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»Ein Genozid bleibt immer ein Genozid«

Teilnehmende der Konferenz zum preußischen Kolonialbesitz in Berlin. Foto: Berlin Postkolonial

Herero- und Nama-Vertreter informieren über deutsche Kriegsverbrechen und sensibilisieren für ihre Interessen

»Wir werden Versklavung immer als Versklavung bezeichnen. Ein Genozid bleibt immer ein Genozid. Und wir werden nicht vergessen, was uns der Kolonialismus angetan hat.« Das betonte die Wissenschaftlerin Elisabeth Kaneza zum Auftakt des letzten Konferenztages zum Preußischen Kolonialbesitz. Kaneza kommt aus Ruanda und hat als Kind selbst unter einem Völkermord gelitten. Eindrücklich beschrieb die Wissenschaftlerin, wie die Unterscheidung zwischen den Hutu und Tutsi auf deutsche Kolonialherren zurückging und durch die Belgier fortgeführt wurde. Nur durch diese Unterscheidung wurde der spätere Völkermord möglich.

Offensichtlicher ist die Verantwortung Deutschlands für den Völkermord an den Herero und Nama, der zwischen 1904 und 1908 von deutschen Soldaten unter Generalleutnant Lothar von Trotha begangen wurde. Bis heute kämpfen die Nachkommen der Herero und Nama für Reparationsleistungen Deutschlands.

Ihre wichtigste Forderung ist die Rückübersendung menschlicher Überreste ihrer Vorfahren. Wie die Nichtregierungsorganisation Berlin Postkolonial herausgefunden hat, befinden sich noch immer viele Schädel der Opfer des Genozids in deutschen und internationalen Museen. Wilhelminische Wissenschaftler nutzen sie, um ihrer These der Niederträchtigkeit afrikanischer Völker nachzugehen. »Die Forschungsergebnisse würden wir auch gerne sehen«, sagte die Herero-Vertreterin Esther Utjiuua Muinjangue.

Seit Beginn ihres Kampfs für die Anerkennung des Völkermordes haben die Herero und Nama schon einiges erreicht. Beispielsweise hat die Charité im Jahr 2011 Schädel an Namibia zurückgesandt, die in ihrem Bestand waren. Die Universität Freiburg folgte diesem Beispiel 2014 und gab ebenfalls Schädel an Namibia zurück. Es sollen sich aber noch Bestände in der Universität Marburg und in der Stiftung preußischer Kulturbesitz (SPK) befinden. Die SPK hat Ende letzten Jahres eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um ihre Bestände zu untersuchen. Sie kündigte an, Schädel und Gebeine aus früheren deutschen Kolonien zurückzugeben, sollte sich herausstellen, dass sie unrechtmäßig nach Deutschland verbracht wurden.

Als großes Problem beschrieben die Referentinnen und Referenten der Tagung den fortlaufenden Rassismus und die Aneignung und Verfremdung ihrer Kultur durch westliche Gesellschaften. Diesem Thema widmet sich der Regisseur Red Haircrow in seinem Film »Forget Winnetou«. Für die Dreharbeiten besuchte Haircrow Veranstaltungen in Deutschland, bei welchen amerikanische Ureinwohner nachgestellt werden. »Auf keiner dieser Veranstaltungen habe ich einen tatsächlichen Nachkommen amerikanischer Ureinwohner getroffen«, sagte der Regisseur.

Die Herero und Nama kämpfen nicht für sich alleine, sondern vernetzen sich mit anderen Völkern, die ähnliche Interessen haben. Das wurde auf der Konferenz deutlich, weil auch Vertreter aus Tansania und Japan die unrechtmäßige Entsendung von Schädeln ihrer Vorfahren nach Deutschland anprangerten.

Interessanterweise sind es bei den Herero und Nama besonders Frauen, die sich für die Reparationszahlungen und Rücksendungen der Schädel einsetzen. »Wir nutzen diese Bewegung auch, um uns zu emanzipieren und die Rollen zu tauschen«, sagte Waltrudis Ignatsia Ortman. Außerdem sei es eine gezielte Strategie: »International kriegen wir mehr Aufmerksamkeit, wenn die Frauen sprechen.«

Die Organisatoren und Referenten beendeten die Tagung in Berlin mit der Verabschiedung einer Resolution. In dieser begrüßten sie die von der Stiftung preußischer Kulturbesitz eingeleiteten Schritte, monierten aber, dass diese nicht weit genug gingen. Sie fordern die Rückführung aller menschlicher Überreste kolonisierter Menschen und die Errichtung eines Informationszentrums, das sich Anfragen zu »sensiblen Materialien« aus der Kolonialzeit widmet. Des Weiteren fordern sie die SPK auf, gemeinsam mit Vertretern der Herkunftsgesellschaften einen Dialog über die Zukunft kultureller Objekte aus den kolonisierten Ländern zu initiieren.






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