Wasserburg - Es riecht nach Pferdeäpfeln, Lagerfeuer und Flusswasser. Schritt für Schritt knirscht der Kies unter den Füßen. Der Schein der Taschenlampe streift über das Gebüsch und sucht nach Störenfrieden, nach Unruhestiftern, nach Dieben. "Da ist gerade jemand runtergelaufen, ich schau mal hinterher", ruft ein entgegenkommender Mann in Militärweste und verschwindet vom Inndamm hinunter in Richtung Wasser. Wolfgang Wengle und Martin Huber bewachen nachts die Theaterkulissen, das Lagerleben und die Tribüne und Technik von "Teufel, Tod und Wallenstein".
Sie kennen sich seit ihrer Zeit als Bundeswehrreservisten, stellen beide Gallas-Pioniere beim Bürgerspiel dar und halten bereits zum zehnten Mal gemeinsam Nachtwache. Immer wieder patrouillieren sie auf der Strecke zwischen Eingang am Gries und Realschule und passen auf, dass sich niemand an den Zelten, Gastroständen oder Häusern zu schaffen macht, und vor allem, dass die technische Anlage nicht gestohlen wird.
Um den Hals von Wolfgang Wengle baumelt der Schlüssel für die Wachzentrale. Im Tor am Gries befindet sich der Wachplan, in den sich die Mitwirkenden eintragen konnten. Hier unterschreiben sie nach der Nachtwache und tragen besondere Vorkommnisse in einem Extrafeld ein. Meist bleibt dieses Feld leer, einmal ist vermerkt: "Ein Betrunkener mit Hund". Unter der Woche schieben mindestens drei Leute hier Nachtdienst. Schichtwechsel ist um Mitternacht. Nicht für Wengle und Huber: Sie haben sich für die ganze Nacht gemeldet.
"Polizeibefugnis haben wir nicht. Aber nach §32 dürfen wir uns wehren, wenn wir in Not geraten", erzählt Wengle. Er kennt sich aus, war er doch vor seiner Pensionierung beim Bundesgrenzschutz und beim Bundesnachrichtendienst. Daher stören ihn die Nachtschichten auch nicht. "Vorschlafen ist wichtig", meint er. "Ich mache immer Mittagsschlaf. Und wenn ich morgens heimkomme, lege ich mich hin. Aber um zehn Uhr bin ich dann wieder fit." Und viel zu tun gab es bisher nicht. "Bis etwa ein Uhr gehen die Leute mit ihren Hunden Gassi, danach bleibt es ruhig." Wohin der Mann von vorhin allerdings verschwand, bleibt offen. "Es ist nicht einfach, seine Augen und Ohren überall zu haben", meint Wengle. Immerhin wachen sie über eineinhalb Kilometer Inndamm.
Heute übernachtet auch Jürgen Scheper, einer der Schwedendarsteller aus dem Theaterstück, in einem der Holzhäuser - im Schwedenlager, das er mit aufgebaut hat. "Hier lernt man, was wirklich wichtig ist im Leben", schwärmt er. "Wenn ich nachts die Sterne sehe, finde ich es schade, dass ich sonst ein Dach über dem Kopf habe. Wenn mich friert, bin ich froh, dass ich eigentlich ein Zuhause habe. Und ich habe echte Kameradschaft kennengelernt." Wengle und Huber nicken. Die Zeit vergeht schnell. Zwischen ihren Rundgängen sitzen sie gemeinsam am Lagerfeuer, reden oder lauschen der Eule auf dieser Innseite und dem Kauz am anderen Ufer.
Wengle spricht mit Bedacht, in seinen Handgriffen liegt Sorgfalt. "Ich bin in vielen Vereinen und da heißt es oft, mach du das oder jenes, du bist Pensionist. Diese Büroarbeit mache ich auch am liebsten nachts, daran sind meine Hunde schon gewöhnt. Wenn ich irgendwo dabei bin, dann richtig", meint er. Wengle kehrt um in Richtung Realschule. In seiner Jackentasche scheppern Zinnbecher. Die hat er mitgebracht, weil sich für den folgenden Tag ein Fernsehteam angekündigt hat. Und dafür möchte er sein Zelt, das er oberhalb des Fußballplatzes aufgeschlagen hat, noch möglichst authentisch dekorieren.
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