Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Verstörend und begeisternd: Auftakt des Figurentheaterfestivals

In Nürnberg, Fürth und Erlangen begann am Freitagabend das 19. internationale Figurentheaterfestival. In Fürth begeistert und verstört Heinrich Manns "Der Untertan". Das Festival dauert noch bis 17. Mai.
von DPA
Der Richter ein Uhu, der Tod aus Papier, Gerüchte verbreiten sich handpuppenweise, Menschen kippen zu Dämonen und Lebensabschnitte entrollen sich auf Plakaten: Die Auftaktvorstellung des 19. Internationalen Figurentheaterfestivals am Freitagabend im Fürther "Kulturforum" steht gleich symbolisch für alles, was diese Kunstform zu leisten vermag. Ist dynamisch, klangvoll, wahnwitzig bis zur Schmerzgrenze und hinterlässt ein Publikum, das offenkundig gleichermaßen verstört wie begeistert ist. 

Das Puppentheater Magdeburg adaptiert Heinrich Manns Werk "Der Untertan" nicht einfach, sondern unterwirft die Geschichte des Emporkömmlings und Unsympathen Diederich Heßling seinen eigenen Regeln. Und die sind bunt, laut, wild - und überraschend. In die Welt des deutschen Kaiserreiches geworfen als winzige Puppe schwillt Heßling im Zuge der Geschichte an, durchläuft alle Stationen seines von Ideologie geprägten und Opportunismus durchdrungenen Lebens bis hin zum überdimensionierten, höchst bedrohlichen Fabrikanten. Der perfekte Untertan, der den Zuschauer verlässt in dem Moment, in dem die Geschichte sich der nationalsozialistischen Katastrophe zuwendet.

Gestalten aus der Teufelsküche

Vier Buffone, Gestalten aus der Teufelsküche, geben Rahmen und Auftakt, der eindrücklich darauf vorbereitet, wie es weitergehen könnte: Da stehen die vier Schauspieler - neben Gabriele Grauer, Freda Winter und Lennart Morgenstern ein zwischen irre und reizend changierender, bestens aufgelegter Florian Kräuter, der ohne Zweifel das Spiel dominiert - noch milde lächelnd auf der Bühne. Um schon in der nächsten Sekunde furchteinflößende Fratzen mit scheußlichen Bewegungen und Geräuschen zu geben, die Wissen in offene Puppenschädel stopfen und hypnotisierende Moritaten erzeugen. Einzig eine kleine Kippbewegung mit dem Kopf ist es, die die Masken nach vorne und das Grauen auf die Bühne bringt. 

Genregrenzen in Frage zu stellen ist das Charakteristikum der 1979 ins Leben gerufenen Biennale, die inzwischen zu den wichtigsten Plattformen für zeitgenössisches Figuren-, Bilder- und Objekttheater in Europa gehört. Eröffnet wurde das Festival am Freitagabend mit drei Stücken in Nürnberg, Erlangen und Fürth. Bis 17. Mai locken Ensembles aus 19 Ländern, die in zehn Tagen insgesamt mehr als 150 Vorstellungen geben. 

"Immer wieder aufs Neue überzeugt von den Weltklassestücken" sind Thomas und Manuela Helfrich aus Nürnberg, seit zehn Jahren treue Fans des Festivals. Vom "Untertan" zeigen sie sich schwer verstört: "Wir haben lange gebraucht, um reinzukommen, aber dann wurde das richtig, richtig gut." Vor allem das Bühnenbild sei es gewesen, das Eindruck hinterlassen habe. Jenes Bühnenbild, in dem neben Puppen jeglicher Art Toilettenpapier eine tragende Rolle spielt. Am Ende Vorhang, Licht, Schweigen. Und Applaus.


Von Katharina Wasmeier, dpa
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