Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Rezension

Nachbericht: Frankenslam X - 10. Fränkische Poetry Slam Meisterschaft

Hier wurden Lanzen für Dicke gebrochen, Briefe an Wendy geschrieben, Teenagermädchen durch den Kakao gezogen und so oft „Fotze“ gesagt, dass das ehrwürdige Opernhaus sich mutmaßlich immer noch schwitzend vor Scham im eigenen Samtkleid versteckt. Doch das Staatstheater schmückt sich ja nicht umsonst mit dem Motto „Für jeden eine Bühne“, und so war die am vergangenen Freitag freigegeben, um Frankens größte Poeten zu küren: Der „Frankenslam X – die 10. Fränkische Poetry Slam Meisterschaft“ hielt Hof, und der hauseigene Narr, Nürnbergs Urpoet und Kulturschocksvereinsvorsitzender Michl Jakob, ließ vor über 1000 Zuschauern auf vollgestopften Rängen den Zylinder hochleben, die Korken knallen und die Worte flitzen. Zwölf in jeweils lokalen Wettbewerben nominierte SlammerInnen aus ganz Franken – wohl nicht nur die Region mit der größten Brauereidichte der Welt, sondern auch der Slams – waren angetreten, um sich im Wettstreit zu messen, einer siebenköpfigen Publikumsjury zu stellen und die große Bandbreite dessen zu demonstrieren, was dieses schwammige „Poetry“ alles bedeuten kann. Zum Beispiel, dass sich die aktuelle Situation vorzüglich eignet, um hier zu sein, „um zu schmähen, weil das muss man schließlich ausnutzen, bis der Paragraph 103 abgeschafft wird“, reibt sich Rahmenprogrammsgestalter und Kabarettist Philipp „Scharri“ Scharrenberg die Hände und vollführt alsgleich ein ganz und gar göttliches Schmähgedicht. Es wird viel gelacht im der Ehrwürde weitestgehend beraubten Opernhaus, über verstörendes Auftreten und Unbill der Teenagermädchen, über die Desillusionierungen des Erwachsenwerdens und väterliche Nöte, es gibt zynische Lehrerkampfreden, verunglückte Reisen mit den Kumpels ans Meer. Es gibt aber auch Nachdenkliches und zum Nachdenken anregendes, Zwiegespräche mit Gott zum Beispiel, oder das mit den Erwartungen der anderen, die man stets zu erfüllen strebt, oder den Brief, den man an Wendy schreibt, die dem ewig jungen Peter Pan nicht folgen wollte. Und es gibt Politik und Protest und Polemik, wegen des Luxus der Sorgenfreiheit, wegen der geheimen Sprachschutzpolizei und dem Dudenstern, wegen des Rhythmus‘, der für manche Partybeat, für andere Maschinengewehrklang ist – von keinem der Mitbieter im Kampf darum, Titelverteidiger Flo Langbein den Rang streitig zu machen, aber so fein, so metaphorisch, so das Lachen im Halse erstarren lassend wie von „Scharri“. Die Genres der Texte, die 5:30 Minuten lang sein dürfen und selbstverfasst sein müssen, sind Prosa, sind Lyrik, sind Comedy, sind Schauspiel und Collage, und am Ende gewinnt dann doch der Witz: Die punktebesten der drei Vierergruppen, Thomas Schmidt, Martin Rödel und Julian Kalk, machen’s spannend wie knapp und lassen den ersten als Ersten hoch über ihren Schultern hochleben, der sich mit großer Ernstlosigkeit und „Lost in Translation“ über vokalweiche Italiener, nasallustige Franzosen und dieses komische andere da, dieses Deutsch ergeht. Dabei ist letzteres doch so saugut geeignet, um „Poetry Slam“ zu machen.