6 Abos und 2 Abonnenten
Artikel

"Vui mehr Tiefe"

Gedreht wurde an mehr Schauplätzen als beim Vorgänger. (Foto: Manuel Weiss/oh)

Die Webserie mit dem einprägsamen Titel "Ebersberg", in der es um die Grusellegende der Weißen Frau geht, ist ein voller Erfolg. Nun hat Filmemacher Manuel Weiss die zweite Staffel fast im Kasten


Ein weiteres Mal drückt Andreas auf die Play-Taste seines Laptops. Ziemlich nah ist er da schon an den Bildschirm herangerückt. Immer und immer wieder sieht er sich das verwackelte Video an, das er kurz zuvor mit Max an der kleinen Hubertuskapelle im Ebersberger Forst aufgenommen hat. "Was zum Teufel?", haucht er fragend, als er das Videomaterial Bild für Bild durchgeht. Nur schemenhaft ist eine Gestalt auf dem Rücksitz seines Autos zu erkennen. In der Dunkelheit sitzt sie da und starrt mit aufgerissenem Mund in die Kamera: die Weiße Frau.


Es gibt viele Szenen wie diese in der Webserie "Ebersberg", die dem Zuschauer einen Schauer über den Rücken jagen. Ganz unabhängig davon, ob man schon von der Geschichte der Weißen Frau gehört hat, die nachts am Straßenrand im Ebersberger Forst steht, oder nicht. Die Legende geht so: Eine Frau wurde vor vielen Jahren nach einem Verkehrsunfall sterbend zurückgelassen und sucht seitdem ihren Mörder. Hält ein Autofahrer nicht an, um ihr zu gewähren, in das Auto einzusteigen, taucht sie plötzlich hinter ihm auf, greift ins Steuer und verursacht einen Unfall. "De G'schicht is doch eigentlich scho bayernweit bekannt", sagt Schauspieler Christoph Stoiber. Er verkörpert in der Serie Max, den treuen Freund des Protagonisten - und verleiht den Filmchen dank seines deutlichen Dialekts eine gehörige Portion Lokalkolorit.


"40 000 Klicks hat die erste Folge mittlerweile? Wow. Das letzte Mal, als ich auf Youtube geschaut habe, waren es noch 35 000", sagt Manuel Weiss, der den Erfolg seiner Serie immer noch nicht fassen kann. Der in Haar lebende Filmemacher ist es, der die Geschichte über den von Neugier und Geldproblemen getriebenen Protagonisten Andreas, gespielt von dem Münchner Schauspieler Florian Günther, geschrieben und verfilmt hat. Jetzt hat Weiss bekanntgegeben, dass die zweite Staffel der bereits mehrfach ausgezeichneten Serie fast im Kasten ist.


23 Drehtage hat die zweite Staffel von "Ebersberg" in Anspruch genommen. Acht mehr als die erste aus dem Jahr 2015. Auch die Kosten sind im Vergleich zum Vorgänger angestiegen: von knapp 100 000 Euro auf 300 000 Euro insgesamt. "Das ist aber immer noch verhältnismäßig wenig", klärt der 35-jährige Weiss auf. Alleine eine Folge "Tatort" würde etwa 1,4 Millionen Euro verschlingen.


Dass die neue Staffel deutlich teurer geworden sei, lässt sich laut Regisseur Weiss unter anderem auf eine Vielzahl an Drehorten zurückführen: "Statt, wie in der ersten Staffel, fast ausschließlich in privaten Wohnungen zu arbeiten, haben wir dieses Mal sehr viel in einem Polizeirevier gedreht. Das schluckt einfach Geld." Diese Neuerung trägt aber laut Darsteller Stoiber auch dazu bei, dass die aktuelle Staffel noch mal besser ist als die erste: "I find des cool, dass da des Geisterhafte mit da Kriminalistik g'mischt wead", sagt der Chiemgauer Schauspieler und Kabarettist.


Überhaupt hat sich Stoiber, der bereits in Fernsehproduktionen wie den "Rosenheim Cops" oder "Hubert und Staller" mitspielte, über die Wiederbesetzung seines Charakters Max sehr gefreut: "Man werd a immer bissl sattelfester in seiner Rolle." Außerdem würden Seriencharaktere mit jeder neuen Staffel besser: "Des sieht ma ja an "Breaking Bad" oder "Game of Thrones". Mit da Zeit wean so Rollen immer mehr mit Leben g'füllt." Auch seine Figur Max habe in der zweiten Staffel deswegen "vui mehr Tiefe".


Besonders aber die neuen Figuren und die Schauspieler, die sie verkörpern, würden dem ganzen noch mal eine besondere Würze geben, so Stoiber. Er lobt die neue Besetzung. "Des sand einfach super Kollegen und wirklich coole Schauspieler." Vor allem der österreichische Schauspieler Reinhard Paul Seyer und der Münchner Felix Phönix Lehmann stechen dabei heraus. Sie übernehmen die Rollen der ermittelnden Polizisten, die in die Geisterjagd hineingezogen werden.


Doch wer hier wen jagen wird, bleibt abzuwarten... Neben den erfahrenen Schauspielern durfte diesmal auch ein Fan der Serie am Set dabei sein und eine Statistenrolle übernehmen: "Ich hab mich sehr darüber gefreut. Es hat mich einfach interessiert zu sehen, wie so Dreharbeiten ablaufen", sagt Manuel Sedlmeier. Der Emmeringer hatte eine Auslosung der Kreissparkasse gewonnen, die die Produktion der zweiten Staffel zusammen mit dem Film-Fernseh-Fonds Bayern unterstützt hat. Die Legende der Weißen Frau kennt der 39-jährige Gruselfan seit seiner Kindheit: "Die Geschichte hat mich immer schon fasziniert."


Ein Interesse, das er mit Schauspieler Stoiber und Chef Weiss teilt. Auch wenn diese nicht wirklich an solche paranormalen Geschichten glauben, gibt Stoiber zu, dass ihn bei den nächtlichen Dreharbeiten an der Hubertuskapelle schon manchmal ein leichter Schauer erfasst habe: "Wenn ma dann zum Beispiel zum Bieseln oder so alloa in an Woid einegeht, da denkt man si dann scho: Boah leck ey."


Weiss hingegen scheint stärkere Nerven zu haben: "Ich bin auch öfters mal alleine in den Forst gefahren, um das ein oder andere nachzudrehen", sagt er. Häufig sei er dabei Leuten begegnet, die auf der Suche nach der Weißen Frau waren: "Manche haben dann sogar gesagt, dass sie etwas gespürt hätten", erzählt Weiss und fährt lachend fort: "Vielleicht bin ich für solche Energien einfach nicht empfänglich."


Durchaus empfänglich ist der 35-Jährige hingegen für das "beklemmende Gefühl", welches entsteht, wenn man sich einen Horrorfilm anschaut, also in Szene gesetzten Grusel. "Ich sehe sehr viele solcher Filme - zur Recherche", sagt Weiss. Daraus lerne er nämlich viel über die Gesetzte des Genres, im Guten, aber vor allem auch im Schlechten: Nur manche Dinge würde er für seine Serie adaptieren, vieles versuche er hingegen zu vermeiden: "Von zehn Horrorfilmen finde ich vielleicht zwei herausstechend."


Dass Weiss gerne auch das eine oder andere Element für Horror-Liebhaber in seiner Serie platziert, ist bereits in der ersten Staffel zu erkennen: Während Protagonist Andreas langsam der Legende der Weißen Frau auf die Schliche kommt, ist im Hintergrund immer wieder das Plakat eines Klassikers zu sehen, von Stephen Kings "Shining". "Ich dachte, das sei ein nettes Detail für Horrorfilmfans", sagt Weiss lachend. Anleihen bei der legendären Kameraführung aus dem Film von 1980 habe er allerdings nicht genommen.


Dafür seien in der zweiten Staffel neue Techniken wie "professionelle Leuchter" zum Einsatz gekommen. Dass es aber auch ohne aufwendiges Equipement geht, konnte Weiss bereits in der ersten Staffel unter Beweis stellen. Zum Beispiel bei einer Szene, die einen demolierten Unfallwagen zeigt: Dafür habe man lediglich die Motorhaube ein bisschen geöffnet, Rauchtabletten an den richtigen Stellen platziert und auf die intakte Windschutzscheibe einfach eine kaputte vom Schrotthändler gelegt. Dazu ein paar Computereffekte - Wrack fertig.


Wann die Weiße Frau - zumindest auf den Bildschirmen - wieder ihr Unwesen treibt, kann Weiss noch nicht sagen. Er geht jedoch davon aus, dass die Premiere der zweiten Staffel Ende September oder Anfang Oktober stattfinden wird. Der Ort dafür steht hingegen schon fest: "Wir werden die zweite Staffel in der Filmhochschule in München vorstellen." Für die Fans aus Ebersberg führt der kürzeste Weg nach Hause dann wohl durch den Forst. Vorbei an der leichenblassen Hubertuskapelle, die nachts fast verschluckt wird von der Dunkelheit des Waldes. Ein Ort, wie gemacht für Spekulationen.

Zum Original