Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Glosse

Die Partykolumne - Seniorenwiese

Habe die vergangenen Stunden mit dem intensiven Studium der Religionen der Welt verbracht. Nicht, um Ernährungsgewohnheiten zu erforschen oder die Bestrafung von Versündigung bzw. Entlohnung heiliger Gebotskonformität, nein. Sondern um die mit den Glaubensrichtungen einhergehenden Bekleidungsmöglichkeiten zu sondieren, um im Anschluss die entsprechende Entscheidung fällen zu können, wohin zu konvertieren ich habe, um für den Rest meines Lebens in sakrosankter Legitimität möglichst ganzkörperverschleiert umherwandern zu können. Die zu dieser Überlegung führende Gedankenkette sah in etwa so aus: Wettervorhersage – Sommer – Freibad – Bikini – Shopping – Coaching oder Konvertieren. Letzteres ist glaube ich mit weniger Kosten verbunden. 

Also. Ich weiß wirklich überhaupt nicht, wie irgendein (weiblicher) Mensch ernsthaft in ein Geschäft gehen kann und sich in einer 17 Quadratzentimeter großen und mit weißem OP-Licht ausgeleuchteten Umkleide in einen auf einen holländischen Magermodelleib geschnittenen Bikini gewanden, im Spiegel anschauen und „Ja, geil, des mach ich!“ denken. Und nicht „Ich hab Freibäder und so eh immer schon gehasst, wegen Chlor im Speziellen und Wasser im Allgemeinen, und das mit der Sonne ist auch nicht zeitgemäß wegen Krebs und man sollte wirklich viel mehr Zeit im Keller und wie ging das gleich wieder mit dem Punktesystem von dieser Diätsekte?“ Wenn ich mich so im Freundinnenkreis umhöre, kann das aber auch keine. Sondern sind Badeanzüge wieder schwer en vogue, wegen „Pfeif auf nahtlose Bräune, wenn es doch nahtlose Verhüllung geben kann!“, und meinetwegen kann die verklärte Renaissance der 20er Jahre gern auch in der Bademode wieder Einzug halten – ja, auch männerseitig. Hie und da sieht man an einer Badestatt noch diese tonnigen, kleingeblümten portablen Umkleidekabinen, die man natürlich aus Stolzgründen nicht besitzen darf, insgeheim aber rasengrün vor Neid wird. 

Folgende Überlegungen also: katholische Nonne – monochrom, geht einher mit körperlicher Entsagung und Knien auf Holz; Buddhismus – orange korrespondiert nicht mit meinem Teint, Glatze nicht mit der Frisur; Zeugen Jehovas – anachronistische Gewandung, schweigend Wachttürme verkaufen, nö; Judentum – Schäufele- und Steaksemmelproblematik; Islam – siehe Judentum, dazu das mit dem Alkohol, sticht Vorzüge des Burkinis … Das geht jetzt so lang so weiter, bis ich eine Nischenreligion eines indigenen Amazonastamms gefunden habe, bei dem eh immer alle nackert sind, was entweder Emigration oder multiple Anzeigen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses zur Folge hätte. Oder einfach die Weiterführung der weisen Entscheidung, im Freibad nicht auf der Teenager- und Anabolika-, sondern Seniorenwiese zu lagern. 

So. Trinken hilft! Äh tanzen …: „Rooftop“ (b², Bartholomäusstraße), „X+“ (Rakete, Vogelweiherstraße), „Balkan Beatz“ (Indabahn, Bahnhof), „Ol‘ Dirty Bastards“ (Zentralcafé, Königstraße), „Querbeat“ (KKK, ebd.), „Designer’s Night“ (TH, Wassertorstraße), „Veni Vidi Veekend“ (Stereo, Klaragasse) und am Samstag „80s/90s“ (T90, Flughafen), „Liga der außergewöhnlichen Musikauswähler“ (MUZ, Fürther Straße), „Funksoulbrother“ (KKK), „Dancing with Tears in my Eyes“ (Zentralcafé), „Summertime“ (Mach, Kaiserstraße), „Wildstyle“ (Stereo), „Buckshot“ Nano, Königstraße), „Schwarz Tanz“ (Cult, Dooser Straße). Die mit dem Großgeblümten am Sonntag am See, das bin dann ich. Nicht!