Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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„Was hab' ich nur für ein Glück im Leben"

Der Schweizer Kabarettist, Schriftsteller, Regisseur und Schauspieler Emil Steinberger ist gerade 80 geworden. Ans Aufhören denkt er nicht. Im März und April gastiert er in der Region, die Vorstellungen sind ausverkauft. Unsere Mitarbeiterin hat Steinberger in Nürnberg getroffen.


Ich war zu klein, damals, Mitte der 80er Jahre, um mich an Details erinnern zu können. Was ich aber weiß, ist, dass dieser Mann mich mein Leben lang begleitet hat. Der Mann mit der komischen Mütze, der, wann immer er auf der Mattscheibe auftauchte, meine ganze Familie zum Lachen brachte. Der in Form dahingeschweizter Ausdrücke im Alltag stets präsent war und der irgendwann im wahrsten Sinne des Wortes von der Bildfläche verschwand, nicht aber aus dem Bewusstsein. „Emil" war immer da. Und jetzt sitzt er in der Nürnberger Buchhandlung Dickmichel, die von seinem Schwager geführt wird, vor mir. An so ziemlich dem einzigen Wochenende, an dem er keinen Auftritt hat. Sein Programm „Drei Engel" wird in wenigen Wochen zum 800. Mal aufgeführt. Emil Steinberger ist inzwischen 80 Jahre alt. Ist er denn nie müde? „Müde? Nein, gar nicht. In meinem Alter braucht man nicht mehr so viel Schlaf!", lacht er.

Die Eckdaten seiner Biografie sind bekannt: Der unfreiwillige Klassenclown („Einmal hat mich ein Lehrer aus dem Unterricht geschickt und mir hinterher erklärt, er müsse immer lachen, wenn er mein Gesicht sehe und könne sich nicht mehr konzentrieren. Ist das nicht verrückt?") wurde qua Vernunft und „einer Leere im Kopf" Postbeamter, beendete die sichere Stelle zugunsten einer Gestalter-Ausbildung, eröffnete nebenbei ein Theater und zwei Kinos, kam zum Zirkus Knie und darüber in die ARD. Er erhielt den deutschen Kleinkunstpreis, produzierte Werbespots, sprach Hörspiele ein, synchronisierte Filme. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen - und floh 1993 nach New York. „Ich wollte nur noch eins: unbekannt sein!" Lang hat er es nicht ausgehalten. Doch er heiratete seine zweite Frau Niccel Kristuf. Mit der 47-jährigen Lachtrainerin gründete der Kabarettist den Verlag „Edition E", bringt seitdem Bücher und DVDs auf den Markt. Das Ehepaar gestaltet außerdem „Wochenblätter": Jede Woche liegt daheim in Montreux ein Papier bereit. Das beginnt einer der beiden irgendwie zu gestalten. Der andere muss darauf aufbauen, sonntags wird das Bild abgeschlossen. So entstehen viele kunterbunte Werke. Die Idee entstand, als eine Bestellung im Restaurant recht lange auf sich warten ließ. „Da haben wir angefangen, einen Notizblock abwechselnd vollzukritzeln..." Steinbergers Tour mit dem Programm „Drei Engel" durch Deutschland, Österreich und die Schweiz ist größtenteils längst ausverkauft. Was als Lesung begann, entwickelte sich im Lauf der Jahre zu einer knapp zweistündigen Show. „Ich hätte nie gedacht, dass es reicht, wenn ich mich mit einem Stuhl und einem Tisch auf eine Bühne setze", schmunzelt der einstige Wirbelwind, der sich heute selbst als „Sit-down-Comedian" bezeichnet. „Ich hatte Angst, dass das zu langweilig wird. Und dann hast du 500 Leute im Saal, und alle lachen." Findet er sich selbst noch lustig? „Ich bin wie ein Orchesterchef, der die Lacher des Publikums dirigiert. Das macht mich glücklich. In unzähligen Mails bedanken sich die Leute, erzählen mir, wie ich in ihre Lebensgeschichten integriert bin, dass ich als Rettungsanker fungiere. Man realisiert das überhaupt nicht." Was Steinberger jüngst realisieren musste, ist ein weniger erbauliches Thema. „Alter hat für mich nie eine Rolle gespielt. Aber zu meinem Geburtstag haben mich allerlei Medien plötzlich genötigt, über den Tod nachzudenken. Das versuche ich gerade wieder aus meinem Bewusstsein zu verbannen. Die Gegenwart ist viel zu voll und viel zu interessant, als dass ich mich mit Vergangenheit und Zukunft beschäftigen wollte."

Da beschäftigt sich der Mann, der bereits 2004 beim Deutschen Comedypreis die Auszeichnung für sein Lebenswerk erhalten hat, doch lieber damit, sein Programm dreisprachig auszuarbeiten. Französisch, Deutsch, Schweizerisch - andere Worte, ganz andere Pointen. Das Programm selbst ist ein Entwicklungsprozess. „Ich gehe immer nur mit 70 Prozent Text auf die Bühne. Das kommt aber schon allein daher, dass ich nie probe - beim Textelernen schlafe ich sofort ein." Schlafen? Er? Kaum vorstellbar bei diesem 80-jährigen Herren mit dem wachen Blick. Da schließt er kurz die Augen. Als er sie wieder öffnet, sieht er einen an und sagt: „Was habe ich nur für ein Glück in meinem Leben!" „Drei Engel" wird am 23. März in Erlanger Martkgrafentheater und am 28. April im Fürther Stadttheater aufgeführt. Beide Veranstaltungen sind ausverkauft.

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