Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

1 Abo und 4 Abonnenten
Rezension

Stijl Designmarkt Nürnberg 2016

Ein Wochenende voller junger Designer, Kreativer und Labels aus Nürnberg und ganz Deutschland – schlendern, stöbern und entdecken, das konnte man am Samstag und Sonntag auf AEG. Hier war zum zweiten Mal nach der Premiere 2014 der „Stijl DesignMarkt“ zu Gast und bot mit 120 Ausstellern eine „Leistungsschau der Kreativwirtschaft“.

Unter dem Motto „Anziehen, Wohnen und Genießen abseits des Mainstreams“ gastierte der vor knapp sieben Jahren gegründete Wanderzirkus des Stils in der Weststadt. Im Gepäck: ausgefallene Fashion in Kleinserien, originelle Grafikplakate im Siebdruck, kreative Wohnaccessoires, handgemachter Schmuck. Hier wird „jeder fündig, der einzigartige Produkte anstelle von langweiliger Massenware sucht“. Und den entsprechenden Geldbeutel hat. Von „günstig“ kann hier nicht die Rede sein – war’s aber auch nie. Für 5 Euro Eintritt bzw. 8 Euro für das Wochenendeticket darf der Besucher durch die, so Verrät eine Ausstellerin, mit satten Preisen versehenen Flächen und Ständen schlendern und sich in der Flut der Ausgefallenheiten einen Überblick verschaffen. In der Masse wirkt das erstmal wie „nichts, was man nicht schon hundertmal gesehen hätte“: Selbstgenähte Kosmetiktaschen und Federmäppchen aus quietschbunten Stoffen, Rucksäcke aus irgendwas upgecycelt, der erstaunlicherweise nach wie vor omnipräsente Turnbeutel mit pfiffigen Siebdrucken, Brillen und Uhren aus (Tropen!-)Holz, lustige Stempelchen zum total individuellen Verzieren von „Wieder voll im Trend: Briefe schreiben“ und Schmuck, der, so noch nicht vorhanden, zu der Erkenntnis verhilft, dass 1. Gold, 2. eckig und 3. hingeklemmt statt gepierct schwer en vogue sind. Passend dazu sitzt Do-It-Yourself-Urmutter Dawanda termitenköniginnengleich in der Mitte der Halle, um bastelbestrebten Damen die geschickte Herstellung einer Blumenampel näherzubringen, „die waren in den 70ern total in“ und sehen auch so aus. Es finden sich Designer-Stühle aus Holz, nach deren Preis man sich kaum zu fragen traut, lustige Buttons, „kreative Papierprodukte aufwendig veredelt“, die obligatorische Mitwachshose und, neuerdings Must-Have der Gesichtsfrisurenträger, Bartöle, deren unbedingten Nutzen die Anbieter wortgewandt zu, ja, verkaufen wissen. Und dann muss man doch mal stehenbleiben und genauer hinschauen: „Monastine“ machen filigranen Schmuck, Glasbilder und Lampen nach grafischer Vorlage, indem aus Holz oder Leder lasert und geplottet wird. Wie die Kunstform heißt wissen sie selber nicht, aber „Schischi“ jedenfalls nicht. Verena Prym hat ein „Stadt-ABC für Kinder“ geschrieben und fotografiert, für den urbanen Nachwuchs, der mit herkömmlichen Lernbüchern ja nichts mehr anfangen kann und deswegen der Buchstabe „J“ naheliegenerweise mit „Japanisches Restaurant“ erklärt wird. Pia Heisen sammelt Sammeltassenscherben, die bekommt sie von Cafés, und fügt die schönsten Teile zu unikaten Schmuckstücken zusammen, aus Heroldsberg kommt mit dem „Korkbinder“ die „einzigartige Fliege aus Korkleder für den umweltbewussten Gentleman von Heute“, und ja, die kann man in die Hand nehmen und quetschen, die bröselt nicht. Malen nach Zahlen für Große und Styler haben die Damen Stuttgarter Damen von „Dot On“ ersonnen: „Kleb dir deine Kunstwerke“, heißt es hier, und dann gibt’s von der Postkarte bis zum Poster verschiedenste Motive, die anhand verschiedenster kleiner Klebepunkt zu einem großpixeligen Meisterwerk gepappt werden können – ruhige Hand vorausgesetzt. An die kann man sich auch „Pappwatch“ des Berliners Marc Aurel Hartung binden: Inspiriert von Festivalbändchen hat der vor drei Jahren damit begonnen, digitale Uhrwerke in wasser- und reißfestes Papier in Armbanduhrform zu wickeln und mit den unterschiedlichsten Designs verschiedenster Künstler zu bedrucken – bei Bedarf passende Wanduhr, Smartphonehülle oder Geldbeutelkreation inklusive. Vom Bremer „flix.design“ kommt der optisch ausgesprochen ansprechende und an praktischem Nutzen kaum zu übertreffende zusammenfaltbare Turnierkicker, der in der Mittelklasseversion für bereits 3500 Euro zu haben ist, hier und da sind Tiere auf Zeitungen gedruckt und Notenblätter und Postkarten und, ach ja, Turnbeutel, und was so industriecharmant wie angesagt daherkommt, ist die mannigfaltige Verbauung von sogenannten Edison-Lampen: Vintage-Glühbirnen, die wohl eher nicht mehr mit Kohlefäden funktionieren, dafür aber auf alte Stahlrohre, in Holz gefasst oder von sonstiger Natur umgeben irre was hermachen. Hergemacht wird sich auch über die Erzeugnisse der Foodtrucks, deren Duft sich sirenenartig über den Markt legt und den Blick auf die Live-Paintings beinahe verschleiern. „Auch wenn man das alles schon hundertmal gesehen hat“, konstatiert ein Besucher, „ist das so in geballter Form schon ziemlich gut. Ich mag die Veranstaltung.“