Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Glosse

Die Partykolumne - Trameditation

Es gibt ja bekanntlich verschiedene weit verbreitete Methoden, um sich zu entspannen. Nicht minder bekanntlich sind die meisten davon für mich absolut untragbar und in der Tendenz eher dazu angetan, meinen Blutdruck in pathologisch zweifelhafte Höhen steigen zu lassen. Darunter fallen beispielsweise „mal ein Bad nehmen“, meditieren oder die größte weil alles vereinende Verirrung des Menschen: dieses „Wellness“ – hab ich neulich erst wieder ausprobieren müssen und all meine Vorurteile bestätigt gesehen, weil um dann letztlich mehrere Stunden in tropischem Klima ohne Sauerstoffzufuhr schwitzend und lesend zu verbringen, da kann ich mich auch im Wohnzimmer einsperren und muss nicht 400km Auto fahren und einen Betrag in gleicher Höhe hinblättern. Ach ja, Auto.

Straßenverkehr und Entspannung, das geht sich natürlich eigentlich überhaupt nicht zusammen, schließlich sind außer mir ausschließlich nervige Rentner, prollige Vollidioten und dämlich Tussen unterwegs, von denen es niemand schafft, in sportlicher Manier den Verkehrsfluss aufrechtzuerhalten und nie gelernt hat, dass ein Blinker nicht dazu da ist, niedliche Plüschmäuse dran aufzuhängen und sich zwischendurch die Fingernägel zu reinigen, sondern um eine bald erfolgende Abbiege- oder Halteaktion rechtzeitig anzukündigen, so dass der Hinterherfahrende entsprechend reagieren kann und sich nicht urplötzlich zu einer Vollbremsung und halsbrecherischen Ausweichmanövern gezwungen sieht. Menschen, die nicht blinken, sind böse Menschen. So. Jedoch bietet der hiesige Straßenverkehr eine wunderbare Möglichkeit, sich ganz auf sich selbst zu besinnen sowie auf die Tugend der Geduld und Demut.

Zu diesem Zwecke der persönlichen Erdung begebe man sich auf eine sagen wir östliche, große Ausfallstraße. Die Fahrtrichtung ist beliebig, der Zeitpunkt auch, denn egal, wann man hier entlang braust, man kann sicher sein, über kurz oder lang in den Rückspiegel oder neben sich zu blicken und sie zu entdecken: die bahngewordene Läuterung. Denn jetzt wissen wir: Wir müssen uns entscheiden. Entweder beginnt man ein Wettrennen ungewissen Ausgangs, bei dem man über hellrote Ampeln und Verkehrsinseln brettern muss, alle vorausfahrenden Lahmärsche hassen, hupen, was das Zeug hält und verächtliche Blicke nach links und rechts werfen, derweil der Tramfahrer ganz entspannt seines Weges fährt und sich ins Fäustchen lacht darüber, dass wann immer er in Sichtweite einer Ampelanlage gerät, diese umgehend auf Rot schaltet. Oder man nimmt den Schicksalswink demütig an, schleicht mit gemütlichen 17 km/h neben der Straßenbahn her, macht hier und da ein Päuschen und genießt die Umgebung und gelangt zwar gefühlte 43 Minuten später, dafür aber ganz entspannt und von Beseeltheit durchdrungen am Ziel an. Mit einer Streckenlänge von 36 Kilometern und darauf verteilten 74 Haltestellen ist das Verkehrsnetz also eigentlich ein Ausbund an Entspannung.

Ich schwebe mit euch in die Nacht: „80s/90s“(T90, Flughafen), „Don’t stop the Rock“ (Mississippi Queen, Hafen), „Silly Walks Soundsystem feat. Patrice“ (Z-Bau, Frankenstraße), „Schallfarben“ (Desi, Brückenstraße), „Funk Soul Brother“ (KK, Königstraße), „Dubtings“ (Künstlerhaus, ebd.), „Zirkus Beretton“ (Stereo, Klaragasse), „Zaubermilch“ (Mitte, Hallplatz), „Abrakadabra“ (Rakete, Vogelweiherstraße), „Maximum Rock Night“ (Hirsch, ebd.). Ausdruckstanz soll ja auch entspannen. Nun denn.