Kristin Hermann

Reporterin Weser-Kurier und freie Journalistin, Bremen

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Jobsuche in der Coronakrise: "Ich habe Angst, dass mein Traum zerplatzt"

Bild: Privat, Pexels/Montage: bento

Sieben Jahre hat Nadine* auf ihren Traumjob hingearbeitet. Zwei Studienabschlüsse, ein Auslandssemester, zwei Praktika - alles, damit sie sich auf eine Stelle in der Politikberatung bewerben kann. Dafür ist die 26-Jährige mit ihrem Freund extra nach Berlin gezogen, dorthin, wo Politik gemacht wird und viele Jobs in dem Bereich ausgeschrieben werden. Anfang März wurde sie von einer Agentur zum Vorstellungsgespräch eingeladen, beide Seiten hätten danach ein gutes Gefühl gehabt, sagt Nadine.

Doch dann kam Corona. "Zwei Wochen nach dem Gespräch erhielt ich eine E-Mail mit dem Hinweis, dass das finale Einstellungsgespräch aufgrund der aktuellen Lage bis auf Weiteres verschoben wurde."

Sie suche täglich im Internet nach Alternativen, sagt Nadine, doch die Zahl der Ausschreibungen habe seit Beginn der Krise abgenommen. Sich in anderen Bereichen umzuschauen, etwa im öffentlichen Dienst, kommt für die Politikwissenschaftlerin nicht in Frage. Noch nicht. "Ich hatte immer ein klares Ziel vor Augen und habe hart dafür gearbeitet, gute Voraussetzungen mitzubringen", sagt sie. "Wenn es noch länger so weitergeht, werde ich mich aber zwangsläufig umorientieren müssen. Ich habe Angst, dass mein Traum zerplatzt."

Wer wie Nadine in der Coronakrise einen Job sucht, hat es schwer. Das Karriereportal Stepstone etwa verzeichnet in einigen Branchen "einen massiven Rückgang" offener Stellen, in den Bereichen Verkauf und Vertrieb sei die Zahl der Jobangebote im Vergleich zum Januar um etwa 60 Prozent zurückgegangen. Im Gesundheits- und Pflegebereich oder im öffentlichen Dienst würden dagegen gerade deutlich mehr Arbeitnehmende gesucht als sonst.

Hinzu kommt: Laut Stepstone verlegen viele Unternehmen das Eintrittsdatum für neue Stellen nach hinten. Das bedeutet, Jobangebote, die vor Beginn der Coronakrise ausgeschrieben wurden, bleiben zwar bestehen - sie sind oft aber nicht mehr ab sofort ausgeschrieben, sondern erst für den Sommer oder Herbst.

Etwa 50 Bewerbungen habe sie in den vergangenen Wochen geschrieben, sagt Nadine, ein Drittel davon für Aushilfsjobs. Zwei Absagen habe sie bekommen, ansonsten habe es keine Reaktionen gegeben. Gerade lebe sie noch vom Geld ihrer Eltern. "Wenn ich nicht bald etwas finde, werde ich aber wohl oder übel Hartz IV beantragen müssen", sagt sie. Eine andere Möglichkeit gebe es nicht, denn Berufseinsteiger wie sie fielen durch alle Raster: "Wir sind weder Studenten noch Arbeitnehmer oder Selbstständige." Gruppen, für die es in der Coronakrise gesonderte Hilfen vom Staat gibt.

Bewerbungsgespräche per Videocall, Probearbeiten von zu Hause

Und nicht nur die fehlenden Stellen sind für Jobsuchende ein Problem. Auch der Bewerbungsprozess läuft in der Coronakrise oft ganz anders ab als sonst. Weil viele Unternehmen nach wie vor im Homeoffice arbeiten, mussten sie auf digitale Einstellungsverfahren umstellen. Heißt: Bewerbungsgespräche per Videocall statt persönlich, Probearbeiten vom Schreibtisch zu Hause statt mit den Kolleginnen im neuen Büro. Gerade für Berufseinsteiger kann das eine Herausforderung sein. Sie können ihren ersten Arbeitgeber nach der Ausbildung oder dem Studium nicht persönlich kennenlernen, sondern müssen online über Gehalt und Urlaubstage verhandeln.

"Ein erstes Kennenlernen per Telefon finde ich absolut in Ordnung, aber das endgültige Gespräch hätte ich schon gern persönlich", sagt Larissa. Wie Nadine sucht sie seit einigen Wochen nach einem Job, ihrem ersten nach dem Medienmanagement-Studium. Die 26-Jährige möchte gern im Online-Marketing arbeiten. Etwa 100 Bewerbungen habe sie bisher geschrieben, sagt sie, ohne Erfolg.

Am 19. Märzhabe sie sich bei einem Unternehmen vorgestellt, wegen Corona nur am Telefon. Nach einer Woche habe die Firma noch einmal angerufen und gesagt, sie könnten sich eine Zusammenarbeit mit ihr vorstellen. "Im nächsten Atemzug verkündeten sie aber, dass es aufgrund der aktuellen Situation nicht möglich sei, mich ab sofort einzustellen", sagt Larissa. "Sie wollen sich Mitte Juni noch einmal melden und sehen, wie die Lage bei mir und bei der Firma dann ist." Dieses Vorgehen könne sie zwar nachvollziehen. Trotzdem fürchte sie, dass sich der Leerlauf noch länger hinzieht und zu einer Lücke in ihrem Lebenslauf führt - und die wiederum auf potenzielle Arbeitgeber abschreckend wirkt.

Der Kölner Karriere- und Businesscoach Bernd Slaghuis versucht, seinen Klientinnen und Klienten genau diese Sorge zu nehmen. "Wer jetzt als Bewerber länger sucht, der sollte sich über die Corona-Lücke keinen Kopf machen", sagt er. "Nach meiner Erfahrung haben Bewerber oft ein größeres Problem mit Lücken in ihren Lebensläufen als Recruiter."

Manchmal könne es sogar sinnvoll sein, in der Bewerbung Bezug auf die Krise zu nehmen, sagt Slaghuis. "Viele Anschreiben, die ich vor der Krise gelesen habe, erscheinen mir heute nicht mehr echt und passend." Berufseinsteigerinnen wie Nadine und Larissa rät er, sich auch in Bereichen umzuschauen, an die sie vorher vielleicht nicht gedacht haben. Schließlich käme es beim Jobeinstieg nicht nur auf Fachwissen an, sondern auch auf Erfahrungen und Persönlichkeit.

Larissa sagt, sie möchte zwar lieber in ihrer Heimat Süddeutschland bleiben, würde für den richtigen Job aber auch in eine andere Region ziehen. Allerdings sei sie unsicher, wie sinnvoll ein solcher Schritt in der momentanen Situation tatsächlich ist, schließlich kämpfen viele Firmen mit wirtschaftlichen Problemen. "Ich hätte Angst, deswegen in der Probezeit entlassen zu werden oder kurz vorher doch eine Absage zu bekommen. Und was mache ich dann in einer fremden Stadt?"

Jobcoach Slaghuis kann diese Sorge verstehen. Sein Tipp: Verbindlichkeiten schaffen und beim Arbeitgeber nachfragen, wie konkret die Einarbeitungsphase bereits geplant ist. Ob beispielsweise Gespräche mit Kollegen und Vorgesetzten anstehen, oder ob man zunächst im Homeoffice arbeiten kann. "Schaffen Sie mit Ihrem neuen Arbeitgeber die nötige Klarheit, die Sie als Mitarbeiter jetzt benötigen."

Nadine und Larissa halten sich derweil an dem Gedanken fest, dass es eine Zeit nach der Krise geben wird, in der sie gebraucht werden. Auch, wenn das an manchen Tagen schwerfällt.

* Aus Angst vor Nachteilen in den noch offenen Bewerbungsprozessen möchte Nadine ihren richtigen Namen nicht öffentlich machen. Er ist der Redaktion aber bekannt.


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