Man kann sich an vieles gewöhnen – wenn die Corona-Pandemie eines gezeigt hat, dann das. Auch daran, auf Liebgewonnenes wie Konzerte monatelang zu verzichten. Es ist eine Sache der Gewöhnung, wie gesagt, von daher geht das schon. Aber wie sehr diese pulsierende Mischung aus Live-Musik und dem Gefühl, Musik mit anderen Menschen zu teilen, eigentlich fehlt, fällt erst wirklich auf, wenn plötzlich alles wieder da ist.
Wie am Freitag. Da brachte es Sänger Oliver Perau, der mit der hannoverschen Band Terry Hoax das erste Open-Air-Konzert nach dem Lockdown auf der Gildeparkbühne spielte (am Vortag war schon die Podcast-Sprücheklopfer Amira und Oliver Pocher zu Gast), auf den Punkt: „Man, haben wir das vermisst!“, platzt es nach den ersten Liedern aus ihm heraus. 700 Zuschauerinnen und Zuschauer – ganz ohne Autos, dafür maskiert und auf Sitzplätzen – jubeln und klatschen zustimmend.
Wetterwarnung schadet der Stimmung nicht
Auf ihren Sitzplätzen hält es die meisten allerdings bereits nach dem ersten Lied nicht mehr. Nachdem das Publikum erst vorsorglich vor dem drohenden Gewitter in der Swiss-Life-Hall Schutz suchen musste, scheint die Freude umso größer zu sein, als es kurz vor 21 Uhr endlich losgeht.
Terry Hoax – erstes Konzert 1988 im Punkkeller „Stumpf“, die erste Platteeine Peppermint-Studio-Produktion – sind der musikalische Auftakt der Reihe „Back on Stage“ von Hannover Concerts und Rossmann. Bis zum 5. September stehen noch zahlreiche Künstlerinnen und Künstler auf dem Programm der Parkbühne – darunter Olli Schulz, Culcha Candela und Fury in the Slaughterhouse.
33 Jahre Bandgeschichte
Die Bühne tut Oliver Perau gut. Er wird mit jedem Lied energetischer. Tanzt und springt mit Blumfeld-Shirt, College-Jacke und Skinny Jeans wie ein Indie-Abziehbild über die Bühne. Nur Bassist Kai Schiering übertrumpft ihn mit seinen Luftsprüngen. Mehr als 30 Jahre gibt es die Band nun schon, nicht in der gleichen Besetzung, aber immerhin. Bekannt wurden Perau & Co. Ende der Achtzigerjahre, weil MTV ihr Depeche-Mode-Cover „Policy Of Truth“ in Dauerschleife spielte.
Das Publikum, inzwischen Mittfünfziger, ist mitgewachsen, viele tragen alte Band-Shirts, Fury in the Slaughterhouse, Metallica oder New Model Army. Es gibt Bier aus der Flasche. Die Gitarrenriffs sind leichtfüßig, die Vocals geschliffen. Zu wuchtigen Klangkulissen wie bei „Insanity“ und „Freedom Circus“ wippen die Zuschauerinnen ihre Köpfe und Knie im Takt. Coronakonformes Tanzen quasi.
„Corona – verpiss dich!“
„Happy Times are waiting“ steht auf einem Bühnenbanner hinter Terry Hoax – eine Zeile aus ihrem Song „Happy Times“, aber auch eine Anspielung auf die pandemiebedingte Trostlosigkeit. In etwa: Es wird schon wieder gut werden. Auf der Bühne findet Perau dann allerdings deutlichere Worte: „Corona, verpiss dich endlich!“, rotzt er kurz vorm Ende – und das Publikum jubelt.
Den Heimweg treten die meisten nur zögerlich an, als Terry Hoax um 23 Uhr die letzte Zugabe gespielt und die Bühne endgültig verlassen hat. „Das tat gut“, sagt eine Frau beim Rausgehen wehmütig. Es wird nicht das letzte Konzert gewesen sein – happy times are waiting.
Von Kira von der Brelie
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