Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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Glosse

Die Partykolumne - Ausmistpsychologie

Ich falalallalafühl mich 15 Kilo leichter. Ein wunderbarer Zustand, der hoffentlich noch ein bisschen anhält. „Ja genau, jetzt, wo das mit der Adventsfresserei kommt, haha!“? Ja nö, kein Problem, die kann ruhig kommen, ich bin losgelöst von Raum und Gans. Mein Aggregatszustand hat andere Ursachen als pulvrig-weltliche. Nämlich: Ich habe ausgemistet. Eine Tätigkeit, die ich nicht als zwingend nötig, aber längst überfällig bezeichnet haben würdete. Auslösendes Moment hierfür war ein Projekt, im Zuge dessen ich angewiesen war, mein Wohnzimmer zu fotografieren, auf dass ein Wohnpsychologe in diesem lese wie im Kaffeesatz und Schlüsse auf meine Person ziehe. Das Ergebnis der Unternehmung war gleichsam positiv wie frappierend. Einerseits konnte ich der horoskopesquen Analyse meiner selbst wohlwollend zustimmen („Einen höheren Bildungsabschluss mit ausgeprägtem Anspruch besitzt sie selbst und erwartet das aber auch vom Gegenüber“). Andererseits erschrak ich, als ich des Gesamtprojektergebnisses ansichtig wurde. 

Nicht nur ich nämlich war da vertreten mit Fotos und Gedöns, sondern noch zwei andere Menschen. Ich sah picobello-aufgeräumte Wohnungen in Symmetrie und Crème, hier und da aufgelockert durch ein Deko-Element, das der Einrichtungs-Oger Tine Wittler nicht schöner hätt drapieren können. Ready for „Schöner Wohnen“. Scrollte man sich also durch die Fotos und dann so BÄM: die Wasmeierein inmitten eines kreischendbunten Sammelsuriums, wimmelbildgleich, nur dass kein Walter drin versteckt war. Jetzt muss ich schon sagen, dass ich mich freilich absichtlich ins denkbar schlimmste Eck gestellt hatte. Jetzt muss ich aber auch sagen, dass mir nicht ganz klar war, WIE schlimm’s da drinnen wirklich ist. Ich bin es gewohnt, dass Menschen, die meine Wohnung erstmals betreten („Die Wohnung ist ihr Nest, ihr Rückzugsbereich und wird jedenfalls in diesem Teil nicht jedem geöffnet.“), große Augen machen. Niemals, höre ich da, hätte man gedacht, dass es bei mir derart bunt zugeht. Um genau zu sein: derart pink. 

Da muss ich sagen: ich auch nicht. Erklären kann ich mir das nur so: In irgendeinem jugendlichen Leichtsinnsanfall scheine ich vor zig Jahren eine späte Tendenz zu jener mädchenhaften Farbe zu erkennen gegeben haben, die mir aus pädagogischen Gründen im entsprechenden Alter zugunsten Latzhosen und Holzspielzeug verwehrt war. Dann fing eins an, mir ein solchfarbiges Trum anzuschleppen, späte Aufarbeitung des frühkindlichen Traumas. Womit ein perpetuummobilöser Prozess in Gang gesetzt wurde: Für alle schien es plötzlich irre praktisch, rosa Kittys zu jedweder Gelegenheit zu schenken, und schon hatte ich die Barbiewelt. Und weil ich mich prinzipiell über alles freue und überall eine Erinnerung dranhängt, wuchs die Sammlung. Beträchtlich. Damit ist jetzt Schluss. Kistenweise Pinkgedöns hab ich entfernt – zugegebenermaßen in den Keller statt den Müll. Aber man weiß ja nie was noch so kommt. 

Auch nicht am Wochenende: „Ü30“ (T90, Flughafen), „Chuck Noize“ (Kunstverein, Frankenstraße), „Burger & Dance“ (Kuhmuhne, Weintraubengasse), „Star FM Club“ (Stereo, Klaragasse), „Stefano Libelle“ (Nano, Königstraße), „Turn it up“ (Indabahn_hof), „Ostblockschlampen“ (Mach, Kaiserstraße), „Back to the Future of Drum & Bass“ (Desi, Brückenstraße) und am Samstag müssen wir schon wieder in flexibler Regelung trauern. Oder ausmisten. Kann ich nur empfehlen. Und ihr müsst mir folgen, weil „ […] hat diese Person verlockende, kokketierende und sehr offene Züge.“ Ha!