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Damit das Blut fließt

Damit das Blut ordentlich aus dem Arm über einen Schlauch in den Beutel fließt, massiert Sperl einen herzförmigen Gummiball. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zum ersten Mal kann man in Frauenneuharting Spender für das Bayerische Rote Kreuz werden. Mehr als 100 Freiwillige kommen in die Halle der Feuerwehr und werden für ihren Einsatz belohnt


Konzentriert streicht sie sich eine Strähne aus dem Gesicht. Die Augen der Mittvierzigerin sind auf das Stück Papier gerichtet, das vor ihr liegt: "Wurde bei Ihnen jemals Malaria festgestellt? Wurden Sie in den letzten vier Wochen geimpft? Haben Sie sich schon einmal Drogen gespritzt oder geschnupft?" Frage für Frage arbeitet sie sich durch den Bogen. Trennwände auf den Tischen verhindern, dass man ihre Antworten sehen kann. Als sie fertig ist, wendet sie sich an den Mann, der ihr den Zettel in die Hand gedrückt hat. "Den zeigen Sie jetzt oben her. Da geht es weiter", sagt er und lächelt. Als sie die Treppe hinaufgeht, begrüßt der Mann den Nächsten, der gerade vom Parkplatz kommt: "Hallo. Sind Sie Erstspender oder haben Sie einen Ausweis?"


103 Personen haben am vergangenen Donnerstag in Frauenneuharting ihr Blut gelassen. Zumindest einen Teil davon. Es war die erste Blutspende in der Gemeinde. Dass es aber nicht die letzte gewesen sein dürfte, dafür spricht die relativ hohe Spenderzahl: "Mein persönliches Ziel sind 100 Leute", sagte Bereitschaftsleiter Jürgen Sonnenberg eine Stunde nach dem ersten Anstich. Das Team der Bereitschaft Frauenneuharting hatte zusammen mit dem Blutspendedienst aus München die Aktion organisiert. Ort der Spendenabgabe ist die Halle der Freiwilligen Feuerwehr.


2000 Blutkonserven werden laut dem Bayerischen Roten Kreuz täglich in Bayern benötigt, aber nur sieben Prozent der Bevölkerung spenden Blut im Freistaat. "Es gibt viel zu wenig Aufklärung diesbezüglich", sagt Barbara Taggruber. Die 30-Jährige aus Erding war eine der 103 Freiwilligen in Frauenneuharting. Es sei ihre "gute Tat", vier Mal im Jahr zur Blutspende zu gehen. Öfter dürfe sie gar nicht. Das wird einem vor Ort mitgeteilt: "Frauen können viermal, Männer sogar sechsmal im Jahr Blut spenden", heißt es in dem Informationsblatt, das man bekommt.


Die Frau hat es sich auf einer der Liegen bequem gemacht. Zuvor hatte sie sich den Fragen der Ärzte gestellt. Neben ihr tippt ein junger Mann auf seinem Smartphone herum. In der anderen Hand hält er den roten Stressball, der einem bei der Blutabnahme gegeben wird. Er hat die Form eines Herzens. In seiner Ellenbeuge steckt eine Nadel, daran ein Schlauch, der mit einem Beutel verbunden ist. Dass ein halber Liter seines Bluts wenige Zentimeter neben ihm hängt, stört ihn nicht. Völlig entspannt wartet er darauf, dass ihm die Nadel wieder entfernt wird.


"Ich fand es eigentlich überhaupt nicht schlimm", sagt Martin Sperl. Zum ersten Mal hat der 24-Jährige Blut gespendet. "Ich war überrascht. Die Nadel wirkt eigentlich gar nicht so klein. Es ist dann aber wirklich nur ein kleines Piksen", sagt er und lacht. Sperl ist über die aufgestellten Banner auf die Aktion aufmerksam geworden. Er war gerade auf dem Heimweg, als er beschloss, den Helfern im Gebäude der Feuerwehr einen Besuch abzustatten. "Vielleicht ist man ja irgendwann selber auf eine Blutspende angewiesen", sagt er. Für ihn steht fest, dass er das jetzt öfter machen wird. Auch seinen Freunden wolle er das ans Herz legen. Viele von ihnen fürchteten sich aber vor Nadeln. Deshalb sei die Bereitschaft in seinem Umfeld nicht so groß.


Kreislaufbeschwerden. Das sei das Schlimmste, was passieren könne, versichert Bernhard Behr. Er ist der Teamleiter des Münchner Blutspendediensts. Ein Kreislaufkollaps könne schon mal passieren. "Vor allem wenn man schlecht vorbereitet ist. Also nicht genug gegessen und getrunken hat", erklärt er. Es sei ein Fehler, der von Erstspendern häufig gemacht werden würde. Behr ist seit 19 Jahren im Blutspendedienst tätig.


"Ein Geschenk dürfen Sie sich auch noch aussuchen", sagt die Frau hinter der Theke, zu der man nach der Spende gelangt. Sie verpflegt die Freiwilligen mit belegten Semmeln und Getränken. Kochbücher, Regenschirme und andere Präsente liegen auf der Anrichte. Die Spenderin tritt heran und nimmt eines der Bücher in die Hand, öffnet den bunten Einband und blättert durch die Seiten. Ausgerüstet mit einer Käsesemmel, einem Kaffee und dem Buch geht sie zu den aufgestellten Bänken. Sie setzt sich neben eine Frau, mit der sie schon während der Spende einige Worte gewechselt hat. Hinter ihr sitzt Martin Sperl, der schon während der Blutentnahme ganz entspannt war. Für ihn sei das hier "kein großer Aufwand", hatte er an diesem Tag gesagt, aber einer, der "Leben retten kann".

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