Vom Ring ihrer Oma würde sie sich nie trennen
Sich von ihren Besitztümern zu verabschieden, fiel ihr nicht schwer. „Ich habe nie irgendwas vermisst oder gedacht: ‚Mensch, hätte ich das bloß behalten'." Wehgetan habe ihr lediglich, dass sie auf dem Flohmarkt sehr wenig Geld für die Gegenstände bekam, für die sie einst viel ausgegeben hatte. Doch zu sehen, wie ihr alter Teddy oder andere Dinge einem anderen Menschen Freude bereiten, habe sie schnell getröstet.
Übrig geblieben ist lediglich eine Kiste voller Erinnerungen, die die heute 30-Jährige bei ihren Eltern untergestellt hat. Darin bewahrt sie Schätze aus der Kindheit auf, etwa ihre Leichtathletik- und Tennisschuhe, mit denen sie bei Wettkämpfen den ersten Platz gewonnen hat. Oder alte Liebesbriefe, verrät Katharina Finke und lächelt. Von dem Ring ihrer verstorbenen Oma, den sie immer trägt, würde sie sich nie trennen.
Auf ein Auto verzichtet sie dagegen gern. Außerdem hat die gebürtige Frankfurterin keinen ständigen Wohnsitz, sondern ist auf der ganzen Welt zuhause. Mal ist sie Zwischenmieterin in einer WG oder einem Ein-Zimmer-Apartment, übernachtet bei Freunden, die auf der ganzen Welt verstreut leben. Oder wohnt zwischendurch bei ihrem Freund in Berlin. Gemeldet ist Finke bei ihren Eltern in Frankfurt. „Damit die Post bei mir ankommt."
Alles ist sehr übersichtlich
Sie schleppt nie alles mit sich herum: Im Sommer deponiert sie stets ihren Koffer mit Winterkleidung – und umgekehrt – bei ihren Eltern. Wenn sie Bücher liest, dann ganz traditionell und nicht als E-Book. „Ich behalte sie aber nicht, sondern gebe sie nach dem Lesen weiter."
Ihr Leben sei durch den Minimalismus leichter geworden. Das fange bereits bei einem Umzug an. Durch ihre wenigen Besitztümer geht ein Ortswechsel bei ihr schnell über die Bühne. Die junge Frau weiß ganz genau, was ihr gehört. „Ich finde es gut, den totalen Überblick zu haben." Gleichzeitig ist sie stets dabei, ihre Siebensachen weiter zu reduzieren, um mehr Raum für anderes zu haben. Dadurch fallen ihr nicht zuletzt Entscheidungen leichter. Tage, an denen sie nicht weiß, was sie anziehen soll, sind bei der 30-Jährigen eher selten. Alles ist sehr übersichtlich.
Sie besitzt unter anderem drei Paar Jeans und einen Blazer für offizielle Anlässe. Unter den zehn Paar Schuhen, die sie ihr Eigen nennt, befinden sich auch Flipflops und verschiedene Sportschuhe, erzählt die sportliche Journalistin. Da sie ihre Kleidung oft in Waschsalons reinigen muss, achtet sie darauf, sich nach Farben anzuziehen: Eine Woche kleidet sie sich hell, eine Woche dunkel. „Damit ich meine Klamotten besser organisieren kann", erklärt sie.
„Das ist nicht besonders günstig"
Viele ihrer Sachen besitzt sie schon seit längerer Zeit. Wenn etwas kaputt geht, kauft sie nicht sofort Ersatz. Ist etwa der Reißverschluss defekt, greift sie zu Nadel und Faden. Als Teenager sei sie dagegen eine richtige Shopping-Queen mit riesigem Kleiderschrank gewesen. „Das kann ich mir heute nicht mehr vorstellen."
Hin und wieder borgt sie sich bei Freunden Dinge, etwa ein Bügeleisen vor wichtigen Terminen. Oder eine zusammenfaltbare Kleiderstange, um ihre Sachen aufzuhängen. Inzwischen empfindet Katharina Finke Shoppingtouren als Zeitverschwendung und geht nur noch ganz gezielt zum Einkaufen. So achtet sie beim Lebensmitteleinkauf darauf, wo das Essen herkommt und benutzt nur Kosmetika, die nicht an Tieren getestet wurden. „Das ist nicht besonders günstig", sagt sie.
Allerdings geht es beim Minimalismus ohnehin nicht unbedingt darum, Geld zu sparen. Auch wenn Fixkosten für Auto und Wohnung bei der Minimalistin wegfallen, ist ihr Leben eher einen Tick teurer, da sie mehr Geld für Reisen und Kurzmieten ausgibt. „Wenn man länger irgendwo wohnt, ist die Miete relativ gesehen günstiger." Auch Besuche im Waschsalon schlagen zu Buche. Ihre Motivation ist vor allem die Kritik am Konsum und dem ständigen Kauf neuer Sachen. „Ich kaufe gern in Second-Hand-Läden ein, um Ressourcen zu schonen." Gleichzeitig liegt es ihr am Herzen, dass die Mitarbeiter gut behandelt und fair bezahlt werden. Deshalb meidet sie viele Läden und große Konzerne. Außerdem achtet Finke darauf, dass durch die Produktion Umwelt und Regenwälder geschont werden.
Erinnerungen wichtiger als Materielles
„Wenn ich länger irgendwo bin, versuche ich die Leute dazu zu bringen, ihren Stromanbieter zu wechseln, um Ökostrom zu bekommen." Auch sie selbst legt Wert darauf, ihren CO2-Fußabdruck niedrig zu halten. Natürlich ist ihr bewusst, dass Flugreisen schlecht für die Ökobilanz sind. „Ich sage nicht, dass ich perfekt bin", räumt sie ein. Allerdings seien diese Reisen für ihre Tätigkeit manchmal unvermeidbar. Um einen Ausgleich zu schaffen, verzichtet sie auf innerdeutsche Flüge und nimmt für kürzere Strecken die Bahn.
Wenn sie in die Ferne reist, sorgt sie dafür, dass ein mehrmonatiger Aufenthalt den Flug rechtfertigt.Bei Präsenten ist Finke ebenfalls Minimalistin. Daher schenken Freunde ihr zum Geburtstag eher praktische Dinge, die sie verbrauchen kann, wie etwa Duschgel und Olivenöl. Oder Gutscheine für gemeinsame Erlebnisse. Denn Erinnerungen sind ihr wichtiger als Materielles.
Finkes Freund ist kein Minimalist. Dennoch funktioniert die Beziehung gut. Jeder respektiert den Lebensstil des anderen. Auf Konsumgüter legt er ebenfalls keinen Wert. Obwohl er für seine Arbeit als Fotojournalist ebenfalls viel reist, ist ihm seine Wohnung als Rückzugsort wichtig: Seit zehn Jahren lebe er dort, berichtet Finke. Bei ihrem Partner für einen längeren Zeitraum in die Wohnung einzuziehen, kommt für sie im Augenblick nicht in Frage. „Da es noch so viele Orte überall auf der Welt gibt, an denen ich arbeiten möchte, will ich mich noch nicht fest an einen Ort binden", betont sie.
Das Thema fester Wohnsitz ist für die junge Korrespondentin zweischneidig. Einerseits fühlt sie sich wohl dabei, ständig an neuen Orten zu leben. Andererseits will sie irgendwann eine Base irgendwo in Europa haben, von wo aus sie auch gut verreisen kann. Minimalistin möchte sie trotzdem bleiben. „Ich werde dann immer noch sehr reduziert leben."
Noch mehr Nachrichten aus der Region lesen? Testen Sie kostenlos 14 Tage das Komplettpaket Print & Web plus!