Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Rezension

Nimmermüder Revoluzzer: Konstantin Wecker

2500 Konzerte allein im deutschsprachigen Raum, 25 Studio-Alben und 17 Live, fast einhundert Film-, Fernseh- und Bühnenmusiken, fast 50 Bücher und Hörbücher – wer ein solches Œuvre vorweisen kann, der muss entweder sehr rührig oder nicht mehr ganz jung sein. Konstantin Wecker ist beides: 70 Jahre alt und kein bisschen müde, sondern kämpferisch wie eh und je, ein Dichter und Pazifist, eine große Stimme für große Worte, die teils seit Jahrzehnten die Friedensbewegung vertonen – und die nichts, aber auch gar nichts an Aktualität eingebüßt haben. Um so besser, dass die Meistersingerhalle am vergangenen Donnerstagabend vollbesetzt war. Um so bedauerlicher, dass es wieder beinahe nur die Mitstreiter aus den Anfangstagen waren, die den Weg hierher gefunden haben. Denn bei aller Poesie, bei aller Ruhe, die der große deutsche Liedermacher auf die Bühne bringt: dieser Mann trägt eine Courage, eine eindringliche Wortgewalt, eine Botschaft in den Saal, von der sich so manch Jungaktivist eine gehörige Scheibe abschneiden sollte. „Sage nein!“, der große 1991er Aufruf zum Widerstand, zum zivilen Ungehorsam, zum in den Weg der Mächtigen und Herrschenden und Gefährlichen stellen, eröffnet sogleich den Abend – weil, sagt Wecker, seit der Wahl „niemand mehr sagen kann, dass Deutschland aus seiner Geschichte auch nur irgendetwas gelernt habe“ und er als Musiker nun das Problem habe, den so sehr geliebten D-Moll nicht mehr spielen zu können, besteht der doch aus dem Dreiklang A-F-D. Aussagen, für die man ihn liebt, feiert, seit so vielen Jahren des Schaffens, auf die der Münchner in einer mal fröhlichen, mal melancholischen Weise zurückblickt. Der viel erzählt von den Großen, die er begleitet hat, die ihn begleitet haben, von den Kleinen, die seinem Leben mit 50 erst einen neuen, so anderen Sinn und Blick geschenkt haben und für die er die Vaterrolle so hingebungsvoll erfüllen möchte wie es der eigene Vater, Alexander, getan hat, ein Antifaschist und „Versager im besten Sinne“, der dem kleinen Konstantin den Weg geebnet hat für alles, was kommen sollte. Wecker, begleitet u.a. vom Nürnberger Pianisten-Star Johannes Barnickel, der sowohl stimmlich als auch cellistisch volltönenden Fany Kammerlander und dem Ausnahmegitarristen Severin Trogbacher, die gemeinsame die Instrumente und Stile nach Belieben wechseln, ist nachdenklich, zieht Resümee über sein Leben und auch seine Fehler, spielt und singt und liest, gönnt sich kaum eine Pause, doch manchmal könnte man meinen, er sei ein wenig müde, als straften seine ruhigen Töne, die wunderschönen Liebeslieder und schelmischen Gedichte, seine starken Worte vom nie enden wollenden Widerstand, vom Auflehnen und Empören und Beschweren, Lügen. Doch wehe dem Spötter! Freilich ist er noch da, der alte Wecker, der sich durchs Podium singt, der Moment, den alle so heißt herbeigesehnt haben, der sie von den Stühlen reißt und nach vorne stürmen lässt, in dem alle sich erinnern, wie das war, früher, warum sie ihn lieben, schon so lange, und Konstantin Wecker empört sich, wie er es schon ein halbes Jahrhundert tut, und singt und spielt und freut sich und ist energetisch und jung wie immer. Seine Botschaft, bleibt zu hoffen, verklingt nicht mit dem letzten Akkord. Sondern wird aus der Meistersingerhalle hinausgetragen und die Welt. Sie hat es nötig.


(Foto: Thomas Karsten)