Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Lamer Winkel | ELMA

Natürlich war die Verlockung groß, einfach sitzen zu bleiben. Sich zurückzulehnen in der Behaglichkeit des Schutzhauses, dem purzelnden, sausenden, staksenden Treiben zuzuschauen, frischen Wind um die Ohren und die Sonne im Gesicht. Ein bisschen verschnaufen und die Aussicht genießen ... Doch wie viel besser ist die Aussicht hier oben, auf dem Gipfel, wo der Bergwind fröhliche Lieder pfeift und die Felsen schnurren lässt! Endlose Kilometer Berge und Landschaft und Wälder und andere Länder - und immer diese seltsame Stimme, die sagt: Du bist überhaupt nicht weit weg von daheim. Wie kann das sein?

Text Katharina Wasmeier

Entlang der deutsch-tschechischen Grenze zieht sich ein rund 100 Kilometer langes Gebirge, in dessen Mitte der König des Bayerischen Waldes thront: 1455,5 m bringt der Große Arber auf die Gipfelwaage - und von hier aus lässt sich vortrefflich herabblicken auf ein Gebiet, das viel größer ist als es klingt. Eingekreist von vielen hohen Bergen, gilt das Tal „Lamer Winkel" als das landschaftlich schönste des Bayerischen Waldes, das vom Klettersteig über die Skiabfahrt bis zum idyllischen Badesee kaum einen Wunsch offen lässt - und dabei in echter Katzensprungentfernung gelegen ist.

Rund zwei Autostunden entfernt von Nürnberg liegt das namensgebende Städtchen Lam, das auch mit der Bahn erreicht werden kann und mit dem „Osserbad" schon eine der wichtigsten Anlaufstellen für Familien beherbergt: ein Spaßbad mit Innen- und Außenbereich, Ruhe- und Tobelandschaft, für Touristen Eintritt frei dank der Gästekarte der Region, die in zahllosen Einrichtungen stattliche Ermäßigungen oder gar Gratisnutzung beinhaltet. Bus und Bahn in der Region? Bitte einsteigen, die Fahrt ist kostenlos - und dabei garantiert nicht umsonst.

Denn neben vielen Beinahe-schon-Standard-Angeboten wie Sommerrodeln, Waldwipfelpfad oder Erlebnis-Minigolf bietet der Lamer Winkel vor allem Naturfreunden die Qual der Wahl. Rund 250 Kilometer Wanderwege unterschiedlichen Anspruchs führen durch das Tal zwischen Osser und Arber, die mit Einkehrmöglichkeiten freilich nicht hinterm Berg wohl aber große Abenteuer bereithalten. Weil hier vor vielen hundert Jahren schon düsteres Volk auf Achse war, ziehen sich kreuz und quer die echten Schmugglerpfade durch die Berge und laden ein zu spannenden Waldspaziergängen, die zum Beispiel rund um den Kleinen Arbersee mit seinen schwimmenden Inseln und Sumpfstegen führen, der wie sein großer Bruder ein echter uralter Moränensee ist, um den herum sich Baumriesen und Zwergenhöhlen postieren.

Hierher kann man tapfer laufen - oder sich von der lustigen Tschu-tschubahn fahren lassen. Aber Vorsicht: Deren „Bahnhof" befindet sich gleich neben dem Tierpark in Lohberg, einem Dorf im Lamer Winkel. Und hier gibt es Luchse, Wölfe, Waschbären, Elche und 400 andere spannende Tiere, die in der Region mal heimisch waren oder es im besten Fall noch sind.

Ein bisschen weniger tierisch, dafür aber kunstvoll und bunt geht es, in den Natur-Art-Parks Arrach zu, in denen die für die Region typische Glaskunst eine tolle, lehrreiche, aber auch ziemlich ausgelassen tobende Symbiose mit der mystischen Moorlandschaft Arrachs eingeht und zum Beispiel einen keine vier Kilometer langen Rundweg zum Bestaunen bietet.

Die „Entdeckungsreisen im Reich des Osserriesen" sind voller Sagen, Abenteuer und Geheimnisse, und viele davon finden sich sorgfältig kuratiert in einem eigens auf Familien und kleine Naturforscher abgestimmten Plan, der Wandervorschläge für Kraftpakete und zaghafte Gehversuche anbietet und dabei nicht nur Entfernung und ungefähre Gehzeit verrät, sondern auch, dass z. B. „Bärchenweg 3" und „Sagenhafter Rundweg" für Kinderwägen geeignet sind. Für Barrierefreiheit, Erreichbarkeit mit dem ÖPNV und Hunde gibt es zusätzliche Symbole.

Wandern, das muss auch gar nicht immer sein, denn ganz im Gegenteil gibt es von Schnupperreiten über Hexenclub bis Moorhuhnjagd, Zauberschloss und Brotbacken im Holzofen ganzjährig die verschiedensten Angebote, bei denen meist eine kurze Anmeldung am Vortag in den Tourist-Infos Lam, Arrach oder Lohberg völlig ausreicht. Denn trotz des riesigen Angebots bleibt es meist ziemlich beschaulich und zumal abseits der ganz großen Highlights ziemlich ruhig. Genug Platz, um sich zu verteilen, bietet der Lamer Winkel allemal, denn auch im größeren Umkreis bieten sich Tagesausflüge nach Furth im Wald, Passau oder flugs einmal nach Tschechien prima an.

So, genug gesehen von oben! Schnell runter vom Gipfelkreuz und ab ins Tal, das Abenteuer ruft! Aber ein Geheimnis sei vorab noch verraten: Hier hoch fährt eine Gondelbahn ...

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