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Internetbetrüger mit neuer Masche unterwegs

Von wegen sicher: Wer auf den Käufer- oder Verkäuferschutz von Paypal vertraut, sollte die Allgemeinen Geschäftsbedingungen lesen. © Sven Ellger

Wer über Kleinanzeigen etwas verkaufen will, sollte aufpassen. Mehrere Dresdner stehen jetzt ohne Geld und Ware da. Von wegen sicher: Wer auf den Käufer- oder Verkäuferschutz von Paypal vertraut, sollte die Allgemeinen Geschäftsbedingungen lesen.

Tag für Tag werden Fahrräder, Sofas und Waschmaschinen über Kleinanzeigen verkauft. Auch Alexander Müller* macht das regelmäßig. Zuletzt wollte der Dresdner so den Laptop seiner Mutter loswerden. Sie brauchte den Computer nicht mehr und das Gerät funktionierte noch einwandfrei. Als Verkäufer hat der zweifache Familienvater in den letzten 15 Jahren gute Erfahrungen auf der Onlineplattform Ebay-Kleinanzeigen gesammelt. Bislang dachte er immer, dass er ganz gut einschätzen könne, mit wem er besser keine Geschäfte machen sollte. Ein Irrtum, der ihn jetzt Nerven kostet.


Denn Müller ist Opfer einer neuen Internetbetrugsmasche geworden. Nachdem der 27-Jährige den Laptop mit Fotos und Beschreibung bei Ebay-Kleinanzeigen inseriert hatte, meldete sich ein Mann bei ihm. „Arne" sei sein Name. Er gab sich als Student aus und stellte Fragen zum Laptop. Müller erschien das nicht weiter verdächtig, erzählt er. „Das würde ich ganz genauso machen. Schließlich geht es um Geld."


Doch dann passierte etwas, bei dem Verkäufer hellhörig werden sollten. Der vermeintliche „Arne" schrieb, dass er in der Südvorstadt lebe, aber gerade nicht in der Stadt sei. Ein Mitbewohner würde den Laptop für ihn abholen. Das Geld überweise er vorher, und zwar über den Internet-Finanzdienstleister Paypal. Bei dem Unternehmen kann jeder ein Konto eröffnen, über das bei Internetkäufen bezahlt wird. Hinterlegt ist in der Regel das eigene Girokonto oder die Kreditkarte, über welche die Käufe später abgerechnet werden.

Müller traute dem Käufer. Da gerade Semesterferien waren, klang die Geschichte schlüssig, fand er. Sicherheitshalber durchstöberte er trotzdem die Paypal-Seiten, um sich über mögliche Risiken eines solchen Handels zu informieren. Auf den ersten Blick fand er nichts, was einer Übergabe entgegenstehen würde. Im Gegenteil: Das Unternehmen wirbt mit dem Slogan „Weltweit sicher shoppen" und bietet einen sogenannten Käufer- und Verkäuferschutz an. Der Dresdner hatte ein gutes Gefühl. Er machte einen Übergabetermin aus.


Zwei Minuten, bevor es an der Wohnungstür klingelte, ging das Geld auf Müllers Paypal-Konto ein. Die Familie saß da gerade beim Abendessen. Von weitem bekam Müllers Frau mit, wie ihr Mann dem vermeintlichen Mitbewohner den Laptop und die dazugehörigen Unterlagen zeigte. Der wortkarge Abholer stellte keine Fragen und war bald wieder verschwunden. Einen Ausweis ließ sich Müller nicht zeigen. „Das Geld war ja bereits auf dem Konto. Für mich war die Sache damit erledigt", sagt er. Am Abend transferierte er noch das Geld vom Paypal-Konto auf sein Bankkonto und ging zufrieden ins Bett.

Das böse Erwachen kam sprichwörtlich am nächsten Morgen: Da erhielt Müller eine E-Mail von Paypal. Die Zahlung des vermeintlichen Käufers an ihn sei überhaupt nicht autorisiert gewesen und daher rückgängig gemacht worden. Da der Dresdner das Geld jedoch am Abend schon weitergeleitet hatte, war sein Paypal-Konto nun ins Minus gerutscht. Müller sollte Stellung zu dem Vorgang nehmen, forderte Paypal ihn auf. Einer Schuld war er sich nicht bewusst. Er schrieb umgehend zurück. Wenig später kam eine Zahlungsaufforderung von Paypal: Er solle das Konto ausgleichen. Immerhin ging es um 700 Euro.

Der Laptop ist nun weg, das Geld auch. Müller steht mit leeren Händen da. Und er ist nicht der einzige Dresdner, dem es so geht. Im vergangenen Monat sind bei der Polizei 13 Anzeigen von Menschen eingegangen, die Opfer dieser Masche geworden sind. Polizeisprecher Marko Laske vermutet, dass die Betrüger fremde Paypal-Konten knacken und ihr Diebesgut damit zumindest solange finanzieren, bis sie es in der Hand halten. „Der Tatverdächtige hatte die Überweisung mit zu Unrecht erlangten Daten vorgenommen", so Laske. Es gibt also noch eine geschädigte Person: Ein Paypal-Kunde, dessen Login-Daten in falsche Hände gekommen sind. Immerhin hat der sein Geld zurückbekommen.


Verbraucherzentrale kritisiert Paypal

Stephan Arnold* ist ein Arbeitskollege von Müller. Ihm kommt die Geschichte bekannt vor. Er wollte ein Smartphone verkaufen. Bei ihm meldete sich eine Frau, die angeblich in Berlin wohnt. Sie könne nicht persönlich vorbeikommen, erklärte sie am Telefon. Um Vertrauen aufzubauen, überwies auch sie das Geld via Paypal. Ein angeblicher Kollege holte das Telefon ab.


Anders als Müller hatte Arnold das ihn überwiesene Geld auf dem Paypal-Konto gelassen. Da auch diese Buchung storniert wurde, ging er mit Plusminus Null aus dem Geschäft. Müller hingegen hat inzwischen Post von einem Inkasso-Unternehmen bekommen, das für Paypal das Geld eintreiben möchte. Für Presseanfragen ist der Finanzdienstleister nicht zu erreichen. Eine Mitarbeiterin im Callcenter verweist allerdings auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. „Der Verkäuferschutz gilt nicht, wenn die Ware persönlich übergeben wird, sondern nur bei Versand," erklärt sie.


Für die Dresdner Betrugsopfer kommt diese Information zu spät. Zahlungsdienstleister wie Paypal vermittelten auf ihren Internetseiten ein großes Sicherheitsgefühl, kritisiert die Verbraucherzentrale Sachsen. Für Kunden sei es schwer zu erkennen, wann der Käufer- oder Verkäuferschutz für sie gelte. Ob das derzeitige Prozedere überhaupt zulässig ist, müsste letztlich ein Gericht entscheiden. Geschädigten rät sie: „Widerspruch einlegen, und zwar per Einschreiben, damit ein Beweis vorliegt." Über Ermittlungsergebnisse sind die Geschädigten bisher nicht informiert worden. Die Suche nach den Tätern dauert an.


* Namen von der Redaktion geändert



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