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Schwarz - aber nicht "zu" Schwarz: Was bedeutet Colorism?

Meghan Markle und ihre Mutter

"Meghan Markle rassistisch beleidigt" - als diese Schlagzeile kurz vor der Hochzeit der US-Schauspielerin mit dem britischen Prinz Harry 2018 die Runde machte, schauten viele erst mal verdutzt. "Meghan Markle - rassistisch beleidigt? Aber sie ist doch weiß - oder nicht?".


Dann tauchte eine Video aus der Kindheit Markles und Fotos mit ihrer Mutter auf - und es zeigte sich: Meghan Markle hat mütterlicherseits tatsächlich afroamerikanische Wurzeln. In dem Video hat die kleine Meghan Markle - anders als sie sich heute zeigt - stark gelocktes Haar, ihre Haut ist jedoch ebenso hell wie die der Meghan, die wir heute kennen.


Schönheitsikone Meghan Markle

Was das aussagt? Das verrät uns ein Blick in die Star- und Schönheitsmagazine. Dort nämlich wird die Schauspielerin als Beauty-Idol und Stilikone dargestellt: "So schminkst du dich wie Meghan Markle", "Fünf Tipps, um den Meghan-Markle-Look nachzustylen" - Artikel wie diese existieren zuhauf. Und das sollte stutzig machen: Denn denken wir mal ganz scharf nach - wie oft sind es denn Frauen of Color, deren Looks in Beautymagazinen angepriesen werden? So gut wie nie. Es sind weiße Frauen, deren Hautton und Haarstruktur als "normal" angesehen werden und die deshalb den Leser*innen präsentiert werden.


Beauty-Standard "helle Haut"

Wer jetzt schreit: "Das stimmt gar nicht! Rihanna und Beyoncé sind auch oft in Magazinen zu sehen", sollte sich die beiden noch einmal genau anschauen.

Na, fällt etwas auf? Richtig: Die Hautfarbe der beiden Sängerinnen ist - genau wie die Meghan Markles - sehr hell im Vergleich zu der Haut vieler anderer Schwarzer Menschen. Wenn man sich die erste Riege der Prominenz - sowohl in den USA als auch in Deutschland - anschaut, sind dort immer hauptsächlich BiPoCs zu finden, die wegen ihrer Hautfarbe und sonstiger äußerlicher Merkmale stark dem westlichen, weißen Phänotyp ähneln. Der Grund dafür: Colorism.


Colorism (oder auch Shadeism) basiert zwar auf rassistischen Denkmustern, jedoch wird hierbei nicht die scharfe Einteilung "Schwarz" und "Weiß" gemacht, es bezieht sich vielmehr auf die Unterschiede zwischen den Hautfarben Schwarzer. Möglichst helle Haut wird hierbei als das Ideal angesehen, Menschen mit dunklerer Haut werden diskriminiert - und das auch von der eigenen ethnischen Gruppe. So werden Menschen mit hellerer Haut in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Südamerikas gesellschaftlich bevorzugt.


"Die bekommen bestimmt süße Babys"

So beschreibt etwa die bekannte nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie in ihrem Roman "Americanah", wie in einer Schule in Nigeria die Mädchen als besonders hübsch und begehrenswert gelten, die ein weißes Elternteil haben. Und auch in Deutschland fällt bei Paaren, bei denen eine Person weiß und die andere Schwarz ist, nicht selten der Satz: "Die bekommen bestimmt süße Babys" - zum einen, um die eigene Toleranz zu betonen, zum anderen, weil auch hierzulande mehr oder weniger insgeheim die Vorstellung herrscht: Schwarz ist ja okay - aber bitte nicht "zu" Schwarz. Denn wenn ein Mensch ein bisschen was "Exotisches" an sich hat, gilt sein Aussehen als "interessant" - so lange der westeuropäische Phänotyp noch genug durchschimmert.

Zu welch gefährlichen Maßnahmen BiPoCS auf der ganzen Welt greifen, um weißer auszusehen und somit der Diskriminierung zu entgehen, hat NOIZZ bereits in früheren Artikeln behandelt.


Vorbild Lupita Nyong'o

Zum Vorbild für viele Mädchen und Frauen mit dunklem Hautton ist die kenianische Schauspielerin Lupita Nyong'o geworden. Sie kritisiert immer wieder die negativen Auswirkungen herrschender Schönheitsstandards.

Zu der Preisverleihung "Black Woman in Hollywood" 2014, hielt sie eine viel beachtete Danksagung. Darin sagte sie: "Es gab eine Zeit, als auch ich mich nicht schön fühlte. Ich schaltete den Fernseher an und sah nur blasse Haut. Ich wurde gehänselt und verhöhnt aufgrund meiner nachtfarbenen Haut. Und ich betete zu Gott, dass ich hellhäutiger aufwachen würde." Erst das sudanesische Model Alek Wek habe ihr zu Selbstbewusstsein geholfen, sagte sie.


Auch in Deutschland herrscht Colorism

Nicht nur in den USA ist Colorism ein großes Problem. Auch in Deutschland stehen hellhäutige BiPoCS viel häufiger im Rampenlicht als solche mit dunklerem Hautton. Besonders stark macht darauf die Moderatorin Aminata Belli aufmerksam. Sie und andere Kolleg*innen of Color (Josephine Apraku, Alice Hasters, Ciani-Sophia Hoeder, Fabienne Sand, Noah Sow und Hadnet Tesfai) verfassten im Zusammenhang mit einem Award von " Edition F" ein Statement zum Thema Colorism.


Wenn wir in unseren diversen Schwarzen Communities gegeneinander darum kämpfen müssen, wer im Mainstream sprechen darf, dann ist das so, weil weiße Menschen unseren vielfältigen Perspektiven und unserer unterschiedlichen Betroffenheit von Rassismus und Colorism, zu wenig Platz einräumen. Wir wissen, dass es unsere Nähe zum Weiß-Sein ist, die es für weiße Menschen bequemer macht, uns einen bestimmten Raum im Diskurs um Rassismus zuzugestehen. Ein Privileg, das von uns einen verantwortungsvollen Umgang für unsere Rassismuskritik erfordert: Wenn wir uns als Schwarze Frauen, die im Hinblick auf Colorism privilegiert sind, gegen Rassismus einsetzten wollen, dann ist es notwendig, dass wir das thematisieren und Platz für unsere Geschwister machen. Die Entscheidung unsere Plätze freizumachen, ist uns nicht leicht gefallen, weil wir als Schwarze Menschen insgesamt zu wenig repräsentiert sind. Das Aufzeigen dieser Leerstellen sollte nicht allein auf uns lasten. Deshalb möchten wir andere auffordern, sich mit uns und unseren Geschwistern zu solidarisieren und ein gemeinsames Zeichen gegen Rassismus - mit all seinen komplexen Ausprägungen - zu setzen und diese Last mit uns zu teilen. Wir möchten, dass ihr unser Statement in voller Länge lest und versteht (der Link ist in meiner bio oder in meiner Story). Wir möchten insbesondere weiße intersektionale Feminist*innen dazu aufrufen, sich solidarisch zu zeigen und ihre Nominierungen ebenfalls zurückziehen, um Platz für Geschichten und Perspektiven zu machen, die verstärkt Marginalisierung erfahren. @josephine.apraku @alice_haruko @ffabae @noahsow @hihadnet

Darin traten die Frauen, allesamt für den Preis nominiert, von der Auswahl zurück. Die Begründung: Sie wollen nicht unterstützen, dass ausschließlich BiPoCS mit vergleichsweise hellerer Hautfarbe als Sprecher*innen für die Schwarze Community in der Öffentlichkeit stehen. 


Gerade in Zeiten von "Black Lives Matter", in denen das Thema Rassismus mehr Aufmerksamkeit bekomme, solle die strukturelle Diskriminierung durch Colorism nicht unterstützt werden.

Colorism - ein weiterer Auswuchs des Rassismus, den es zu bekämpfen gilt. Er erklärt, warum Meghan Markle als Schönheitsikone gilt - viele andere Schwarze Frauen aber wahrscheinlich niemals im Rampenlicht stehen werden.

Quelle: Noizz.de

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