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Dresdner Biber sitzen auf dem Trockenen

Der Biberbeauftragte Harald Wolf zeigt den Bau des Bibers in Höhe der Johannstädter Fähre. © Marion Doerin

Die niedrigen Wasserpegel und die ausgetrockneten Zuflüsse machen den geschützten Tieren zu schaffen. Der Biberbeauftragte Harald Wolf zeigt den Bau des Bibers in Höhe der Johannstädter Fähre.

Erst vor Kurzem muss er von der Elbe über die großen Steine am Ufer in seinen Bau getippelt sein. Noch frisch scheint der Abdruck seiner Kralle und die Schleifspur seiner Schwanzkelle im feuchten Sand. Nur etwa hundert Meter von der Johannstädter Fähranlegestelle, in Sicht- und Hörweite zum Fährgarten liegt direkt neben dem Elberadweg, versteckt zwischen den kleinen Weiden an der Böschung, ein unscheinbarer Asthaufen. Doch bei genauerem Hinsehen fallen die sanduhrförmig angenagten Enden der Zweige auf. Es ist das Zuhause eines Bibers und seiner Familie, eine sogenannte Biberburg.


Vom Ufer aus ist der Eingang gut zu sehen; doch für den Nager ist das weniger schön. Die niedrigen Wasserpegel der Elbe und ihrer Zuflüsse bedeuten für die Dresdner Biber gerade richtiggehend Stress. Denn die Eingänge zu ihren Biberburgen liegen normalerweise verborgen unter Wasser. „Stellen Sie sich mal vor, Sie müssen zur Arbeit und können Ihre Wohnungstür nicht abschließen, sodass Sie die Tür weit offen stehen lassen müssen. So ungefähr ist das gerade für die Biber." Mit diesem Beispiel versucht Harald Wolf, Biberexperte vom Umweltamt der Stadt, zu erklären, wie es den Dresdner Bibern gerade geht. Dabei ist es eher eine „gefühlte" Unsicherheit, denn die natürlichen Feinde Wolf und Bär müssen die bis zu einen Meter langen Tiere wohl kaum fürchten, dafür freilaufende Hunde umso mehr.

Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum der niedrige Wasserstand den unter Naturschutz stehenden Nagern zu schaffen macht: „Während sie sich im Wasser beinahe elegant bewegen, sind sie an Land eher schwerfällig. Sie sind zwar Landtiere, aber Wasser ist ihr natürlicher Lebensraum. Und wenn sie Äste für ihre Dämme, Burgen oder zum Fressen übers Land ranschleppen müssen, ist das für sie anstrengender, als das alles im Wasser zu transportieren" erzählt Wolf. Besonders schwer haben es die Familien an den fast trockenen Nebenflüssen der Elbe, wie der Prießnitz oder dem Schönauer Bach.


Trotzdem kommt Umziehen für die Tiere wohl vorerst nicht infrage, da die Biber sehr anpassungsfähige Zeitgenossen sind und sich auf Veränderungen einstellen. „Eine lang anhaltende Trockenheit ist zwar nicht optimal, aber auch nicht wirklich bedrohlich. Die Biber finden trotzdem genug Nahrung und Schutz," erklärt der 53-Jährige. Seit zehn Jahren hat er nun mit den bis zu 30 Kilo schweren Tieren zu tun. Zu seinen Aufgaben zählt nicht nur ihr Schutz, sondern auch, die großen Bäume an den Elbwiesen vor allzu übereifrigen Nagern zu bewahren.


„Ohne unsere Maßnahmen, wie Drahthosen für Bäume oder spezielle Sandanstriche, wäre hier längst alles kahl," ist Wolf überzeugt. Dass die Tiere an der Elbe wieder heimisch geworden sind, freut ihn. In den 30er-Jahren waren sie hierzulande fast ausgerottet. Der Grund: Die Pflanzenfresser wurden fälschlicherweise verdächtigt, Fisch zu fressen und deshalb gejagt. Nach dem Krieg wurden sie zu DDR-Zeiten unter strikten Naturschutz gestellt. Doch erst 1995 wurden die ersten Biber wieder in Dresden gesichtet.


Dass es so lange gedauert hat, bis sich der Bestand wieder erholte, kann auch an der schlechten Wasserqualität gelegen haben, vermutet Harald Wolf: „Ab 1985 war das Klärwerk der Stadt für fünf Jahre außer Betrieb. Das Abwasser der ganzen Stadt wurde in den Fluss geleitet. Die Biber starben oft an Krankheiten durch Keime oder an einer Sepsis, wenn sie Wunden hatten und diese mit dem verschmutzten Wasser in Berührung kamen."


Wenn ein Biber heute stirbt, dann kommt es häufiger vor, dass er von einem Baum erschlagen wird, den er selbst gefällt hat. Denn die Fallrichtung der gleichförmig angespitzten Stämme kann er nicht bestimmen. Auch Angelhaken oder Hunde sind einzelnen Tieren schon zum Verhängnis geworden, Schiffe sind weniger ein Problem. Erst vor Kurzem sorgte „Elbi" für Schlagzeilen, ein Biber, der sich für kurze Zeit am Terrassenufer häuslich eingerichtet hatte, aber wenig später von Kanalarbeitern leblos aufgefunden wurde.


„In Dresden ist der Biber ein absoluter Sympathieträger", weiß Harald Wolf. „Er ist fleißig, aktiv, gestaltet seinen Lebensraum selbst und ist dadurch auch nützlich für viele andere Tiere, die von seinen Bauten profitieren", so Wolf. Oft schicken ihm die Leute Fotos oder rufen an, wenn sie ein Tier gesichtet haben. In den letzten Jahren passierte das immer häufiger, denn mittlerweile leben in den Dresdner Gewässern 45 Biber in 13 Revieren in Großfamilien. Erst im dritten Lebensjahr müssen sich die Jungtiere eine neue Bleibe suchen. Doch mittlerweile haben die Biber in Dresden alle geeigneten Plätze besetzt, sodass sie gezwungen sind, auf die Nebenflüsse auszuweichen.


Wer Biber beobachten möchte, hat die größten Chancen während der Dämmerung, zum Beispiel am Ostragehege, in den Elblachen in Stetzsch und Laubegast, am Pieschener und Loschwitzer Ufer sowie am Winterhafen beim Herbergsschiff, in Schönfeld, an der Prießnitz oder am renaturierten Zschierener Altelbarm.


Ein Revier ist gut 1,5 Kilometer lang. Zeichen für aktive Biber sind die typischen spitzzulaufend angenagten Zweige und Äste, Spuren im Sand, Dämme, die mit Schlamm abgedichtet sind oder eben Biberburgen wie beim Fährgarten. Dort gibt es übrigens gerade ein paar Meter von dem Biberbau flussaufwärts entfernt ein sogenanntes Nahrungsfloß zu bestaunen, eine schwimmende Speisekammer, von der eine Biberfamilie zwei Wochen lang leben kann.

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