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Kabarett für zwölf Gäste lohnt sich nicht

Effi B. Rolfs und Matthias Stich im Gewölbekeller ihres Kabaretts „Die Schmiere“. © Monika Müller

Die Frankfurter „Schmiere" wird 70. Eigentlich hätte es eine Premiere geben sollen. Doch wegen Corona mussten sich die Bühnenbesitzer nun eine Alternative überlegen.

Eine schmale steinerne Wendeltreppe führt hinunter in den Keller des Karmeliterklosters nahe dem Frankfurter Römerberg. Einmal links abgebogen, dann öffnet sich der enge Gang zu einem Gewölbe mit dicken Wänden, kleinen Fenstern und einer Bühne am Ende des Raumes. Es ist das Zuhause der beliebten Frankfurter Kabarettbühne Die Schmiere. Normalerweise präsentiert hier ein dauerhaftes Ensemble beinahe jeden Abend hausgemachtes Kabarett. Doch seit März steht alles still - und das kurz vor dem 70. Geburtstag der Kultbühne am 9. September.

Dabei sah Ende vergangenen Jahres alles noch ganz anders aus. Zu Beginn der Spielzeit sei es gut gelaufen, berichten Inhaberin Effi B. Rolfs und Inhaber Matthias Stich, die normalerweise auch regelmäßig selbst auf der Bühne stehen. Doch dann kam Corona, und der Betrieb wurde von heute auf morgen unmöglich. „Wir können aktuell nur zwölf Einzelpersonen reinlassen. Da zeigt sich schon, dass das wenig wirtschaftlich ist", sagt Stich. Eigentlich bietet der Gewölbekeller des Theaters Platz für 92 Gäste.

Schweren Herzens haben sich die Bühnenbetreiber daher dazu entschieden, den Spielbetrieb auch nach den Lockerungen der Auflagen vorerst nicht wieder aufzunehmen. „Für uns spielt da auch die Verantwortung eine Rolle, nicht nur für das Publikum, sondern auch für die Künstler", sagt Rolfs.

Auf der Bühne seien die Abstände kaum einzuhalten, und ohne die vollen Einnahmen könnten sie den freiberuflichen Kabarettisten und Kabarettistinnen keine sicheren Engagements bieten.

Der Stillstand ist für die leidenschaftlichen Darsteller ein schwerer Schlag. „Ich bin in eine Art Schockstarre verfallen", sagt Rolfs. Die Schmiere ist für die 52-Jährige Lebensinhalt und gleichzeitig einzige Einnahmequelle. Seit 36 Jahren gehört sie zum Ensemble, 1990 übernahm sie zusammen mit Stich die Leitung der Bühne, die zuvor ihrem Vater Rudolf Rolfs gehört hatte. Viele der Schmiere-Produktionen stammen aus ihrer Feder. Kabarett hat für Rolfs auch eine gesellschaftliche Aufgabe: „Hier haben wir Spaß miteinander, wir lachen, wir leben. Wir können ablenken und schwierige Themen satirisch vermitteln", sagt sie.

Anders als viele andere Kleinkunstbühnen arbeitet Die Schmiere ausschließlich privatfinanziert. „Diese selbst gewählte Freiheit kostet uns jetzt alles", sagt Rolfs. Für private Häuser sei es besonders schwer, die versprochene finanzielle Unterstützung vom Bund zu erhalten. Diese würde meist nicht bewilligt. Gleichzeitig seien die Einnahmen bei laufenden Mietkosten „zu hundert Prozent weggebrochen". Trotz allem haben beide bis jetzt noch nicht ans Aufgeben gedacht, sagen sie.

So lange es möglich ist, wollen sie weitermachen. „Wir sind zum Glück in einer Lage, dass wir seit vielen Jahren sehr gut wirtschaften", sagt Rolfs. Noch laufe die Bühne also nicht ins Minus. Dankbar seien sie auch für die breite Unterstützung, die sie seit der Unterbrechung des Spielbetriebs erfahren haben: „Es gibt ein Entgegenkommen auf allen Seiten", berichtet Stich.

Anlässlich des 70-jährigen Bestehens der Schmiere hatten sie eigentlich eine Premiere machen wollen. „Darauf wurde lange hingearbeitet", sagt Rolfs. Wegen Corona mussten sich die Bühnenbesitzer nun eine Alternative überlegen. Noch wollen sie nicht alles verraten. Nur so viel: „Es wird eine corona-gerechte Ausstellung in Einbahnstraße geben", verrät Rolfs. Dafür müsse es zunächst einen „Umbau" der Schmiere geben, ungefähr nach den Herbstferien soll es losgehen. „Auch Corona wird sicher Thema sein. Jetzt können wir das präsentieren und satirisch aufarbeiten" sagt Rolfs. Zusätzlich sollen auch verschiedene Künstlerinnen und Künstler die Gelegenheit bekommen, ihre Werke in den Räumen der Schmiere auszustellen.

Für das Projekt erhält die Schmiere erstmals finanzielle Unterstützung vom Land Hessen in Form eines Kulturpaketes aus dem Corona-Fonds. Durch die Förderung können auch die Ensemblemitglieder wieder entlohnt werden. Darüber sind die beiden Kabarettisten sehr froh: „Man hat das Gefühl, es passiert was", sagt Stich.

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