Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Von wegen alt und vergessen: Nutzenpflanzen sind vielfältig

Geschmacksreich, vielfältig, gehaltvoll – wer beim Kauf von Gemüse oder Kräutern auf solche Kriterien wert legt, wird im Supermarkt kaum fündig werden. Doch auch wer sich entschließt, selbst anzubauen, wird im herkömmlichen Samen-Geschäft aufgrund verschiedenster Standardisierungsmaßen meist ebenfalls enttäuscht. Abhilfe können da sogenannte Samenmärkte wie der Regionalgruppe Mittelfranken des „Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt“ (VEN) schaffen. Am vergangen Samstag fand der Markt im Kulturladen Zeltnerschloss statt – unter großem Besucherandrang. „Ich genieße die Möglichkeiten, die die Pflanzenvielfalt bietet, und damit zu spielen“, sagt Imke Heinzler, die gemeinsam mit Sabine und Hans-Hermann Nöhring aus Emskirchen angereist ist, um nach neuen Sorten Ausschau zu halten, mit denen die 62-jährige ihren Garten bestücken kann. Etwas, das nach Meinung von Hans-Herrmann Nöhring viel mehr Menschen machen sollten: „Da haben die Leute die tollsten Gärten, und darin aber nur Rasen oder gar Kiesanlagen und ein paar Sträucher- in der gleichen Zeit, die sie für die Pflege investieren, könnten sie das tollste Gemüse anbauen.“ So ähnlich sieht das auch Anne Drischler vom VEN: „Wir bräuchten viel mehr Gärtner, die mitmachen und anbauen“, wünscht sich die Agraringenieurin und erzählt von der Vereinheitlichung der Sorten, die seit dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden habe. Aus Gründen der Arbeitserleichterung, Transport-, Lager- und nicht zuletzt Supermarktfähigkeit sind mittlerweile nur noch einige wenige Sorten zum wirtschaftlichen Anbau zugelassen – „und das zu Lasten des Geschmacks.“ Alte Nutzpflanzensorten böten eine riesige Vielfalt zum einen, zum anderen eine tolle Möglichkeit, sich gut und gesund zu ernähren – ein Wissen, das weitestgehend verloren ist, dabei „muss man einfach nur anfangen, und wenn es nur in einem kleinen Kasten auf dem Balkon ist.“ Beim Samenmarkt, der neben dem Saatgutfestival im Anschluss an die Biofachmesse am 18. Februar der einzige in der Region ist, geht es um samenfeste Sorten, die an die hiesigen Bedingungen angepasst sind, denn nicht alle Pflanzen gedeihen auf jedem Boden gleichgut. Besonders wichtig aber ist, dass es sich hierbei um Saatgut ohne Gentechnik handelt und sogenannte „Hybridsaat“ keine Verwendung findet. Hybridsaat nämlich, erklärt Hans-Hermann Nöhring, der mit dem „Hutewald“ ein Projekt für traditionelle Tierhaltung betreibt, „ist nicht mehr nachbaubar, was uns alle abhängig gemacht hat von Saatgutkonzernen.“ Im Gegensatz zu den alten Sorten nämlich kann sich Hybridsaat sozusagen nicht von alleine weiter vermehren, weswegen immer neue Saat gekauft werden muss. Beim Samenmarkt gibt beispielsweise allein zehn verschiedene Sorten, die die aus Thüringen angereiste Gundula Patzelt dabei hat – zum Tausch. Denn tauschen ist eine probate Möglichkeit, an neues Saatgut zu gelangen. Doch auch wer niemanden hat zum Tauschen oder keinen Samenmarkt in der Nähe, der kann sich auch auf dem Segment der alten Nutzpflanzen mit modernster Technik helfen: Sowohl beim deutschen VEN als auch bei den österreichischen Kollegen der Arche Noah lässt sich die ganze Vielfalt, die echte Gärtnerherzen höher schlagen lässt, bequem im Internet bestellen. Und zum Gärtnern ist, das wissen wir doch alle, jetzt bald wieder genau die beste Zeit.  www.nutzpflanzenvielfalt.de ; www.arche-noah.at