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Sind 72 Asylbewerber für Rossendorf zu viele? | MDR.DE

Bürgerversammlung in Rossendorf

Die geplante Anzahl von 72 Asylbewerbern bei 120 Einwohnern, die schlechte Infrastruktur von Rossendorf und Fragen zur Sicherheit sind die zentralen Diskussionspunkte bei der gestrigen Bürgerversammlung zum geplanten Asylbewerberheim im Ort gewesen.


von Katalin Vales

In vier Wochen sollen die Asylbewerber in eine jetzt leerstehende Baracke im zu Radeberg gehördenden Teil von Rossendorf einziehen können. Nun wurden die Bürger persönlich darüber informiert - nachdem sie es zuvor aus der Zeitung erfahren hatten. Vertreter des Landratsamts, der Polizei sowie der Radeberger Oberbürgermeister Gerhard Lemm hatten sich am Mittwoch in einer Kirche im benachbarten Großerkmannsdorf den Bedenken und Fragen der Rossendorfer gestellt. Das Interesse an der Bürgerversammlung war groß: Ungefähr 130 Menschen kamen. Viele halten die Unterbringung von 72 Asylbewerbern in einem Ortsteil mit 120 Einwohnern für unzumutbar. Eine, die immer wieder das Wort ergreift ist Katrin Meie. Sie betont, dass Asylbewerber willkommen seien, dass aber die Anzahl der Personen die Kapazitäten des Orts, in dem vorwiegend ältere Menschen leben, übersteigt.

"Mir ist wichtig, dass wir nicht nur die Probleme in den Vordergrund stellen, sondern in allererster Linie die Überlegung, wie können wir die Probleme angehen, wie können wir für ein verträgliches Miteinander der Menschen vor Ort sorgen? Es wird nur unter Einbeziehung ehrenamtlichen Engagements gehen. Es bildet sich gerade ein Verein. Es geht um die Bereitstellung von Fahrrädern, Patenschaften und ehrenamtlichen Deutschunterricht"


Gerhard Lemm, Oberbürgermeister der Stadt Radeberg

Diskussionsrunde: Sind 72 Asylbewerber für Rossendorf zu viele?

Ein weiteres Argument der Kritiker war die Tatsache, dass Rossendorf sehr weit außerhalb liegt und den Asylbewerbern nichts weiter zu bieten habe: keine Freizeitmöglichkeiten, eine schlechte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, keine Geschäfte. Auch Sicherheitsbedenken für beide Seiten wurden geäußert. Die Sicherheitsbedenken, so schien es, konnte auch die Polizei nicht vollständig ausräumen. Zu gern hätten die Rossendorfer Einfluss auf die Anzahl und auf die Zusammensetzung der Asylbewerber. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht. In vier Wochen sollen die Asylbewerber in Rossendorf eintreffen. Sie sollen eine Baracke beziehen, die früher ausländischen Nachwuchswissenschaftlern als Unterkunft diente. Bis es soweit ist, muss noch ein Betreiber für das Flüchtlingsheim gefunden werden.


Unterschriften für gerechte Verteilung gesammelt

Bei der Infoveranstaltung übergaben die Rossendorfer eine Unterschriftenliste an die Vertreter vom Landratsamt und Oberbürgermeister Gerhard Lemm. Diese enthält unter anderem Forderungen wie eine "gerechte Verteilung der Lasten in Relation zu den Einwohnerzahlen der Ortsteile, ein Sicherheitskonzept der Polizei zum Schutz der Einwohner, der Flüchtlinge und der Firmen im Ort, die Gewährleistung der umfassenden sozialen Betreuung sowie die Offenlegung der Eigentumsverhältnisse der abgeschlossenen Verträge". Die neu gegründete Bürgerinitiative erhofft sich eine schriftliche Antwort. Lemm kann die Kritik und die Sorgen der Einwohner nach eigenen Angaben verstehen. Er habe die Bedenken, die er teilweise teilt, auch dem Landratsamt übermittelt.


Für Ärger sorgten nicht nur die Anzahl der zu erwarteten Asylbewerber, sondern auch die Tatsache, dass viele Teilnehmer die Veranstaltung vorzeitig verlassen mussten. Ihr Busfahrer bestand darauf, pünktlich abzufahren. Die Fahrt hatte das Landratsamt organisiert, damit die mehrheitlich älteren Bewohner von Rossendorf an der Veranstaltung im benachbarten Großerkmannsdorf teilnehmen konnten. Bei der Planung hatte man nicht mit so einer langen Veranstaltung gerechnet. Statt der geplanten anderthalb Stunden dauerte die Versammlung mehr als drei Stunden. Auf ihren Eindruck von der Bürgerversammlung angesprochen, zeigten sich viele Besucher unzufrieden. Viele Fragen seien unbeantwortet geblieben. Zudem hätte man sich gewünscht, dass die geäußerten Bedenken von der Politik ernst genommen und daher weniger Asylbewerber für Rossendorf vorgesehen würden. Doch es gab auch Stimmen, die sich für Flüchtlinge stark machen. Vorgestellt wurde beispielsweise der Verein "Radeberg hilft", der sich derzeit noch in der Gründungsphase befindet. Hier können sich Interessierte engagieren. Auch Vertreter aus anderen Orten, in denen die Integration von Asylbewerbern ins Alltagleben problemlos geklappt hat, waren da.


Zuletzt aktualisiert: 02. Juli 2015, 11:00 Uhr  © 2015 MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

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