Klaus Ehringfeld

Korrespondent und Reporter für Lateinamerika, Mexiko-Stadt

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Drogenkrieg: Mexikos Paradies unter Beschuss

Cancún und Playa del Carmen. Diese beiden Urlaubsorte stehen für das andere Mexiko. Sie stehen für das fröhliche, das sichere, das spaßige Mexiko, das jedes Jahr Millionen Urlauber aus aller Welt anzieht. Alleine aus Deutschland landen jede Woche sieben Ferienflieger an der mexikanischen Riviera Maya. Ein Drittel seiner Tourismuseinnahmen generiert Mexiko hier in der Karibik. Trotz Drogenkriegs ist das lateinamerikanische Land weltweit das zehntbeliebteste Urlaubsziel. Doch das könnte sich bald ändern.

Denn die Anzeichen mehren sich, dass nun auch das letzte mexikanische Paradies unter Beschuss gerät. Mittlerweile kommt es täglich zu bewaffneten Auseinandersetzungen in Cancún. Exekutionen, Schusswechsel vor Einkaufszentren, Verfolgungsjagden in der Innenstadt und auch die berüchtigten Leichenteile in Müllsäcken gehören zum Alltag. Bereits im Januar wurden in der Millionenstadt und dem 70 Kilometer entfernten Playa del Carmen binnen 48 Stunden neun Menschen bei einem Anschlag auf eine Diskothek und Überfällen auf Regierungsinstitutionen getötet. Diese Nachrichten sind wie toxisches Material für jedes Urlaubsparadies. Zumal diese Gewalttaten die Handschrift des Organisierten Verbrechens tragen.

Früher wusste man in Mexiko immer, welche Gegenden man als Urlauber meiden musste, wenn man seine Ferien ungestört genießen wollte. Es gab Landstriche, wo der Staat das Sagen hatte. Und es gab Gegenden, in denen das Organisierte Verbrechen regierte. Die Städte Ciudad Juárez und Culiacán im Norden und der Pazifikbadeort Acapulco im Zentrum des Landes stehen beispielhaft für diese No-Go-Areas.

Durchschnittlich 100.000

Urlauber besuchen die Riviera Maya jeden Tag.

Aber Mexikos Karibikküste, die wichtigste Tourismusregion des Landes, galt immer als sicher, und die Riviera Maya mit den Badeorten Cancún und Playa del Carmen ist bei US-Touristen und Urlaubern aus West- und Osteuropa wegen des weißen Sandes, den Maya-Ruinen, dem türkisblauen Wasser und den Partymeilen sehr beliebt. Durchschnittlich 100 000 Urlauber besuchen die Riviera Maya jeden Tag.

Mittlerweile aber verwandele sich die Urlaubsregion in ein „karibisches Acapulco" oder ein „tropisches Ciudad Juárez", sagt der Sicherheitsexperte Alejandro Hope. Hintergrund ist, dass das extrem gewalttätige Kartell „Jalisco Nueva Generación" die Vormachtstellung vom „Sinaloa-Kartell" von Chapo Guzmán brechen will, der in den USA inhaftiert ist.

Zudem haben sich die politischen Verhältnisse geändert. Der Bundesstaat Quintana Roo, dessen größte Stadt Cancún ist, wurde bis vor knapp einem Jahr von dem autoritären und unter Korruptionsverdacht stehenden Gouverneur Roberto Borge von der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) regiert, der mittlerweile im Gefängnis sitzt.

Seit Ende September ist eine Oppositionskoalition aus Rechts- und Linksparteien an der Macht, unter der die alten Pakte zwischen Regierung und Organisiertem Verbrechen keine Gültigkeit mehr haben. Die Wechsel im Gouverneurspalast und vielen Bürgermeisterämtern haben viele Kartelle dazu ermutigt, die Machtverhältnisse an der Karibikküste verschieben zu wollen. Schließlich geht es um viel Geld.

Denn die Riviera Maya sei in gewisser Weise ein fruchtbares Gebiet für das Organisierte Verbrechen, hebt Sicherheitsberater Hope hervor. Die Touristen fragen Drogen jeden Typs nach. Kokain und Heroin sind jederzeit so verfügbar wie in Miami oder in Berlin. Und die tausenden Bars, Diskotheken und Bordelle auf dem 130 Kilometer langen Abschnitt zwischen Cancún und Tulum bilden ein hervorragendes Ziel für Schutzgelderpressung. „Das viele Geld durch den Tourismus, die großen soziale Unterschiede und jede Menge junge Männer mit geringen wirtschaftlichen Perspektiven, verschärfen die Situation", fügt Alejandro Hope hinzu. Und letztlich paktieren die Politiker aller Ebenen lieber mit den Kartellen, anstatt sie zu bekämpfen.

Die Angriffe auf das letzte Paradies Mexikos fallen in eine Zeit einer insgesamt deutlich verschärften Sicherheitslage. Vor allem die Morde sind landesweit dramatisch angestiegen. Im Mai wurden 2186 Menschen getötet, das entspricht 70 Toten am Tag. Nie seit Beginn der offiziellen Erhebungen wurden mehr Menschen in Mexiko in einem Monat getötet. Seit Präsident Enrique Peña Nieto im Dezember 2012 die Macht übernommen hat, sind rund 75 000 Menschen eines gewaltsamen Todes gestorben.

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