Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

1 Abo und 4 Abonnenten
Rezension

Nachbericht: Erotik Slam 1#

48 Schichten Leopardenanzug später siegt also die Blasphemie über den Whirlpool, wird Pfeffi über Gläserränder verschüttet, der Moderatorenhintern sanft mit der Gürtelschnalle gestreichelt und ein jeder Lachmuskel angelegentlich in den Feierabend verabschiedet, servus grüezi und bis bald!


Dabei hatte man den doch eigentlich schon, den Feier-Abend. Beim 1. Nürnberger Erotik Slam im bis auf den letzten pappigen Platz besetzen Zentralcafé bogen sich Worte und die Balken vor Freude, dass sich die Frage aufdrängte, ob man sich im Stockwerk drüber bei Meister Egers nicht vielleicht vom haltlosen Gelächter empfindlich gestört fühlen könnte. Poetry Slam, das funktioniert ungefähr so: Menschen, die finden, sie können mit Sprache, gehen auf eine Bühne, tragen selbstverfasste Texte in Prosa, Schüttelreim und was das Genre halt noch so hergibt, vor, werden bewertet, am Ende gibt’s einen Sieger. Easy. Dass dieses Mal das Thema „Erotik“ vorgegeben war, freut Altveranstalter und Moderator mit Anzugpräferenz Michael Jakobs erstens persönlich und zweitens auch, platziert er doch mit diebischer Freude einen Flachwitz nach dem anderen, spielt dabei verlegen an seinem Ständer herum und gibt angemessen Raum und Rahmen für seine Poeten.

Die setzen sich zusammen aus allerlei Meistertiteln von Berlin bis Wien und präsentieren explizite Lyrik, um sich vom Publikum nach Punkten bewerten zu lassen. Marvin Suckut macht Anfang und Steilvorlage und rapsingspricht von Barflirt, Aufriss, Morgen danach („Wie komm ich mit Betonung heut Nacht noch in deine Wohnung?“), vollzieht irre Tempowechsel und –sprünge und ist hernach zurecht außer Atem. Daniel Wagner auch, prangert der doch stimm- wie wortgewaltig den Verfall der Liebe an, denn damals, bei Helena, bei Zeus, da wurde noch mit Stil gebumst, ganz ohne Tinderwahnsinn. Peter Parkster bereitet weit ruhiger im Vortrag über die No Gos beim Sex („Fester du Sau ist beim SM ein schlechtes Safeword“) den Weg zu einer, mit der man dann irgendwie nicht gerechnet hatte, und deren Vortrag wohl darum umso intensiver ist: „Warum machst du beim Sex gern das Licht aus?“ fragt Frederike Jakob, und erzählt von Narben und Ängsten, von Ehrlichkeit und Vertrauen und bringt gänsehäutige Bewegtheit ins Spaßbohei. Felix Kaden erklimmt orgasmisch einen Berg, Martin Hönel denkt herzerweichend nach über Umgangsformen, ja, und dann sind da noch die beiden, die dann das Finale und eigentlich den Abend dominieren:

Während Kabarettist Volker Surmann seinen unschuldigen Auftritt mit der bitte-hör-nicht-auf-zu-erzählen-Geschichte über das Gothic-Pärchen beim Sex bei -15 Grad Lügen straft, bleibt Österreich-Meisterin Lisa Eckhart ihrer Misantrophie treu und referiert mit hinreißender Arroganz und einer Boshaftigkeit, die einem das Herz aufgehen lässt, darüber, mit wem sie am liebsten kopuliert und warum. Im gleichen Duktus auch ihr katholischer Erotikthriller, mit dem sie sich gegen Surmanns (auto-)biographische Whirlpoolstory zum Sieg blasphemiert: Das Christkind ist der Nachwuchs Jesu, empfangen durch den ersten Cumshot der Geschichte, dessen die Kirche heut noch gedenkt mit der auf die Zunge gelegten Hostie beim Abendmahl, aber weil der Vater einfach abgehauen ist in den Himmel, ist das Christkind Atheist geworden und beschenkt an Papas Geburtstag Kinder statt den Herrn. Fleischgewordene Sprache, und dann muss sie doch aufhören, und dann doch aus Versehen mal lächeln. Man ist geneigt, keine Empfehlung für diese Veranstaltung zu geben, aus Sorge, man müsse beim nächsten Mal wegen Überfüllung leider draußen bleiben.

Poetry Slam – Rock’n’Roll Literatur, nächste Termine: 15.4. Opernhaus, 2.5. K4, 12.5. Gutmann, facebook.com/woerterdaemmerung