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Wahlkampf in Kolumbien: Tödliche Konsequenzen

Wahlkampf in Kolumbien

Wochenlang hatte Karina García vor einer Bedrohung gewarnt, jetzt ist sie tot. Sie wollte erste Bürgermeisterin der Stadt Suárez werden.

BOGOTÁ taz | Noch wenige Tage vor ihrem Tod hatte Karina García Sierra um Hilfe gerufen. „Ich bitte die anderen Kandidaten und ihre Anhänger, gegenüber den bewaffneten Gruppen keine unverantwortlichen Kommentare mehr abzugeben", sagte García, die bei Kolumbiens Kommunalwahlen Ende Oktober erste Bürgermeisterin der Stadt Suárez werden wollte. Wenn gesagt würde, „dass ich die Paramilitärs und die multinationalen Konzerne anlocken werde, den Leuten das Land wegnehmen will", sagte sie in einem Video, das sie auf YouTube veröffentlichte, „kann das für mich Konsequenzen haben, sogar tödliche."

Am Sonntag griffen Unbekannte mit Gewehren und Granaten das gepanzerte Auto der nationalen Personenschutzeinheit an, in dem García unterwegs war, und zündeten es anschließend an. Sechs Menschen starben: neben Garcia noch ihre Mutter, eine Wahlhelferin, ein Stadtratskandidat, eine Vertreterin der Gruppe der Opfer des bewaffneten Konflikts und ein Bodyguard. Der einzige Überlebende, ebenfalls Personenschützer, rettete sich durch einen Sprung aus dem Auto und befindet sich im Krankenhaus.

Die Region Cauca, in der Suárez liegt, gehört laut Internationalem Roten Kreuz zu den fünf Brennpunkten des bewaffneten Konflikts in Kolumbien. Nach dem Friedensabkommen mit der Farc-Guerilla hat der Staat es nicht geschafft, die von der Farc verlassenen Gebiete unter seine Kontrolle zu bringen. Verschiedene bewaffnete Gruppen kämpfen um die Kontrolle über Land und Drogenhandel.

In der Gegend um Suárez sind Farc-Dissidenten, die Guerillas ELN und EPL (auch „Los Pelusos" genannt) sowie Drogenbanden aktiv. In den vergangenen Monaten hatte es mehrere Kämpfe zwischen Farc-Dissidenten und der Armee gegeben.

García stand für Erneuerung

Laut dem kolumbianischen Friedensbeauftragten Miguel Ceballos soll der Anführer einer paramilitärischen Gruppierung, die sich von der Farc abgespalten habe, für den Anschlag verantwortlich sein. Ein Teil der Guerilla hatte sich schon während der Friedensverhandlungen abgespalten. Vergangene Woche hatte zuletzt Iván Márquez, die einstige Nummer zwei in der Hierarchie der Farc, in einem im Internet verbreiteten Video die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes mit einer „neuen Farc" angekündigt.

Die Gegend um die Gemeinde Suárez ist ein Korridor für Drogenhandel. Außerdem gibt es dort illegalen Bergbau und verbotene Kokaplantagen. Nachts seien ortsfremde, dunkelgekleidete, bewaffnete Männer dort unterwegs, wurde der Ombudsstelle kürzlich gemeldet. Die Gegend ist außerdem besonders tödlich für Afrogemeinden und Indigene. Diese hatten kürzlich ebenfalls eine Alarmstufe ausgerufen und einen Genozid angeklagt.

Karina García, die für die Liberale Partei kandidierte, stand für Erneuerung: Niemand in ihrem Team war älter als 30 Jahre. Unterstützt wurde sie auch von der Partei La U, dem Unabhängigen Sozialbündnis (Alianza Social Independiente) und der Alternativen Indigenenbewegung Kolumbiens. García hatte für mehr Bildung geworben. „Ein Abschluss ist das beste Mittel, um sich zu verteidigen", hatte sie gesagt. Sie war Anwältin und Mutter eines kleinen Sohnes.

Nach Angaben der Unabhängigen Wahlbeobachtungsmission wurden vor den Kommunalwahlen am 27. Oktober bereits sechs Bürgermeister- und mindestens fünf Gemeinderats-Kandidat*innen ermordet. Das Morden traf alle Richtungen, von der Farc-Partei der ehemaligen Guerilla bis zur Regierungspartei Centro Democrático. Karina García hatte wenige Tage vor dem Mord den amtierenden Bürgermeister, einen Parteikollegen, aufgefordert, die Kandidaten besser zu schützen.

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