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Bosch, Trumpf, Allianz: Parteien: Bosch spendet, Daimler nicht mehr

Die Metall- und Elektroindustrie, der Chemiesektor und die Bauwirtschaft gehören zu den Branchen, die am meisten spenden. Auch auch von Glücksspielfirmen kommt Geld. Foto: /ITAR-TASS/Westend61/Geisser/Ukrinform

Spendengeld fließt nie zufällig: Warum die Glücksspielbranche mehr als 100 000 Euro im Jahr an die Politik überweist und die Landwirtschaft Parteispenden nicht nötig hat.

Berlin - Mehr als zwei Jahrzehnte lang unterstützte Daimler deutsche Parteien mit Geldspenden - zuletzt mit 320 000 Euro im Jahr 2018. Seit 2019 spendet das Automobilunternehmen nicht mehr. Obwohl auch einige andere Unternehmen ihre Spenden eingestellt haben, fließen immer noch große Geldsummen deutscher Firmen in die Politik.

Welche Partei erhielt die höchste Spendensumme?

Die Metall- und Elektroindustrie, zu der Daimler zählt, spielt hierbei nach wie vor eine herausragende Rolle: Rund 1,4 Millionen Euro spendete sie 2019, wenn man die transparenten Spenden aller Unternehmen und Verbände an die Bundestagsparteien zusammenzählt. Was versprechen sie sich davon?

Im Rahmen einer Kooperation mit dem Portal Correctiv.Lokal hat unsere Zeitung die Rechenschaftsberichte der Bundestagsparteien für das Jahr 2019 ausgewertet. Dabei ließen sich neben der Metall- und Elektroindustrie vier weitere Branchen identifizieren, die besonders viel Geld spenden: Versicherungen, Finanzwesen, Bau und Immobilien sowie Chemie, wozu unter anderem die Kosmetik-, Pharma- und Agrarindustrie gezählt werden. Bekannte Spender aus diesen Bereichen sind beispielsweise Bosch, die Allianz, der Bayerische Bauindustrieverband sowie die Kosmetikmarke Theiss.

SPD erhält 35 Prozent aus Chemiesektor

Es gibt für Unternehmen vielfältige Gründe, zu spenden. So sagt der Geschäftsführer der Messe- und Eventfirma Klartext, Conrad Kriwet: „Eigentlich müsste ich mich persönlich und mit all meiner Kraft engagieren. Das tue ich nicht, deshalb unterstütze ich die, die es tun." Klartext spendet regelmäßig - zuletzt 51 856 Euro an die CDU. Kriwet findet: „Wer nicht wenigstens unterstützt, kann hinterher auch nicht über Fehlentwicklungen in der Politik meckern."

Bausektor spielt bei Union große Rolle

Große Unternehmen wollten mit ihren Spenden einerseits zeigen, dass sie der Demokratie verbunden seien, ergänzt der Politikwissenschaftler Michael Koß. Zum anderen mache es „aus einer etwas egoistischeren Perspektive" Sinn, vielen Parteien Geld zu geben, um deren Unterstützung zu gewinnen. Ein Beispiel sei der Glücksspielsektor. 106 057 Euro flossen im Jahr 2019 aus dieser Branche an die Parteien. „Unternehmen für Glücksspiel sind potenziell verzweifelt, weil sie so offensichtlich von menschlichen Süchten profitieren", sagt der Professor der Leuphana Universität Lüneburg. „Sie spenden viel Geld, um ihr Geschäft weiterhin so gewinnbringend betreiben zu können."

Glücksspielbranche spendet unter anderem an FDP

Doch der Ruf von Parteispenden ist nach Skandalen wie den illegalen Spenden für Alice Weidel (AfD) oder der Affäre um die schwarzen Kassen der CDU unter Helmut Kohl nicht mehr der beste. Daher entscheiden sich immer mehr Spender dafür, ihre Überweisungen einzustellen. So zum Beispiel der baden-württembergische Verband Südwestmetall Ende 2020: „Wir haben beschlossen, dass wir keine weiteren Parteispenden mehr leisten", sagte damals der Südwestmetall-Chef Wilfried Porth. „Das ist nicht mehr zu vermitteln." Die Mitgliedsunternehmen befänden sich wegen der Coronakrise in einer schwierigen Situation. Ende 2019 hatte der Verband noch 340 000 Euro gegeben. Daimler-Manager Porth gilt als treibende Kraft hinter der Entscheidung.

Metall- und Elektroindustrie bei Grünen fast 50 Prozent

Aus der Landwirtschaftsbranche fehlen Parteispenden gar komplett. Zwar spendete die Agrarindustrie 2019 indirekt über den Verband der Chemischen Industrie - hierzu gehören aber nur Unternehmen etwa des Pflanzenschutzes oder der Schädlingsbekämpfung. Von bäuerlichen Betrieben oder Bauernverbänden sind keine transparenten Spenden verzeichnet.

Eine Sprecherin des Landesbauernverbands (LBV) Baden-Württemberg erklärt dies unter anderem mit der satzungsgemäßen Neutralität des Verbandes. Sie sagt aber auch: „Wenn es in der Landespolitik um Landwirtschaft geht, wird der LBV gefragt", da nehme man keine Nachteile gegenüber Branchen wahr, die viel Geld spendeten. Das passt zur Vermutung von Michael Koß, dass die Landwirtschaft es schlicht nicht nötig habe, über Spenden Einfluss zu gewinnen.

Nur elf Prozent aller Spenden transparent

Die Höhe von Parteispenden lässt insofern nicht direkt auf den politischen Einfluss einzelner Branchen schließen. Doch ganz ohne Einfluss werden sie kaum bleiben: Im Schnitt erhielten die Bundestagsparteien 2019 rund 16 Prozent ihrer Einnahmen aus Spenden. Woher diese kommen, bleibt weitgehend im Dunkeln. In den Rechenschaftsberichten müssen nur Zuwendungen von mehr als 10 000 Euro namentlich angegeben werden - 2019 wurden so gerade mal elf Prozent der Gesamtzuwendungen transparent gemacht.

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Ob Unternehmen bestimmter Branchen gezielt unterhalb der Grenze spenden und der Einfluss somit verborgen bleibt? „Kann schon sein", sagt Koß, „und das muss man unterbinden. Man muss die Grenzen absenken." Entsprechende Reformpläne waren allerdings im Mai am Widerstand der Union gescheitert.

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