1 Abo und 1 Abonnent
Artikel

Pflege-Produkte für Afro-Haar: Salimata erzählt von ihrem Struggle - und warum sie am liebsten in den Afro-Shop geht

Brauchst du Shampoo, läufst du in die großen Drogerien deiner Stadt und hast hast die Qual der WahlDie meisten von uns können sich das nicht vorstellen. Für viele Schwarze Menschen und People of Color (PoC) ist das aber Alltag. Wir haben mit Salimata gesprochen, die ihre Haare lange Zeit mit Shampoos aus den Drogerien schädigte und heute in Afro-Shops kauft. Obwohl sie dort sehr gerne kauft, fordert sie: Die großen Drogerien müssen mehr Produkte für Schwarze Personen ins Sortiment aufnehmen. Warum? Das erzählt sie hier: 

 Klar ist es manchmal anstrengend, genau das passende Produkt auszuwählen. Aber kannst du dir vorstellen, dass jedes einzelne Shampoo, das dort im Regal steht, dein Haar schädigt? Dass du dich stundenlang durch YouTube-Videos und Beauty-Zeitschriften arbeiten musst, um das Shampoo zu finden, das für dich passend ist? Anschließend einen Laden zu finden, der dieses Produkt im Angebot hat oder Versandkosten bei einem Online-Händler zu zahlen da noch nicht einmal mit eingerechnet.


Salimata über Pflege-Produkte für Schwarze Menschen

"Ich kaufe meine Haarpflege-Produkte schon seit Jahren beim Afro-Shop und nicht in den klassischen Drogerien. Selbst als die Produkte dort in die Palette aufgenommen wurden, ging ich aus Gewohnheit weiter zum Afro-Shop. Man muss auch sagen: Eine große Auswahl an passenden Produkten gibt es dort für PoCs und BPoCs immer noch nicht: Meist nur von einer einzigen Marke und dann auch nur Standardprodukte, die nicht für jeden Haartyp passend sind.


Und auch wenn meine Pflegeprodukte im Afro-Shop ausverkauft sind, kaufe ich nicht in den großen Drogerien, sondern bestelle meine Produkte einfach im Internet.

Meine Mutter kommt aus dem Senegal, und da sie eine andere Haarstruktur hat als ich, konnte ich mir von ihr nicht viel abgucken. Sie glättet ihre Haare bis heute oft chemisch, was sie aber nie für mich wollte. Meine Haare sollten nach ihrem Willen immer natürlich bleiben.

Richtig passende Produkte für meinen, aber auch ihren Haartyp hat sie jedoch nie gekauft: Immer das klassische Shampoo von dm, das eher für europäisches, meist glattes, Haar geeignet ist.


Salimatas "Natural Hair Journey"

Bis ich 16 war, benutzte ich diese Standard-Produkte. Aus Gewohnheit und weil man sich als Tochter generell vieles von seiner Mutter abschaut, ohne zu hinterfragen: Bestimmte Lebensmittel und Marken aus dem Supermarkt aber auch Pflegeprodukte.

Mit 17 begann ich aber, Weaves zu tragen, also Haarteile, die das eigene Haar bedecken. Unter diesen Weaves war mein Naturhaar versteckt, weshalb ich es bei der Pflege vernachlässigte. Die Weaves, die meist aus indischem Echthaar waren, konnte man mit jedem Shampoo waschen, das es in den großen Drogerien gab.


Erst mit 20 nahm ich die Weaves heraus und beschäftigte mich zum ersten Mal intensiv mit Haarpflege, die auf mich persönlich abgestimmt war. Ich begann damit, YouTube-Videos von Mädchen und Frauen zu schauen, die meinen Haut- und Haartyp hatten: Da es zu der Zeit aber kaum große deutsche YouTuberinnen gab, die infrage kamen, waren das zum Großteil englischsprachige Videos. Im deutschen Raum gab es damals eine einzige: Joannas Essentials.


Mittlerweile gibt es ein paar mehr, die auch meinen Haartyp haben. Und auch ich poste auf Instagram verschiedene kleine Videos zur Pflege von Afrohaaren und versuche, mein über die letzten Jahre erlerntes Wissen mit anderen zu teilen. Die Produkte bestellte ich am Anfang meiner "Natural Hair Journey" teils im Internet, ging aber auch zum ersten Mal alleine in den Afro-Shop.


Es war nicht mein erster Besuch im Afro-Shop, weil meine Mutter mich auch als Kind öfter dorthin mitnahm, trotzdem war es ein wichtiger Schritt für mich, endlich selbst passende Pflegeprodukte für mein Haar zu kaufen und nicht mehr nur auf die Standard-Shampoos bei Rossmann angewiesen zu sein.


Im Afro-Shop kosten die Produkte für Afrohaar nicht mehr oder weniger als im Internet oder bei Rossmann: Im Vergleich zu Shampoos für glattes Haar sind sie aber generell deutlich teurer. Bei Make-up hatte ich übrigens immer mehr "Glück" als bei Shampoo: Glück insofern, als mein Hautton meistens als Make-up verfügbar ist. Ich bin light-skinned, also vergleichsweise hell, und meine Hautfarbe entspricht meistens dem dunkelsten Make-up-Ton, den es in Drogerien gibt. Was gleichzeitig aber auch heißt, dass alle, die dunklere Haut haben als ich, keinen einfachen Zugang zu Make-up haben. Dass ich diesen Zugang immer hatte, ist wahrscheinlich auch ein Grund dafür, warum ich relativ spät damit begann, in Afro-Shops zu kaufen.


Mit 20 plötzlich zum Afro-Shop zu gehen und nicht mehr, wie meine Freundinnen auch, zu Rossmann oder dm, war ungewohnt. Insgesamt ist es eine ganz andere Erfahrung, in den Afro-Shop zu gehen, anstatt in die gewohnten Geschäfte: Denn anders als dort, musst du dich schon vor dem Besuch im Afro-Shop darüber informieren, welchen Haartyp du hast und welche Pflege du dafür brauchst. Außerdem stehst du gerade in der Findungsphase in engem Austausch mit den Mitarbeiterinnen, bis du genau weißt, was du brauchst. Es ist viel mehr Wissen, Eigenantrieb und Kommunikation nötig, um im Afro-Shop zu finden, was du brauchst.


So funktionieren Afro-Shops


Afro-Shops sind keinesfalls alle einheitlich: Ich persönlich unterscheide aber zwei Typen von Shops. Es gibt die, in denen die halbe Community abhängt - dort treffen sich vor allem ältere Menschen und nutzen den Shop als eine Art Café. In diesen Läden gibt es auch Lebensmittel aus verschiedenen afrikanischen Ländern, die man im normalen Supermarkt nicht bekommt.


Auf der anderen Seite gibt es auch Shops, die mit unzähligen amerikanischen Produkten ausgestattet und oft größer sind. Sie sind aufgebaut wie andere Drogeriemärkte und weniger wie Treffpunkte für die Community. In beiden Fällen ist es jedoch so, dass viel Wert darauf gelegt wird, die Kund*innen an den Shop zu binden. Die Beratung ist meiner Erfahrung nach viel persönlicher und freundlicher als anderswo.

Auch deshalb würde ich nie aufhören, in Afroshops zu kaufen, selbst wenn es die passenden Produkte für mich plötzlich auch in den großen Drogerien geben würde. Ein anderer Grund ist natürlich, dass ich lieber kleine Black-Owned-Businesses unterstützen möchte als große Mainstream-Ketten.


Warum es mehr Afro-Haar-Produkte geben sollte

Trotzdem halte ich es für sehr wichtig, dass es mehr und unterschiedlichere Produkte für Schwarze in den großen Drogerien gibt. Es ist nicht nur eine Frage des Respekts und der Repräsentation, sondern auch eine der Zugänglichkeit. Ich selbst bin in Berlin aufgewachsen und hatte immer einen Afro-Shop in Reichweite. Wenn du auf dem bayerischen Dorf lebst, sieht das aber ganz anders aus. Dass sich BPoCs mit falschen Pflegeprodukten die Haare kaputt machen, weil sie keinen Zugang zu den passenden haben, geht einfach nicht.


Und es gibt noch einen wichtigen Punkt: Für junge BPocs, deren Eltern sie nie mit in einen Afro-Shop nehmen, zum Beispiel, weil die Mutter selbst weiß ist, ist es eine Hürde, in den Afro-Shop zu gehen. Einerseits, weil sie das Konzept nicht kennen und vom Angebot überfordert sind und andererseits, weil sie vielleicht die Sprachen nicht können, die dort gesprochen werden. Gerade in den Afro-Shops, die von älteren Menschen geführt werden, wird oft kein oder wenig Deutsch gesprochen, sondern Englisch oder Französisch. Um einen niedrigschwelligen Zugang zu Pflegeprodukten zu ermöglichen, sollten die Drogerien diese dringend in ihr Sortiment aufnehmen.


Gesellschaft im Wandel

Was das angeht, beobachte ich einen positiven Trend. Ich habe das Gefühl, die Gesellschaft ist im Wandel und beginnt zu verstehen, dass mehr Repräsentation von Schwarzen Menschen stattfinden muss. Vor einigen Jahren habe ich noch viel weniger Schwarze Models in der deutschen Werbung gesehen als heute. Wenn Firmen den Schritt gehen und sich diverser präsentieren, fühlen sich viel mehr BPoCs angesprochen und kaufen dort ein. Damit würde sich auch das für mich unverständliche Argument erübrigen, dass sich dunklere Make-up-Töne wirtschaftlich nicht lohnen würden.

Die Drogerien schließen derzeit noch eine große Gruppe von potenziellen Kund*innen aber vor allem Menschen aus, denen signalisiert wird: Eure Hautfarbe und damit auch euer Haartyp sind nicht normal. Das muss sich ändern.

Zum Original