Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Spiegelfabrik Fürth: solidarisch und flexibel

„Wo kämen wir denn hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir denn hin und keiner ginge, um mal zu schauen, wohin man denn kommt, wenn man geht.“ Getreu dieses Zitates von Kurt Marti hat sich seit ein paar Jahren eine wachsende Zahl von Menschen auf den Weg gemacht, um zu schauen, was passiert, wenn man eine Vision zu verwirklichen versucht. Eine Vision vom generationenübergreifenden Miteinander, Jung und Alt, Reich und Arm, Heimisch und Fremd, vom gemeinsamen Wohnen, von Räumen, die Begegnung und Austausch ermöglichen. Unter dem Namen „Spiegelfabrik – Wohnen für Generationen“ soll in Fürther bester Lage ein Gebäudekomplex entstehen, der all diese Aspekte in sich vereint. Nach jahrelangen Vorbereitungen gab der Bauausschuss der Stadt im März 2016 das Okay für den Startschuss – im Sommer 2017 kann es endlich losgehen mit dem straffen Zeitplan. Schließlich soll Mitte 2019 der Einzug in das neue Quartier zwischen Lange Straße und Dr.-Mack-Straße beginnen. „Es gibt so wahnsinnig viele Möglichkeiten, diesen Komplex zu nutzen“, freut sich Brigitte Neumann, seit 2015 Mitglied der Baugruppe und künftige Bewohnerin der Spiegelfabrik. Noch zeigt sich das 3500 Quadratmetergelände in völligem Unwissen über die großen Veränderungen, die ihm bevorstehen. Ein so schönes wie leerstehendes Backsteinareal, auf dem einst die Glasproduktion florierte. Die Zeiten sind längst vorbei, erzählt Christian Stiegler, der Besitzer des Geländes und Mitinitiator des Projektes. „Alles liegt brach. Das ist eine Sünde! Mir war klar, dass hier was passieren muss.“ Weil eine Sanierung aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage kam, entschied man sich letztlich für einen kompletten Neubau. In dem steckt ziemlich viel Getüftel. Die Wohnungen sollten zum einen für alle erschwinglich sein, zum anderen die Richtlinien für Fördermöglichkeiten erfüllen. Dabei herausgekommen sind Wohnmodule. Das bedeutet: ein Modul umfasst ca 27 Quadratmeter inklusive Bad und Küchenanschluss. Diese Module sind aber nicht starr, sondern veränderbar in der Anordnung. Ob es ein Modul sein soll, weil der Platz zum Leben reicht, oder zwei in vertikaler, vier in horizontaler Anordnung – das System bietet höchste Flexibilität. Als Eigentümer oder Genossenschaftler können potenzielle Bewohner selbst bestimmen, wie sie wohnen möchten. Und Nachzügler je nach Gegebenheit die Anordnung wieder ändern. „Wir wünschen uns eine Nachbarschaft, die gut zusammenlebt“, sagt Brigitte Neumann, keine abgeschotteten Zellen, sondern eine Öffnung zum Quartier. Eine „kleine solidarische Oase“, ergänzt Leonhard Seidl, ebenfalls Baugruppenmitglied und Vater einer vierköpfigen Familie begeistert von der Mehrgenerationenvision, die als ein „Pendant zur Ellenbogenmentalität“ funktionieren soll. Die sämtlich barrierefreien Wohneinheiten, derzeit circa 55 Stück, sind in der Mehrzahl bereits vergeben. Vor allem die Altersgruppe Ü50 zeigt sich begeistert. Für die U50-ler hingegen gibt es noch Platz. Circa 10 bis 15 Wohneinheiten sowie Flächen für Gewerbe, die ins philosophische Gefüge passen, sind noch auf der Suche nach ihren Belebern. Interessenten sollten eine „Neugier, sich auf Ungewohntes einzulassen“ mitbringen, „selbst sein können und anderen anderes lassen“ und ein gewisses unternehmerisches Risiko auf sich nehmen. Denn die 4000 Quadratmeter mit Grün, Spielplatz, Gemeinschaftsküche, Begegnungsräumen, Gewerbeflächen oder eigener Werkstatt sollen nicht „einfach konsumiert“ werden, sondern es gilt, je nach persönlicher Ressource nicht zuletzt Zeit zu investieren, mitzubestimmen, mitzugestalten. Wie dieses basisdemokratische Miteinander aussieht, können Interessierte und Neugierige gleich am 13. Januar hautnah erleben. Dann nämlich findet im Freiwilligenzentrum der Stadt Fürth ein großer Infoabend statt (Anmeldung unter www.spiegelfabrik-fürth.de