Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Artikel

Zehn Jahre im Dienste der perfomativen Poesie

Unser Lohn ist die Kunst

Was 2008 als Verein zur Förderung der Kleinkunst begann, ist heute einer Deutschlands größter, vielfältigster und veranstaltungsreichster Verbände auf der Bühne des „Poetry Slams“. Im Mai feiert der „Kulturschock e. V.“ sein zehnjähriges Jubiläum – und blickt zurück auf spannende Entwicklungen und große Momente.


„Wir leben alle für die Bühne – zum einen. Zum anderen macht es einfach unheimlich Spaß, sich um alles mögliche zu kümmern.“ Lara Ermer weiß, wovon sie spricht. Gut. Fast ein bisschen zu gut, könnte man annehmen, denn schließlich ist die 21-Jährige nicht nur Psychologiestudentin, die gerade ihre Abschlussarbeit schreibt und Künstlerin mit über 15 Auftritten im Monat, sondern auch eins von sechs Vorstandsmitgliedern, die sich um Weh und Ach des überregional agierenden Kulturschock e. V. kümmert – „ein unbezahltes Ehrenamt, das mich zwei bis drei Tage pro Woche beschäftigt“, berichtet Lara Ermer, und steht damit symbolisch für ihre Mitstreiter: Sie alle haben sich mit größter Leidenschaft dem Ziel verschrieben, Poetry Slam zu „einem fixen Bestandteil unserer Kulturlandschaft zu machen.“ Das gelingt, vorsichtig gesagt, verdammt gut. 2008 zur Kleinkunstförderung mit rund zehn Mitgliedern gegründet, ist deren Zahl bis heute auf 140 gestiegen. Darunter sind zwar auch Passive, vor allem aber Aktive, die sich als Helfer engagieren und nicht zuletzt selbst als Slammer. Auf Bühnen zu stehen gehört da freilich zum Handwerk, vor allem aber, „Literatur und Wort den Leuten näher zu bringen“, vor allem den jüngeren. „Kreatives Schreiben“ ist deshalb einer von vielen Workshops, die die Mitglieder des Kulturschock e. Vs. in der Region anbieten. An Schulen oder für kleinere Gruppen – „es ist wichtig, nicht nur zu lernen, wie ich einen Text aufbaue und gestalte, sondern vor allem auch, wie ich ihn dann auf einer Bühne mithilfe meines Körpers, meiner Stimme performe, damit er funktioniert“, erklärt Lara Ermer und weiß selbst ganz gut, wie es sich anfühlt, wenn das Publikum eine vermeintlich geniale Formulierung nicht recht erkennen mag. Aber auch, wie großartig, wie wundervoll es ist, wenn als performative Lyrikerin oder böse Storytellerin der Gag zündet, die Emotionen im Raum greifen. Das, sagt Lara Ermer, ist das Großartige am Poetry Slam. „Er kann alles sein – Comedy, Kabarett oder Gedicht.“ Drei Regeln gibt es zu befolgen: Der Text muss selbstgeschrieben und nicht länger als sieben Minuten sein sowie ohne Hilfsmittel auskommen. „Dann kann alles passieren.“ Wen wundert’s, dass Deutschland – wir erinnern uns: das Land der Dichter und Denker – über die weltweit größte und aktivste Poetry-Slam-Szene verfügt, mit „circa 500 sehr Aktiven“, vermutet Lara Ermer. Und dass diese – manche Meister ihres Fachs – auch in die Region kommen, ist eine der Aufgaben des Kulturschock e. V. Monatlich werden Slams organisiert. Nicht nur in Nürnberg, sondern gleichermaßen in Fürth, Erlangen, Schwabach und Ansbach. Der Nürnberger Slam beispielsweise, beheimatet im „südpunkt“, hört auf den Namen „Wortgefecht“. Mit dem brachte das hiesige Gesicht der Szene, Slammer, Moderator und Anzugliebhaber Michl Jakob, 2005 den ersten Slam der Region an den Start, der 2008 vom Kulturschockverein, zu dessen Vorstand Jakob gehört, gewissermaßen einverleibt wurde. Dazu kommen Solo-Veranstaltungen, zu denen aufstrebende Slammer eingeladen werden, sowie Sonderveranstaltungen und Kooperationen wie beispielsweise der Luther-Slam 2017 gemeinsam mit dem Luther-Büro des Bundes und der 17-Ziele Poetry Slam 2018 gemeinsam mit Engagement Global. Das kostet Zeit – und Geld, schließlich wollen Veranstaltungen vorbereitet, Künstler honoriert, Säle gebucht, Werbetrommeln gerührt werden. „Wir kommen auf Null bis Minus raus – und sind sehr glücklich“, sagt Lara Ermer, und berichtet von Fördergeldern und Sponsoren, die akquiriert werden müssen. Aber lieber von großen Plänen: „Unser nächstes großes Projekt ist die U20-Förderung, bei dem wir regelmäßig junge Leute zu Workshops einladen und das Erlernte in einer öffentlichen Veranstaltung direkt auf die Bühne der Luise Cultfactory bringen lassen“, berichtet Lara Ermer, die sich wünscht, dass die Arbeit des Kulturschock e. V. mitwirken darf bei Bewerbung und Gestaltung  zur Kulturhauptstadt 2025, weil „Poetry Slam in der Region ein Eckpfeiler der Kulturszene ist.“ Ein großes Ding aber steht jetzt gleich mal ins Haus. Denn so ein zehnter Geburtstag, der will freilich gefeiert werden! Im Herbst, so der Plan, soll’s in Fürth eine Gala sein. Klotzen statt kleckern, die „Crème de la Crème“ der Szene, Pomp und Tamtam. Zuvor aber, nämlich am 19. Mai, gibt’s vielleicht nicht direkt bescheiden, so aber doch rückbesinnend ein Jubiläumsfest im Zentralcafé. „Wir wollen zurückschauen auf die letzten zehn Jahre mit allem, was der Verein so gemacht hat.“ Zehn Acts aus allen Sparten der Kleinkunst sind geladen, darunter viele, die sich einst – symptomatisch für Poetry Slam – von der kleinen Bühne auf in die große Welt gemacht haben wie Helmuth Steierwald, der unlängst mit dem Thurn-und-Taxis-Kabarettpreis ausgezeichnet wurde, wie „Volle Möhre“, die bei uns bekannteste Improtheater-Truppe, oder die Künstlerin Johanna Moll, die hier ihre „erste Gehversuche“ unternommen hatte. Und danach? Geht’s weiter. Gerne mit noch mehr Mitgliedern, die fördern, fordern und mitmachen. „Wir haben noch viele Schabernack-Ideen für die nächsten Jahre“.

„10 Jahre Kulturschock e. V. – Jubiläumsgala“, 19. Mai, 20 Uhr, Festsaal, Königstraße, Nbg; Karten 10 Euro im VVK oder an 12 Euro der Abendkasse; kulturschockverein.de

(Foto: privat)