Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Everdrop & Co. - Wie gut putzt Umweltschutz?

Ob Frühjahrsputz oder Corona-Kehraus – ziemlich viele Menschen nutzen die (Jahres-)Zeit zum Großreinemachen. Doch so sehr diese alte Tradition in heutigen Tagen vielleicht weniger notwendig ist als damals, als der Mensch nach wochen- und gar monatelanger Düsternis und gemeinsamem Überwintern mit der Großfamilie in der guten Stube zum lebensbejahenden Befreiungsschlag hat ausholen müssen, so größer das Angebot, mit dem Putzmittel- und Werbeindustrie uns ganz selbstverständlich locken. Nicht wenige von uns beherbergen also ein Bataillon an Flaschen und Dosen, Pulvern und Schäumen, die neonschrill die Botschaft der totalen Sauberkeit verkünden. Dabei unter den so sprich- wie wörtlichen Teppich gekehrt bleibt eine Vielzahl nicht ganz unwichtiger Aspekte: Putzmittel kosten viel Geld, Platz, und haufenweise Punkte auf dem Umweltkarmakonto.

Das finden zunehmend mehr Menschen problematisch, und so ploppt nach Zahncremepillen oder Haarshampoo in Blockform eine weitere Erfindung auf, die herkömmliche Darreichungsformen im Haushaltsgebrauch umweltschonend und kostengünstig ablösen möchten: Putzmitteltabs treffen den Zeitgeist. Das Prinzip ist denkbar einfach: Reiniger kommen als Tabletten, die in eigenen oder von der jeweiligen Firma angebotenen Sprühflaschen mit Wasser aufgelöst und sofort einsatzbereit werden. Unternehmen wie Ecotab oder Everdrop werben mit Nachhaltigkeit, voller Putzleistung und Kostenersparnis und präsentieren dazu noch die passend hygge Flasche, fürs Gesamtgefühl. Mal gucken, was da dran ist.

Auf jeden Fall sehr wenig Plastik. Das „Starterkit“ des taufrischen jungen Münchner Unternehmens „Everdrop“ beinhaltet ein bisschen papierene Verpackung, drei hübsche Flaschen, dazu 3 x 1 Tab für Glas, Allzweck und Bad sowie jede Menge Versprechen: biologisch abbaubar, kein Mikroplastik, weniger CO2, 100 % vegan, BPA frei und Made in Germany. Das alles kostet 29,99 Euro, die Tabs zum Nachkauf jeweils 1 Euro. Pro Tab gibt’s 0,5 Liter Putzmittel – die Berliner Kollegen von Ecotab sind unwesentlich teurer, rechnen allerdings auch mit 0,75 Liter Reiniger. Eine Rechnung, die für die Tablettenreiniger spricht, denn ist die Flasche aus 100 % recyceltem Plastik einmal leergeputzt, füllt man sie kurzerhand mit der Wassermischung wieder auf und entsorgt die Tab-Verpackung im Altpapier.

Nun dann. Damit nichts verwechselt werden kann, kommen die drei Tabs mit unterschiedlichen Farben und Geruchsrichtungen daher. Jedes schön unaufdringlich: blau für Glas mit Salbei und Basilikum, Allzweck in grün und Bergamotte-Limette, fürs Bad gibt’s Pfefferminz und Rosmarin in rosa. Eigentlich, schimmert doch der hübsche Farbton durchs Grau der Flasche in einem satten Gelb, dessen Anblick im Badezimmer schon mal kurz irritieren kann ...

Doch hier geht es weniger um Optik als vielmehr um Wirkung und damit vermutlich um ein Kernproblem. Denn während Vertreter der Fraktion „Viel hilft viel“ die große Auswahl, chemische Keule und maximalen Effekt gewohnt sind, gelten in meinem Haushalt die weisen Worte des Großen Vorsitzenden der nordbayerischen Gebäudereinigerinnung Marcus Pinsel: „Weniger ist mehr!“ Spülmittel oder ein möglichst naturnaher Reiniger, Lappen oder Schwamm – fertig. Lediglich dem Kalk gilt es, mit Geschützen beizukommen, die härter sind als das Wasser, von dem Klaus Burkhardt vom Geschäftsbereich Wasser der N-Ergie AG sagt, es käme aus dem Hochbehälter Schmausenbuck, welcher aus unterschiedlichen Gewinnungsgebieten gespeist werde und deshalb die Gesamthärte Schwankungen unterliege: „Im langjährigen Mittel liegt die Gesamthärte zwischen 12 ° dH und 15° dH und damit überwiegend im mittelharten Bereich.“

Zur Einsortierung sei gesagt: Dieses „mittelhart“ bedeutet im konkreten Fall, dass man einen Wasserkocher alle sieben Tage von einer dicken Kalkschicht befreien muss und weiße Waschbecken binnen kürzester Zeit grau verschliert sind. Hier möchte gern Chemie zum Einsatz gebracht werden, mindestens aber die von Marcus Pinsel vielgepriesene Zitronensäure. Ob’s der Everdrop auch tut? Die Antwort lautet: leider nein. Für alle, die gewohnt sind, nach dem Wisch-und-weg-Prinzip zu putzen, dürfte das umweltschonende Produkt vor allem eine Wirkung haben, nämlich: ernüchternde. Weder schäumt es lustig auf noch beißt es munter in den Augen, dafür legt sich der Everdrop sanft aufs Emaille und kuschelt sich aufs kalkige Bett. Nach kurzer Einwirkzeit ist der Tropfen auf dem kalten Stein beinahe schon vertrocknet – was übrig bleibt, muss mit dem Schwamm emsig abgerieben werden. Immerhin: Danach ist alles schön glänzend, es bleibt jedoch die Frage, ob das Ergebnis nicht mit Wasserspülimicrofaser ein vergleichbares gewesen wäre.

Everdrop verwendet ein biologisch abbaubares, sogenanntes „anionisches Tensid“, eine chemische Produktgruppe, deren bekanntester Vertreter die Seife ist und von deren schmutzlösender Wirkung schon um 2 500 v. Chr. berichtet wurde, nachdem gewitztes Volk Olivenöl und Pottasche verkochte hatte. Außerdem enthalten: Zitronensäure in Lebensmittelqualität, Natriumhydrogencarbonat, ätherische Öle und je ein Lebensmittel-Farbstoff. Die Flaschen sowohl der Münchner als auch der Berliner Ecotabs bestehen aus recyeltem PET.

Was kann also Fazit sein? Everdrop & Co. sind eine prima Sache, die traditionellen Umweltschutz mit schickem Zeitgeist kombinieren. Definitiv stehen Nachhaltigkeit und Kostenersparnis hier ganz oben auf der Vorteilsliste. Für Menschen, die gewohnt sind, mit der chemischen Keule zuzuschlagen, dürfte die Wirkung denkbar unbefriedigend ausfallen. Aber von der Sorte gibt’s ja kaum noch welche – stimmt doch, oder?