Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Artikel

Cultural Typhoon in Europe 2017

Trotz der durchaus amtlichen Herbststürme, die derzeit durch die Noris fegen, dürfen wir von Glück sagen, dass man in unseren Breiten vom Taifun gottlob weitestgehend verschont bleibt. Bislang. Macht sich ein ausgewachsener solcher doch grade auf den Weg, um am Wochenende des 22. bis 24. Septembers einmal sauber durch die Weststadt zu sausen. Zumindest auf wissenschaftlich-künstlerische Art. Der „Cultural Typhoon in Europe“ hält Einzug in Nürnberg – und will gehörig aufmischen.

So wünscht es zumindest das Konzept eines Konferenzformates, das ursprünglich aus Japan stammt und seit 2003 jährlich dort durchgeführt wird. Ein Format, das „Forscher der unterschiedlichsten Disziplinen zusammenbringt“, weiß Maria Trunk, freischaffende Fachjournalistin im Bereich Stadtentwicklung und Vorstandsmitglied des „Quellkollektiv e. V.“, dem Nürnberger Zusammenschluss Anders- und Weiterdenkender, der im ehemaligen Quelle-Versandhaus seinen Anfang und mittlerweile im „heizhaus“ eine neue Heimat gefunden hat. Damals in Japan, erzählt Maria Trunk, habe zeitgleich zur Konferenz ein echter Taifun gewütet, und da habe man sich gedacht, das passe eigentlich ganz gut zum Format, denn ein Taifun „saugt alles in sich auf und zieht in eine Richtung weiter, die niemand vorhersehen kann, nachdem er alte Strukturen aufgebrochen hat.“ Und genau das will der „Cultural Typhoon in Europe“, der sich unter dem Motto „Achtung, Utopie!“ vergangenen, heutigen und zukünftigen Utopien des urbanen Zusammenlebens widmet. Das Ziel ist es, Strukturen in den Köpfen aufzubrechen, Schubladen zu öffnen, Vorurteile durcheinanderzurütteln und Gedanken neu zu verknüpfen. Dazu kooperiert das „Institut für Angewandte Heterotopie“ mit Professor Fabian Schäfer, Inhaber des Lehrstuhls für Japanologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Urbane Utopien wollen dazu anregen, über radikal andere Formen des urbanen Zusammenlebens nachzudenken, sagt Professor Schäfer: „Das heißt, dass man versucht, sich die Zukunft nicht nur als bloße Verlängerung der Gegenwart vorzustellen, sondern als etwas, dass durch den Menschen in einem nicht unerheblichen Maße auch aktiv gestaltet werden kann.“ Wie passend, dass die Konferenz gleichzeitig zu „Offen auf AEG“ stattfindet und es so schaffen möchte, Kunst, Kultur und Wissenschaft zueinander zu bringen. So soll ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Künstlern geschaffen werden, der „spielerisch und experimentell Methoden entwickelt, um andere Orte zu erforschen.“ Oder anders: Menschen motivieren, ihre eigene Umgebung selbst zu gestalten, auszuprobieren, was noch möglich ist, urbane Räume zu erkunden und Brücken in die Zukunft zu bauen: „Bilder in die Köpfe malen.“ Es sei wichtig, sagt Maria Trunk, Menschen Mut zuzusprechen, sich nicht mit ihrer Lebensrealität abzufinden, sie zu inspirieren, sich nicht beispielsweise nur über den Job, das Einkommen zu definieren, sondern neue Wege zu beschreiten. Wie es das „Quellkollektiv“ bereits versucht hat mit einer Utopie des vielschichtigen, gemeinschaftlichen Lebensraumes auf dem Gelände des Versandriesen. Um diese Anstöße zu geben, wurde ein großes Programmpaket geschnürt, voller Workshops, Vorträge und Aktionen, die offen sind für jeden, der sich interessiert für seine Stadt, seine unmittelbare Umgebung. Zum Cultural Typhoon kommen 45 Wissenschaftler aus der ganzen Welt nach Nürnberg, um zu sprechen – auf Englisch, was für manch Interessierten vielleicht eine Hürde, nicht aber ein Hindernis sein soll, den „Cultural Typhoon“ zu besuchen. Die Themenblöcke heißen „Urban Futurologies“, „Creativity and Claiming Spaces“ oder „The Future of Migration”, die wiederum in viele einzelne Vorträge unterteilt sind – streng wissenschaftlich bis künstlerisch-verspielt, allesamt zu hören in der Kulturwerkstatt auf AEG. Darüber hinaus gibt es Workshops wie „Urban Action Illustration“ oder „Alternatives in Academic Publishing“ und – vielleicht für manchen Besucher am besten greifbar – Kunst: „Beware, Utopia!“ ist eine Sammelausstellung verschiedenster hiesiger und internationaler Künstler, die sich in Halle 18 auf AEG gekonnt an das zeitgleich stattfindende Quellkollektiv-Offspace-Festival „Q17/Q18“- schmiegt, dessen Auftakt wiederum Teil des Zweitages-Kultur-Events „Offen auf AEG“ am 23.+24. September ist. Ein bisschen durcheinander alles? So ist das mit den Stürmen: Ein bisschen aufregend, ein bisschen spannend, und man weiß nie, was man bekommt. Aber wer daheim bleibt statt die Nase in den Wind zu stecken, erlebt garantiert nichts.


„Cultural Typhoon in Europe“, 22.-24. September im „Heizhaus“ (Wandererstraße) und in der „Kulturwerkstatt auf AEG“ (Muggenhofer Straße) und „Halle 18“ Auf AEG; nähere Infos und Einzelheiten zum Programm unter culturaltyphooneurope.wordpress.com