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Polizisten setzten nach Nazivorwurf einen drauf

Von Katharina Schwirkus und Andreas Fritsche

Es wird immer schlimmer und zugleich immer schwerer, sich irgendwie herauszureden. Neun Bereitschaftspolizisten aus Cottbus hatten am vergangenen Donnerstag vor einer Mauer mit dem illegal angebrachten Schriftzug »Stoppt Ende Gelände« in ihren Uniformen posiert. Das Foto kursierte im Internet und sorgte für Empörung.

Denn das Bündnis »Ende Gelände« wollte am darauffolgenden Sonnabend in der Lausitz und bei Leipzig Tagebaue und Kraftwerke blockieren und damit für einen schnelleren Ausstieg aus der Braunkohle demonstrieren. 4000 Aktivisten haben dies dann auch tatsächlich getan. Befürworter der Braunkohle hatten Gegenaktionen angemeldet. Beamte sind jedoch zur Neutralität verpflichtet und dürfen sich beim Schutz der Versammlungen nicht auf eine Seite schlagen. Die neun Polizisten wurden deshalb aus dem Großeinsatz abgezogen.

Außerdem, und das wäre ein Skandal, identifizierten Experten das Krebssymbol, das neben dem Schriftzug auf die Mauer gesprüht war, als ein in der rechten Szene beliebtes Symbol. Doch ein Krebs wie der auf der Mauer ist auch im offiziellen Stadtwappen von Cottbus zu sehen. Das ließ sich immerhin zur Verteidigung der Polizisten vorbringen - bis nun bekannt wurde, wie sie mit dem Schriftzug umgegangen sind. Denn nach Angaben von Polizeipräsidiumssprecher Torsten Herbst bekamen die Beamten, die zur dritten Einsatzhundertschaft gehören, noch am Donnerstagabend von ihrem Vorgesetzten die Anweisung, den Schriftzug »Stoppt Ende Gelände« samt Krebssymbol zu überstreichen. Doch reichte dafür angeblich die gekaufte schwarze Farbe nicht aus, sollen sie gemeldet haben, heißt es.

Am Freitag waren der Krebs und die letzten beiden Buchstaben des Wortes »Ende« weiter zu sehen. Bei dem »E« war der Querstrich übermalt, so dass nun »DC« zu lesen war. Das Kürzel stehe für die rechtsextreme Gruppe »Defend Cottbus«, sagte Herbst. Nach einer internen Prüfung der Polizei weist jetzt alles darauf hin, dass der Querstrich von den Polizisten selbst entfernt wurde, die den Schriftzug komplett entfernen sollten. So habe die Polizei von einem der beteiligten Beamten ein unveröffentlichtes Foto sichergestellt, dass dieser am Donnerstagabend von der Wand gemacht habe. Es zeige eindeutig das Symbol des Krebses sowie »DC!« Vom Polizeipräsidium heißt es: »Damit ist klar, dass die neun Beamten, bevor sie den Ereignisort nach der beauftragten Entfernung verließen, diesen Schriftzug zumindest kannten und ihn auch dokumentierten.« Es kann somit ausgeschlossen werden, dass andere das »E« zum »C« machten, nachdem die Polizisten schon weg waren.Kriminaltechniker sicherten Farbspuren, bevor eine Malerfirma am Freitagabend den Auftrag erhielt, nun endlich alles zu überstreichen. Im Zuge der Ermittlungen der internen Revision wurden in einer Liegenschaft der Polizei in Cottbus Reste von Farbe festgestellt, die möglicherweise zum Überstreichen benutzt wurde. Ein Vergleich der beiden Proben könnte beweisen oder zumindest den Verdacht erhärten, dass die Polizisten eigenhändig den Mittelstrich des »E« übermalt haben.

Schon bevor diese neue Wendung bekannt wurde, hatte die Polizei Disziplinarverfahren gegen die neun Bereitschaftspolizisten eingeleitet. Sie werden jetzt zunächst drei Monate lang in anderen Dienststellen in der Region eingesetzt. »Danach wird nochmals neu entschieden«, erklärte Polizeisprecher Herbst dem »nd« am Dienstag. Die Polizisten könnten nach den drei Monaten vom Dienst suspendiert werden. Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft stimmen sich darüber ab, ob ein möglicher Tatverdacht wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten geprüft wird.

In der Hochschule der Polizei in Oranienburg werden die Nachwuchskräfte eigentlich erzogen, jeglichen faschistischen Tendenzen entgegenzutreten. Es gibt dort extra ein Fach Polizeigeschichte, bei dem die Naziverbrechen Lehrstoff sind. Ein Rundgang in der benachbarten KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen gehört für die jungen Studenten und Schüler der Hochschule zur Ausbildung dazu. Dennoch sind einzelne Polizeischüler schon negativ aufgefallen.

Der Landtagsabgeordnete Andreas Büttner (LINKE) ist von Beruf Polizist und weit davon entfernt, die Polizei in die rechte Ecke zu stellen. Eindeutig verhalte sich die große Mehrheit der Kollegen verfassungstreu, bestätigte er. Doch müsse konsequent gegen diejenigen vorgegangen werden, die das Bild der Polizei in der Öffentlichkeit beschmutzen. »Ich bin ziemlich schockiert darüber«, reagierte Büttner auf das zweite Foto. Der eine oder andere habe vielleicht erst gedacht, die Polizisten hätten aus Unkenntnis gehandelt. Aber wenn sie nach den Reaktionen auf das erste Foto und in Kenntnis eines bereits laufenden Disziplinarverfahrens für das »DC« gesorgt haben, »dann mussten sie wissen, was sie tun«, sagte Büttner. »Dann muss man darüber nachdenken, ob diese Leute in der demokratischen Polizei richtig sind.«



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