Al hat so gar keine Lust auf Euphemismen. In „Wargasm" macht er sich über den amerikanischen Kriegskult lustig, in „Game Over" prangert er die Kolonialisierung an. „AmeriKKKa" ist eine Abrechnung mit amerikanischem Rassismus - Jourgensen braucht nur wenige Minuten, um seinen gesamten Frust auf die Politik in seinem Heimatland raus zuschreien. Die knapp 600 Zuschauer im Pavillon jubeln, einige recken zustimmend ihre zur Pommesgabel geformte Hand gen Decke.
Wütende Sample-Collagen
Mit seiner Band Ministry war der 59-Jährige mit den langen Dreadlocks, der von seinen Anhängern liebevoll „Uncle Al" genannt wird, am Donnerstag im Pavillon. Anfang der Achtziger gründete er die Band, 15 Alben haben sie bis heute rausgebracht. Ministry gilt als Pionier des Industrial Metals. Die Lieder sind oft Collagen aus relativ monotonen, repetitiven Songstrukturen und Samples sowie Synthesizerklängen.
Auf der Bühne bekommen die Collagen eine weitere Schicht: Zu einem verzerrten Sample von Donald Trump in „I Know Words" flackert über eine Leinwand sein aufgedunsenes Gesicht vor amerikanischer Flagge, und die Freiheitsstatue hält sich die Augen zu. Die kritischen, oft popkulturellen Referenzen überzeichnen die Lieder wie Karikaturen.
Zum psychedelischen Abschlusssong „No Devotion" (im Original vom Jourgensen-Nebenprojekt Revolting Cocks) drehen sich bunte Muster kaleidoskopartig ineinander. LSD-Kunst werden die bunten, abstrakten Malereien auch genannt - neben der Politik ein zentrales Thema des lange drogensüchtigen Jourgensen.
Aggressiver Beat, schreiende Gitarren
„Everything angrier than everything else", also „Alles wütender als alles andere", steht auf einigen Shirts im Publikum, das ist das musikalische Credo des Abends. Die Bühne wird von einem Vogelschädel flankiert. Dunkle Basslines hämmern einen aggressiven Beat, die Gitarre wimmert mal oder schreit - und mit ihr der gesichtstätowierte Al Jourgensen. Wütende Dringlichkeit tropft aus jedem Ton.
Von dem Zorn ist im Publikum allerdings nichts zu spüren. Die Zuschauer tragen fast ausschließlich schwarz, sind tätowiert und trinken Bier. Einige headbangen, nicken im Takt, andere pogen. Wütend ist hier keiner, eher froh, dass Ministry da auf der Bühne steht. „Al, we love you", brüllt ein Mittfünfziger als die Männer nach einer Dreiviertelstunde aus Songs des aktuellen „AmeriKKKant"-Albums die Bühne zum ersten Mal verlassen - um dann noch ein knapp 50-minütiges Zugaben-Set mit Klassikern der Achtziger- und Neunzigerjahre zu spielen.
Mehr zum Thema: Lädiert, aber glücklich: So war das Hannover-Konzert von Slipknot VonKira von der Brelie