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Als die Motos die Macht übernahmen

Der morgendliche Aufbruch zur Arbeit in Douala/Kamerun.Foto: Hilaire Djoko

Douala/Marburg Gegen sechs Uhr morgens füllen sich Doualas Straßen langsam mit Leben und in der kamerunischen Wirtschaftsmetropole beginnt der morgendliche Aufbruch zur Arbeit. Für die BürgerInnen der populationsstärksten Stadt des Landes, bedeutet das, dass Einreihen in eine sich im Schneckentempo vorwärtsbewegende Blechkarawane, die ihnen im schlechtesten Fall zwei Stunden des Tages rauben kann. Ein Szenario, dass sich weltweit in vielen Großstädten ereignet, in Douala ist dies jedoch nicht nur ein Phänomen, welches zu Rush-Hour Zeiten auftritt, sondern auf manchen Strecken ein Dauerzustand. Das Problem entsteht durch den Mangel an ausgebauten Straßen und öffentlichem Nahverkehr. Abgesehen von einigen Buslinien gibt es in Douala keinen öffentlichen Nahverkehr, es sind die gelben Toyota-Taxen und Motorräder, kurz Motos, die die Grundlage des öffentlichen Transports darstellen. Allerdings verdrängen die Motos die Auto-Taxen zunehmend, in kleineren Städten Kameruns gehören Auto-Taxen bereits der Vergangenheit an. Hier beschränkt sich der Personentransport nur noch auf Motorräder. 

Vor ungefähr vier Jahren wurde Kamerun, durch chinesische Investoren mit Motorrädern überschwemmt, seitdem sinkt der Preis der Motos stetig und ihre Präsenz steigt permanent. Zu hunderten  drängeln sie sich durch den kamerunischen Stadtverkehr. In Doualas Straßen sind sie in echter Cowboymanier unterwegs, meist ohne Schutzkleidung und oftmals zu halsbrecherischen Aktionen aufgelegt, sind sie verantwortlich für einen rasanten Anstieg der Unfallzahlen. Schon so mancher Fahrgast, hat im guten Fall einen harten Sturz erlebt, im schlechten Fall einen Arm oder ein Bein lassen müssen. Trotzdem wird der Aufstieg auf eines der Motorradtaxen häufig dem Auto bevorzugt, weil sie in Windeseile durch den Verkehr kommen und gerade in Stausituationen die schnellsten Verkehrsteilnehmer darstellen. Fragt man jedoch in der Bevölkerung nach, sind sich die meisten darüber einig, dass die Motorradtaxen an sich verboten gehören und es an der kamerunischen Regierung ist, endlich Alternativen für das  Verkehrsdilemma zu schaffen. 

Im administrativen Bezirk Bonanjo und in Teilen andere wohlhabendere Bezirke Doualas ist das Fahren von Motorrädern bereits untersagt. Verbote setzen sich jedoch, wie so vieles in Kamerun, nur da durch wo Geld und Einfluss herrscht. 

Neben den Motoradcowboys gibt es einen Verkehrsteilnehmer, der dem Stau- Szenario ebenfalls trotzt, im Gewirr des Verkehrs jedoch nur selten erblickt werden kann. Hoch zu Ross sitzt er im Sattel und schlängelt er sich auf seinem Drahtesel mit wachsamem Auge durch den Verkehr. Sie sind selten, aber mindestens einmal am Tag erblickt man sie, diejenigen, die mutig das Fahrrad besteigen. Was in Deutschland eine beliebte Alternative darstellt, ist hier schon allein auf Grund der Temperaturen eine echte Herausforderung. Januar ist der Beginn der Trockenzeit, in Douala klettern die Temperaturen auf vierzig Grad.

Spricht man KamerunerInnen aufs Fahrrad fahren in Douala an, so erntet man oft ein entgeistertes Kopfschütteln, viel zu gefährlich und vor allem zu große Distanzen, die zurückgelegt werden müssen. Die wenigen, die in Douala mit dem Fahrrad unterwegs sind, werden für ihren Mut bewundert oder für ihr Schwitzen belächelt. Aber welche Motivation steht hinter diesem sportlichen Engagement?

Für die meisten, die man morgens auf dem Rad antrifft, ist es tatsächlich eine Möglichkeit, das Ausharren im Taxi zu umgehen und sich nicht der Gefahr der Motorradfahrer auszusetzen. Claude Ndombe fährt seit zwei Jahren jeden Morgen mit dem Rad zur Arbeit, für ihn ist es neben Stauumfahrung eine Möglichkeit sich sportlich zu betätigen und eine Abwechslung zu den zehn Stunden, die er täglich im Büro verbringt. Die Gefahr, der er sich aussetzt ist er sich bewusst, zwei seiner Freunde hat das Fahrrad fahren in Douala im letzten Jahr das Leben gekostet.

„Fahrrad fahren war noch nie unbeliebter in Kamerun“, meint der 39- jährige Paul Makoumb. Er ist Ex-Profiradfahrer und legt seit Kindertagen alle Strecken innerhalb Doualas mit dem Fahrrad zurück. „Viele haben heute einen Komplex, das Fahrrad als Transportmittel stellt für sie heute ein Zeichen von Armut dar.“ Mkoumb hat seit dem er den Leistungssport aufgegeben hat, einen Fahrradladen. „ Das Fahrrad wird am Wochenende von den KamerunerInnen genutzt um Sport zu treiben. Sontags, wenn die Straßen leerer sind. Um zu Arbeit zu fahren, besteigen heute nur wenige ein Fahrrad. Bevor die Motorräder die Kontrolle über Kameruns Straßen übernommen haben, war das anders, da konnte man vermehrt auch das Fahrrad als Transportmittel sehen. Heute wo das Moto erschwinglich ist, wollen alle nur noch Moto fahren.“

 

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