Kirsten Schwieger

Journalistin, freie Autorin, Texterin, Hamburg

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Zuckerbergs Anhörung: Floskeln im edlen Zwirn

Wie er so dasitzt, wie ein verschüchtertes Kindergartenkind mit Sündermiene, will man eigentlich nur beschützend den Arm um ihn legen und sagen: „Nun lasst doch den armen Jungen mal in Ruhe und hackt nicht alle auf ihn ein!" Nein, man mochte wirklich nicht in Mark Zuckerbergs Haut stecken, vergangene Woche als er dem amerikanischen Kongress zwei Tage lang Rede und Antwort stehen musste.


Fast verspürte man so etwas wie Mitleid mit diesem geprügelten Mann, der wie ein aus dem Nest gefallener Jungvogel nervös und irritiert um sich blickte. Daran konnte selbst der schnieke Anzug mit der Facebookblauen Krawatte erst einmal nichts ändern - ein sehr ungewohntes Bild. Doch dann fängt Zuckerberg an zu reden. Anfangs noch sehr unsicher, aber mit den routinierten Floskeln kommt schon bald die Sicherheit zurück. Und das Mitleid verfliegt.


Zuckerberg umschifft den Eisberg

Denn da sitzt ein Mann, der von diversen Politikberatern tagelang auf diese Anhörung vorbereitet wurde. Der von ihnen ins Kreuzfeuer genommen und auf eine Sache gedrillt wurde: sich ja keine Blöße zu geben. Nicht so wie damals, vor acht Jahren, während der Technologie-Konferenz „D8", als zwei amerikanische Moderatoren den Firmengründer mit ihren Fragen noch derart ins Schwitzen brachten, dass Zuckerberg sogar seinen sakralen Hoodie auszog. Nein, dieses Mal schwitzt Zuckerberg nicht in seinem edlen Zwirn. Die Fragen der Senatoren und Senatorinnen prallen ab an seinem Schutzpanzer aus Floskeln und AGB-Details, die er mit monotoner Stimme routiniert herunterleiert. Und bald wird klar: Die Befrager „grillen" ihn nicht, wie geplant oder gefürchtet, sondern bieten Zuckerberg eine Plattform, die Zuhörer fünf Stunden lang weich zu kochen. Mit seinen beiden mittlerweile perfektionierten Skills: ausweichen und sich entschuldigen. Denn das hat Zuckerberg mittlerweile auch gelernt, sich öffentlich zu entschuldigen.


Aus Fehlern lernen

Da sitzt er nun, der Mann, der die Daten von 87 Millionen Menschen in die Hände eines Unternehmens gegeben hat, welches den Wahlkampf von Präsident Trump unterstützt hat. Der noch nicht einmal weiß (oder sagen will), um welche persönlichen Daten es sich konkret handelte. Außer, dass seine eigenen auch dabei waren. Ein Mann, der eine Plattform aufgebaut hat, auf der russische Bots die Meinungsbildung von bis zu 146 Millionen Amerikanern im US-Präsidentschaftswahlkampf beeinflussen konnten. Da sitzt er nun und sagt „Tut mir leid, alles meine Schuld." Um dann noch in typischer Silicon Valley Manier hinzufügen, dass Menschen nun mal Fehler machen und er aus seinen lernen wird.


Und das faszinierende ist, es funktioniert! Noch während der ersten Stunden im Kongress schnellt Facebooks Aktienkurs wieder in die Höhe. Insgesamt um 4,5 Prozent, was einem ungefähren Wert von drei Milliarden Dollar entspricht. Und Zuckerbergs persönlichen Unternehmensanteil auf mittlerweile gut 66 Milliarden Dollar anschwellen lässt. Das muss man sagen, der Anzug war jeden Penny wert, den er gekostet hat. Genauso wie die Rüstung aus Floskeln, die Zuckerbergs Berater ihm im Vorweg verpasst haben. Sollten sich besser in Acht nehmen, die Herren und Damen Senatoren und Senatorinnen, dass nicht irgendwann auch Zuckerberg in ihrer illustren Runde Platz nimmt. Das Zeug dazu hätte er jedenfalls.

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