollegen und damit auch das Teamgefühl weggefallen – ein Aspekt, der Menschen sonst oft in einem Job halte, auch wenn sie nicht vollkommen zufrieden sind. „In dieser Situation haben sicher einige angefangen, noch einmal stärker zu hinterfragen, ob die Tätigkeit ihnen wirklich sinnvoll erscheint“, sagt Dillan.


Vorteil bei der Suche nach Fachkräften

Da der Stellenwert einer sinnstiftenden Betätigung für viele Arbeitnehmende immer wichtiger wird, können Unternehmen, die sich für Nachhaltigkeit engagieren, bei der Suche nach qualifiziertem Personal profitieren. Er wolle nicht sagen, man werde überrannt, „aber wir können uns wirklich nicht beklagen, dass es zu wenig Interesse gäbe“, sagt Sebastian Stricker, einer von vier Gründern der Marke Share, die nachhaltige Konsumgüter anbietet und mit einem Teil der Erlöse soziale Projekte unterstützt. Diese Beliebtheit bei Bewerberinnen und Bewerbern sei eine große Erleichterung für das Unternehmen bei der Suche nach Fachkräften. „Ich glaube, das ist einer der größten Gründe, warum es Sinn macht, als Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen: Die Leute sind sehr motiviert, man bekommt die besseren Teams“, sagt Stricker.

Trotz dieses Wettbewerbsvorteils zeige sich in Studien bisher kein großer Nachhaltigkeitsboom bei Unternehmen, erklärt Wirtschaftsethikerin Eyerund. Zugleich werben aber sehr viele Hersteller von Konsumgütern mit ihrem Engagement für mehr Nachhaltigkeit. „Das Risiko von Greenwashing ist hier sehr groß“, sagt Eyerund. Davon könne man sprechen, wenn Nachhaltigkeit nicht in die generelle Unternehmensstrategie einfließe, sondern als reiner Marketingaspekt genutzt werde, etwa mit einzelnen, wenig umfangreichen Aktionen oder Kollektionen. Gleichzeitig dürfe man aber auch nicht erwarten, dass ein Unternehmen sofort alles perfekt machen muss, bevor es mit seinem nachhaltigen Engagement werben darf. Wichtig sei, dass ein Betrieb seine Produktion auf Nachhaltigkeitskriterien hin analysiert, Ziele setzt und daran arbeitet, besser zu werden. Ein Unternehmen müsse auch nicht gleich alle 17 Nachhaltigkeitsziele umsetzen, sondern sich auf diejenigen konzentrieren, die für die eigene Tätigkeit relevant sind, betont Eyerund.


Mehr politische Regulierung gefordert

„Nachhaltigkeit ist kein abgeschlossener Zustand, sondern ein Prozess“, sagt auch Share-Gründer Stricker. Es gebe immer etwas, was man noch besser machen könne. Der Unternehmer wünscht sich aber auch strengere Regeln in Sachen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung für Betriebe vonseiten der Politik. „Wir leben in einer Welt, in der ich als Unternehmen wahnsinnig schlecht für die Gesellschaft sein und trotzdem riesige Gewinne machen kann“, sagt Stricker. „Nachhaltiger zu sein als die anderen, ist dagegen automatisch teurer.“ Es liege aber auch nicht an der Politik allein, mehr Nachhaltigkeit umzusetzen. Neben der Eigenverantwortung der Unternehmen seien auch Konsumentinnen und Konsumenten in der Pflicht, sich durch ihre Kaufentscheidungen für mehr Nachhaltigkeit einzusetzen.

Die politische Regulierung habe in den letzten Jahren stark angezogen und werde sich künftig auch noch verstärken, betont Eyerund. Ein Beispiel sei die EU-Taxonomie, die versucht, feste Kriterien für die Nachhaltigkeit bestimmter Wirtschaftszweige festzulegen. „Es gibt einen wahnsinnigen Wandel in der gesetzlichen Landschaft“, sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin. Im Moment sei etwa auf EU-Ebene ein Lieferkettengesetz in Arbeit, das strengere Richtlinien festlege als das deutsche Pendant. Zudem sei eine EU-Taxonomie zu sozialen Kriterien in Planung.

Aus ordnungsethischer Perspektive sei es wenig sinnvoll, darauf zu bauen, dass einzelne Unternehmen sich freiwillige Standards auferlegten. „Die Idee ist, dass die Rahmenbedingungen so sind, dass wenn sich alle an die Regeln halten, die Ziele der Gesellschaft erfüllt werden“, sagt Eyerund. So entstehe keinem Unternehmen ein Nachteil daraus, wenn es nachhaltig und sozial verantwortungsvoll wirtschaftet.

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