Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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20 Jahre Wildstyle- Deutschlands dienstältestes DJ-Duo

Riesenfestivals in Mexiko City, Oligarchen-Orgien in Kiew, Gigs vor 50 Leuten – dass wer seit 20 Jahren Platten auflegt viel zu erzählen hat, kann man sich gut vorstellen. Dass wer so groß in der Welt unterwegs war dennoch der Heimat, der einzig wahren Residenc y treu bleibt, nimmt einen da schon eher Wunder. Aber so sind sie eben: Thomas Eckert und Thomas Wurm, besser bekannt als Ekki Eletrico und Tommy Yamaha, noch besser und weltweit bekannt als DJ-Duo „Wildstyle“. Das feiert im März 20-jähriges Bestehen – und dürfte damit als älteste noch aktive elektronische Veranstaltungsreihe Deutschlands gelten. Mindestens.

Es waren zwei Halbstarke, die Anfang der 90er beschlossen hatten, dass man mal aufhören muss mit dem „ewigen Gitarrengeschrammel“. Nürnberg, damals mit einer überschaubaren Diskothekenlandschaft vornehmlich bestehend aus „Boot“ und „Mach 1“ gesegnet, sollte mal was anderes zu hören bekommen. Thomas und Thomas, damals 17 und 18 Jahre alt, kannten sich vom Ausgehen, aus „wilden Diskotheken“ wie dem Reichelsdorfer Keller, wussten irgendwie voneinander, und dass beide sich als DJs versuchten. Es war die Zeit, als langsam die ersten House- und Bigbeat-Platten auf den Markt kamen – wenngleich nicht auf den deutschen. Entsprechend war die erste gemeinsame Party eine seltsame Angelegenheit: 1997 im 1. Stock des „Maximum“ in der Färberstraße trat man an, um dem Nachtvolk einen wilden Style um die Ohren zu hauen. Folge: „Jeder war da, aber keiner hat getanzt. Das war ganz komisch.“ Die Chemical Brothers, Fatboy Slim, das alles stand noch in den britischen Kinderschuhen. „Wir fanden uns ganz toll, weil wir Musik gespielt haben, die es eigentlich noch nicht gab. Nur leider fand das sonst niemand toll“, erinnern sich die beiden zwischenzeitlich leicht ergrauten Herren heute lachend. Einer erkannte das Potenzial des neuen, frischen Sounds, der wegging vom glatten Techno und hin zu einer kunstvollen Verschmelzung neuer, frischer Beats: Christian Alles, damaliger Betreiber des „Hirsch“, buchte „Wildstyle“ in seinen Laden – und legte damit den Grundstein für eine Institution, die trotz der vielen Jahre, der irrsinnig vielen Zwischenstationen, bis heute an Attraktivität nichts eingebüßt hat. Der Anspruch: „Immer neue Sachen spielen, die eben nicht Techno und House ist, sondern irgendwas dazwischen.“ Der Hirsch: immer zum Bersten gefüllt, zweimal im Monat, Jahre um Jahre. Ekki Eletrico und Tommy Yamaha machen ihr Ding, bekommen Plattenverträge mit großen Labels, wissen, „da war Nürnberg kurzzeitig mal der Nabel – für irgendwas“, und gehen raus aus dem Nabel auf große Tour. Mexiko, Russland, Australien, USA, ganz Europa, mal vor 5000 Leuten, mal vor 50, mal in einer Kirche, mal neben Jamiroquai beim legendären „Vibes on a Summer‘s Day“. Remixe für namhafte Künstler, selbst vertreten auf über 1000 Compilations, Gigs, Gigs, Gigs. „Wir haben lang und gut gelebt von Wildstyle“, knapp zehn Jahre in der Intensität, in der sie bis Ende der 00er Jahre kaum Konkurrenz hatten. Dafür Erfahrungen, über die sie heute noch staunen wie die „Vogue Russia Party“ in Kiew, nackter Luxus, „völlig skurril, so wie man sich das immer erträumt hat.“ Immer anders, immer gleich, so funktioniert „Wildstyle“ seit ehedem: Es gibt einen Gast-DJ, der schonmal im laufenden Gig verabschiedet wird, wenn er den Hausherren nicht gefällt. Der Rest ist: Überraschung. „Die Leute kommen, obwohl sie eigentlich nicht konkret wissen, was sie erwartet. Sondern aus Vertrauen in die Veranstaltung.“ Und sie kommen immer noch. Mittlerweile in den Club Stereo, mittlerweile hauptsächlich Jüngere. Mittlerweile ist das Außenrum ein bisschen ruhiger geworden. Thomas Wurm (47) macht nach wie vor Musik bei der Nürnberger Elektro-Pop-Formation „Wrongkong“, Thomas Eckert (48) ist groß drin im Geschäft mit Glitzerdeko. Beide sind sie neben David Lodhi Teil des Veranstaltertrios des Clubfestivals „Nürnberg.Pop“. Beide haben sie einmal monatlich eine gemeinsame Sendung bei Puls, dem Jugendradio des Bayrischen Rundfunks. Beide haben sie Familie. Beide sagen sie: „Wir legen seit 30 Jahren miteinander auf – und es gab keinen einzigen Moment, in dem wir gesagt haben, wir lassen das jetzt.“ Was macht denn einen guten DJ aus? „Die richtige Mischung aus Education und Entertainment“, sagen Tommy Yamaha und Ekki Eletrico. „Dienstleister sein, aber mit Niveau. Man muss den Leuten innerhalb seines Rahmens eine gute Zeit bereiten. Dann gehen die mit einem Lächeln aus dem Club und jeder ist happy.“ Wie das in der Praxis aussieht, kann man sich am 24. März im Festsaal des K4 anschauen. Standesgemäß wird hier nämlich der Geburtstag gefeiert, mit Deko, „ganz viel Wumms“, dem Berliner DJ Supermart, „ganz viel Musik aus 20 Jahren Wildstyle“ und Überraschungen. Für die Herren selbst, die ans Aufhören überhaupt nicht denken. Nur in einer Angelegenheit sind sie sich ziemlich sicher: „40 Jahre Wildstyle – das schließen wir mal besser aus.“

„20 Jahre Wildstyle“, 24. März, Künstlerhaus Festsaal (Königstraße), 22-5 Uhr, Eintritt AK 10 Euro (und an allen bekannten Vorverkaufsstellen), http://wildstyle.org/