Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Belustigungsbuden: von Wolfsfrau bis Ballermann

Wer ans Nürnberger Volksfest denkt, der hat als allererstes eins im Kopf: das Riesenrad. Kein Wunder, konkurriert es doch weithin sichtbar in puncto Präsenz mit dem nebenstehenden Dokuzentrum, nur das letzteres weit weniger Fröhlichkeit versprüht. Doch neben zahlreichen anderen Fahrgeschäften, die allesamt höher, schneller, weiter hinaus wollen, sind die heimlichen Stars des Platzes diejenigen, die zwar mit einem wenig schnittigen Namen, dafür aber mit der längsten Tradition aufwarten: Belustigungsanlagen.  Hier wird nicht gefahren, sondern zumeist gelaufen, gesehen und gespürt – im besten Fall am eigenen Leib: wie man sich mordsmäßig gruselt oder ordentlich blamiert, erzählt Andreas Kutschenbauer und drückt geschwind auf einen Knopf in seinem Kassenhäuschen. Davor fährt eine Dame erschrocken von der Sitzgelegenheit, auf die sie sich grade niedergelassen hat: Die „lustige Bank“ heißt nicht umsonst so. Auf Knopfdruck gibt’s Windstöße – einer von circa 70 Effekten, mit denen Andreas Kutschenbauer sein „Magic House“ seit bald 30 Jahren in einen großen Spaßort für Groß und Klein verwandelt. Belustigungsanlagen, erzählt der 54-jährige Schausteller, sind gewissermaßen die Nachfahren der „Schaubuden“: Feuerschlucker, Artisten, die Frau ohne Kopf waren die Attraktion auf Jahrmärkten. Seit nunmehr zehn Jahren gibt es auch die letzte dieser Art nicht mehr. Die Wolfsfrau, den dicksten Mann der Welt öffentlich auszustellen? Heute undenkbar. Nichtsdestotrotz will der Mensch bespaßt werden – wo, wenn nicht hier, auf dem Volksfest, wo „jeder Besucher Belustigung finden kann, ohne einen Pfennig auszugeben“, weiß Andreas Kutschenbauer. Und dass „wir immer noch geliebt werden“, trotz aller Freizeitangebote. Animateure, Koberer, die hat das „Magic House“, eine von insgesamt sechs Belustigungsanlagen auf dem Volksfestplatz, nicht: Wer wissen will, was ihn erwartet, der kann sich einen Einblick über die großen Monitore verschaffen – oder sich von der Schadenfreude leiten lassen, wenn die lustige Bank wieder zugeschlagen hat. Ganz anders das Konzept von Robért Hempen. Hawaiiketten, Limbodance, Ballermannstimmung vermittelt das Erfolgskonzept des 32-jährigen Schaustellersprosses in siebter Generation. „Auf Big Bamboo“ gibt’s Reggae, Disko, DJ. Ein Belustigungsgeschäft, doch „mit dem Konzept in Deutschland einzigartig“. Dieses Konzept, beim letzten Besuch in Nürnberg 2012 immerhin direkt zum Sieger in der Sparte „Belustigung“ gekürt, geht auf. Eigens ausgebildete und zertifizierte Animateure stiften im Südsee-Flair die Besucher zu allerlei Schabernack an – da kann’s schonmal eine Polonaise quer durch die Anlage geben. Wichtig ist, sagt Robért Hempen, dass die Besucher in Gruppen unterhalten, animiert werden, denn „jeder Mensch möchte zwar gern dabei, doch bitte nicht im Mittelpunkt sein“. Und in der Zehnergruppe, da ist es gleich viel weniger peinlich, über die Drehscheibe zu wanken oder die Hängebrücke zu zittern. Dabei gehört zum Konzept der Belustigungsbuden unbedingt, dass Vorbeilaufende auch ihren Spaß haben – sei’s aus bereits erwähnter Schadenfreude, sei’s aus vom Gejohle geweckter Neugierde zum selbst ausprobieren. Das Persönliche sei verloren gegangen, findet Robért Hempen, der Kontakt mit den Schaustellern, immer nur schneller höher weiter. Aber es gehe doch auch um das Familienpublikum, das „Erleben von Kirmesfeeling“. Deswegen bekommt hier jeder Wagemutige einen Blumenkranz, deswegen „rekommandiert“ der Chef persönlich auch im Inneren des „Big Bamboo“, deswegen gibt’s manchmal einen DJ, manchmal Hula-Girls. Je nach Wetter. Das findet Robért Hempen übrigens gar nicht so schlecht. Und außerdem, dass er „wenige Feste kennt, die trotz einer solchen Wetterlage so gut besucht sind.“ Das Publikum hier, findet Hempen, der auf allen großen Festen in Deutschland, Luxemburg und Holland unterwegs ist, identifiziere sich spürbar mit dem Volksfest. Und das sei schließlich das wichtigste.