Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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In der Krise: Unverpackt-Läden in Nürnberg geht die Puste aus

Bei der Eröffnung von "ZeroHero" waren Arthur Koenig und Thomas Linhardt (re). noch guter Dinge. Das hat sich geändert. © Roland Fengler, NN

Dass seit Beginn der Pandemie immer mehr Einzelhändler sich in ihrer Existenz bedroht sehen, ist fürwahr kein Geheimnis. Schon seit Längerem wurde aus dieser Sorge trauriger Ernst – jetzt wendet sich mit dem Unverpacktladen „ZeroHero“ ein Pionier einer ganzen Bewegung an die Öffentlichkeit: „Es ist kurz vor knapp.“

„Wenn sich nicht ganz schnell etwas ändert, müssen wir in vier, spätestens acht Wochen eine Entscheidung treffen: Welchen unserer beiden Läden in Nürnberg und Erlangen können wir weiterführen – oder müssen wir beide schließen?“ sagt Thomas Linhardt, der gemeinsam mit Arthur Koenig ZeroHero 2017 gründete und heute Sprecher des deutschen Unverpackt-Verbandes ist, der mit 800 Mitgliedern 350 Läden führt. Er weiß: „Alle kleinen Läden befinden sich in einer ausgesprochen prekären Lage und haben zu kämpfen. Die großen Ketten sind die Gewinner.“ Die Einkaufs- und Lebensgewohnheiten der Menschen haben sich gravierend geändert, „ich bin da ja nicht anders: Man ist den ganzen Tag daheim im Homeoffice, kommt kaum noch raus, und wenn man mal was braucht, geht man schnell zum Supermarkt um die Ecke und fährt nicht extra zu uns.“ Erschwerend komme hinzu, dass in den umliegenden großen Betrieben in Gostenhof kaum Arbeitnehmer vor Ort sind, die in der Mittagspause oder nach Feierabend ihren Einkauf erledigen. Ein Kundenmangel, den auch andere Einzelhändler und Gastronomen schmerzlich zu spüren bekommen. „Vor dem ersten Lockdown hatten wir durchschnittlich einhundert Kunden täglich, am Samstag nochmal mehr. Das ist jetzt auf weniger als die Hälfte geschrumpft.“ Zu wenig, um zwei Filialen mit heute noch insgesamt 14 von vormals 20 Mitarbeitern wirtschaftlich am Laufen zu halten. Zudem seien Themen wie plastikfreies Leben und Klimaschutz in den Hintergrund gerückt – zu viele andere Sorgen beschäftigen die Menschen. „Wir laufen seit zwei Jahren im Krisenmodus, haben uns nur dank der staatlichen Hilfen über die Runden gerettet“, so Linhardt. „Die Zahlen sind im Keller, alle Reserven aufgebraucht.“ Ohne Corona-Hilfen und Kurzarbeit hätte man gar nicht so lange überleben können. „Ohne diese Unterstützungen gäbe es uns schon nicht mehr. Und daher wenden wir uns jetzt endlich an euch. Jetzt, wo es eigentlich schon viel zu spät ist. Doch besser spät als nie. Ihr, liebe Kundschaf􀅌, sollt erfahren, wie der Stand der Dinge ist.“ Zwar versuche man aktuell im Eiltempo, einen Onlineshop und ein Click-&-Collect System zu erarbeiten, wohlwissend, dass diese Rettungsmaßnahme zu spät kommen könnte, aber den Versuch sei es allemal wert. „Wir versuchen natürlich auch hier, so nachhaltig wie möglich zu arbeiten, und sammeln beispielsweise schon länger alles an Verpackungsmaterial, was anfällt, um es für einen möglichen Online-Versand wiederzuverwenden“, sagt Thomas Linhardt, der weiß, dass die Zeiten sich ändern „und dann müssen wir das auch“ – gleichwohl zur ZeroHero-Philosophie gehört, Menschen vor Ort im Laden zu sensibilisieren und informieren. „Der Online-Handel allein könnte uns ohnehin nicht retten. Nur die Kundschaft kann uns retten“, so Linhardt, der an eben diese appelliert: „Hallo, wir sind noch da!“ Was in Kürze der Vergangenheit angehören könnte: „Wenn sich in den kommenden vier bis acht Wochen nichts ändert, müssen wir Entscheidungen treffen.“ Und das würde unweigerlich bedeuten, dass mindestens einer der Pioniere der Unverpackt-Bewegung schließt. Mit „frei von“ hört man auch vom zweiten Nürnberger Unverpackt-Laden, der im September 2020 an den Start in der Hans-Sachs-Gasse ging, nichts allzu Hoffnungsvolles. „Im letzten Sommer sind unsere Umsätze um bis zu 50 % eingebrochen“, berichtet Gründerin Denise Fischer. So richtig erholt habe man sich davon bislang nicht, zehre vom Gründungskredit, der aber bis September dieses Jahres aufgebraucht ist. Stammkunden kämen, doch was die Innenstadt an Laufkundschaft in den Laden tragen sollte, bleibe weitestgehend aus. Gründe? Ungewiss. „Wir wissen es nicht, haben auch nur Ideen, wie beispielsweise die Mentalität, die in Deutschland hinsichtlich Lebensmitteln herrscht: Wenn es den Leuten gut geht, sind sie bereit, für Essen Geld auszugeben. Wenn es irgendwo kriselt, wird als erster bei den Lebensmitteln gespart.“ In Onlinegeschäft sieht Denise Fischer eine Chance, aber keinen Heilsbringer: „Pfandsystem, Lieferkosten – wir sind uns nicht sicher, ob die Kunden dazu bereit sind.“ Auf diesen liegt also die größte Hoffnung – und der Appell, den Thomas Linhardt formuliert: „Wem also Einkaufen mit allen Sinnen, Fachberatung, bewusster Konsum und eine gewisse Dosis Entschleunigung am Herzen liegen, dem wollen wir sagen: Komm vorbei!“

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