Yung Hurn macht sphärischen Cloud Rap. Mit seinem Debütalbum „1220“ war der 23-Jährige am Donnerstag im ausverkauften Capitol.
Roter Nebeldampf wabert über die Bühne im Capitol, es riecht süßlich, und Yung Hurn nimmt einen großen Schluck aus einer Wodkaflasche, Stoli nennt er den Schnaps. „Stoli in der Hand und ich chill", heißt es entsprechend im Text. Er rappt von Liebe und Sex - den er im Folgenden noch weitaus detaillierter beschreibt. Die Mädchen tragen randlose Hipster-Brillen und weiße Hipster-Sneaker. Sie reißen die Arme hoch und kreischen aufgeregt die Zeilen mit.
Der 23-Jährige Rapper begeistert mit seinen sphärischen Exzess-Hymnen für Mittzwanziger und jüngere längst nicht mehr nur die Berliner Partyszene. Seit 2016 sammelt Julian Sellmeister, wie Yung Hurn eigentlich heißt, fleißig Klicks auf Youtube und Spotify im Millionenbereich: „Bianco" hat über zwölf Millionen Views, sein neues Video zu „Eisblock" wurde knapp zwei Millionen Mal angesehen.
Mit seinem Debütalbum „1220" war der Wiener jetzt im ausverkauften Capitol. Langeweile als KonzeptAuf „1220" nuschelt Yung Hurn Zeilen wie „Ich mach' Schluss und sie weint, weint. In mei'm Herz drin Eis, Eis. Nasenlöcher beide weiß, weiß", („Eisblock") zu eingängigen Beats und wirkt dabei in etwa so gerührt, als würde er sich gerade grobe Leberwurst auf einen labberigen Toast schmieren. Im Song „Okay, cool" karikiert er eine Phrase wie „Du stehst heute auf der Gästeliste" nach der anderen mit einem achselzuckenden „Okay, cool" - betonte Langeweile als künstlerisches Konzept.
„Okay, cool"Live erinnert nur noch die locker sitzende Jogginghose an den schräg-verpeilten Sound, wie er auf dem Album zu hören ist: Yung Hurn zieht nach dem dritten Lied sein Shirt aus, reißt die Arme hoch und tanzt von einem Ende der Bühne zum anderen. Seine Stimme klingt live nicht so antriebslos wie auf dem Album, sondern hallig und glatt - mehr nach Party-Pop als nach Nuschel-Rap. Zeilen wie „Du bist heiß, so heiß, Baby, ja, du weißt" („Diamant") oder „Baby, du weißt, du bist meine Nummer Eins" („GGGut") erinnern mehr an poppige Softie-Rhetorik, wie man sie von Schmusepander Cro kennt, als an rebellische Hip-Hop-Innovation.
Und während der vermeintlich hingerotzte Sprechgesang auf dem Album noch als ironisches Konzept durchgeht, gibt Yung Hurn im Capitol den Vorzeigeproleten: Er spuckt das Publikum mit Wasser an und feiert sich unironisch selbst. Die Zuschauer feiern mit, skandieren lautstark Zeilen wie „Hellwach". Einige Mädchen verausgaben sich im aufgeheizten Capitol so sehr, dass sie von den Sanitätern versorgt werden müssen. Okay, cool.
Von Kira von der Brelie