Früher galt Neuseeland als Dorado für Camper. Weil Müll und Fäkalien zu einem Problem wurden, hat das Land strengere Regeln erlassen. Wildes Zelten ist aber noch möglich - sofern man die Plätze kennt. Von Katalin Valeš
Auf dem Klapptisch dampft Tomatensuppe, daneben wartet ein neuseeländischer Rotwein im grünen und rosafarbenen Plastikbecher - Pinot noir. Hinter dem Abendbrottisch versinkt langsam die Sonne im Pazifik. Meine Füße graben sich im Sand ein. Auf dem Tisch liegen ein paar Grashalme. Weit und breit keine Menschenseele. Nur wir. Und unser weißer Van.
Tagsüber fährt er uns kreuz und quer durch Neuseeland, nachts schlafen wir im eingebauten Bett. Mahlzeiten und Kaffee bereiten wir in den nächsten vier Wochen auf den zwei Herdplatten des eingebauten Camping-Kochers zu. Wir haben keinen Kühlschrank, aber gute Laune.
Toiletten und Trinkwasser gibt es nebenan auf dem Parkplatz. Die öffentlichen WCs sind in Neuseeland sehr sauber. Man könnte dort glatt vom Fußboden essen. Aber wir speisen trotzdem lieber vom Teller - schöne Aussicht inklusive.
Die Landschaft wirkt wie von einem Künstler in dessen intensivsten Farben gemalt. Leuchtende Tage, sternengeschmückte Nächte. Zirpende Grillen, dumpf-grollendes Meer - und ein klopfendes Herz. Denn so ganz legal ist freedom camping in Neuseeland seit einiger Zeit nicht mehr. Ganz verboten aber auch nicht.
Campen und Parken streng untersagtBislang galt das Land als Dorado für Camper. Flotten gemieteter Wohnmobile und Camper-Vans schlängeln sich jedes Jahr zur Hochsaison durch die kurvenreichen Straßen der zwei Inseln. Besonders reizvoll für Aussteiger und Langzeit-Urlauber: die Aussicht, fast überall campen zu können und zwar gratis. Die Devise: Hauptsache schön.
Campen am Meer, vor einem Vulkan, neben einem blubbernden Schlammloch, mitten im Wald oder direkt am Ufer eines klaren Bergsees. Wer bisher nach Neuseeland reiste und nicht zu viel Wert auf großen Komfort legte, konnte in seinem Reisebudget getrost auf teure Campingplätze oder Hotels verzichten. Zumal es hier sehr viele hygienisch einwandfreie wie kostenlose sanitäre Anlagen gibt.
Zu zahlen war also lediglich die Miete für das Wohnmobil - zumindest für jene, die bislang die klassischen Campingplätze mit den üblichen Gebührensätzen gemieden haben. Bislang. Denn es hat sich einiges getan: Viele kostenlose Rast- und Parkplätze landesweit sind mittlerweile mit Verbotsschildern ausgestattet. Campen und Parken über Nacht streng untersagt! Wer sich nicht daran hält, riskiert saftige Strafen von mindestens 200 Neuseeländischen Dollar. Umgerechnet sind das um die 120 Euro.
Jede Region hat eigene RegelnDer Grund: Am 30. August 2011 wurde in Neuseeland der Freedom Camping Act erlassen - ein Gesetz über das wilde Campen. Nun konnten Touristen erstmals zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie an Orten campierten, an denen dies explizit verboten ist.
Reisemobilen ohne Abwassertank und WC ist freedom camping in der Regel ohnehin untersagt. Sie dürfen auch nicht auf jeden Campingplatz. Doch auch Wohnwagen mit sanitären Einrichtungen sind nicht mehr überall erwünscht.
Für Touristen und Einheimische gleichermaßen verwirrend: Das neue Gesetz verbietet freedom camping nicht generell. Was wo erlaubt und verboten ist, unterscheidet sich von Region zu Region. Die Behörden erwarten daher, dass sich Gäste in den zahlreichen Touristenbüros oder im Internet über mögliche Stellplätze informieren oder gleich einen (kostenpflichtigen) Campingplatz ansteuern.
Müll und Fäkalien an PicknickplätzenDemnach ist freedom camping generell theoretisch nach wie vor erlaubt, doch in der Praxis gehört das unkontrollierte Gratis-Campen in vielen Gegenden Neuseelands der Vergangenheit an. Und das hat seinen Grund: "Die Kiwis sind eben nicht so begeistert darüber, wenn sie beim Sonntagsspaziergang hinter jedem Baum Klopapier finden oder zurückgelassenen Müll", sagt Claudia Dullnig.
Die 29-jährige Österreicherin lebt seit knapp vier Jahren in ihrer Wahlheimat Wellington und arbeitet in der Tourismusbranche. Auch sie hat beobachtet, dass sich das Bewusstsein der Neuseeländer in puncto wild campende Touristen in den letzten Jahren geändert hat.
Schuld daran sind die Touristen selbst. Die Kiwis, wie sich die neuseeländische Bevölkerung selbst bezeichnet, verstehen bei Umweltverschmutzung nämlich keinen Spaß. "Die Probleme mit Campern haben zugenommen. Sie haben Müll oder Fäkalien an Picknickplätzen, Straßenrändern oder in der Nähe von Eingängen zu Naturparks hinterlassen", sagt Andrew MacPherson vom Department of Conservation, kurz DoC.
Diese zentrale, staatliche Organisation ist in Neuseeland für den Umweltschutz verantwortlich und betreibt zahlreiche öffentliche Toiletten sowie einfache Campingplätze, die bis zu zwölf Neuseeländische Dollar (umgerechnet 7,50 Euro) pro Person und Nacht kosten.
Wo Campen gratis möglich istEine Statistik darüber, wie viele Camper seit Beginn des Gesetzes wissentlich oder unwissentlich gegen das Gesetz verstoßen haben und Bußgelder zahlen mussten, gibt es nicht. "Aber es gibt die Tendenz, dass wild campende Touristen eher in der Gegend um Queenstown am See Te Anau auf der Südinsel bestraft werden als anderswo", sagt Andrew MacPherson.
Tatsächlich ist die Nordinsel Neuseelands zurzeit noch etwas camperfreundlicher. Besonders auf Northland, der nördlichsten der 16 Verwaltungsregionen der beiden Inseln, ist es bislang noch ziemlich einfach, gratis zu campen.
Auch empfiehlt die Bevölkerung noch gern schöne Orte zum Gratisübernachten: "An diesen drei Buchten", sagt zum Beispiel Kate Malcom und zeigt auf eine kleine Karte, "ist Campen gratis möglich. Alles, was ihr tun müsst, ist hinfahren, eine Flasche Wein trinken und den wunderschönen Sonnenuntergang genießen."
Die Rastplätze, die die Angestellte des Tauch- und Schnorchelveranstalters Dive! Tutukaka empfiehlt, sind ausgestattet mit Duschen und Toiletten. Kate Malcom freut sich, wenn Touristen ihre Zeit in Neuseeland genießen. Doch auch sie ermahnt mit Nachdruck, den Müll ja wieder mitzunehmen.
Im Landesinneren ist die Suche nach einer kostenlosen Übernachtungsmöglichkeit schon problematischer, hier steht die Bevölkerung Wildcampern noch skeptisch gegenüber.
Das Land wird saubererImmerhin erzielt der Freedom Camping Act bereits Wirkung: Andrew MacPherson stellt fest, dass die Umweltverschmutzung in seinem Land nachgelassen hat: "Das ist sehr erfreulich."
Und die Touristen scheinen die neuen Regelungen zu akzeptieren: Ein Rückgang der ausgeliehenen Wohnmobile seit Inkrafttreten des Gesetzes können die neuseeländischen Autovermieter nicht bestätigen: "Wir denken, dass die Leute generell diese Gesetze akzeptieren, und wir unterstützen diese auch. Die Gesetze helfen dabei, unser Land sauber zu halten", sagt Grant Thomlinson, der bei einem Autovermieter in Auckland arbeitet.
Trotzdem liegt es in der Natur der Sache, dass sich der gemeine Camper nicht gern einschränken lässt in seiner Freiheit. Bestärkt wird er von der Tatsache, dass es in der Nähe einiger Sehenswürdigkeiten oft nur preisintensive Holiday Parks gibt, die zwar luxuriös ausgestattet sind, aber dafür pro Person und Nacht zwischen 18 und 33 Neuseeländische Dollar (umgerechnet sidn das 11 bis 20 Euro) kosten.
Lange Suche nach einem StellplatzWer keine Einmischung in sein wildes Camper-Dasein duldet, sich als Opfer staatlicher Willkür fühlt und versucht, kostenpflichtige Campingplätze immer noch gänzlich zu meiden, muss es nun sportlich nehmen: Dazu gehört es, sich auf stundenlange Suchfahrten nach einem geeigneten Stellplatz einzustellen oder mit der Angst zu leben, möglicherweise am nächsten Morgen unsanft zur Kasse gebeten zu werden.
Wir hatten diese Nacht Glück - und sind nicht kontrolliert worden. Sommerbesprosst und gut gelaunt reisen wir weiter kreuz und quer durch Neuseeland, fahren im Linksverkehr über "Surf-Highway", "Termal-Entdecker-Highway", "Vulkanischer-Highway" oder den "Wein-Highway."
Über den sanften Hügeln hängen weiße Wattewölkchen auf hellblauen Grund. Gefühlt hängt der Himmel hier ein Stück tiefer als in Europa. Wenn sich die Sonne langsam zurückzieht, suchen wir uns wieder ein Plätzchen, wo wir ungestört die Nacht verbringen können. Hoffentlich. Es lebe das Abenteuer.
Foto: Infografik Welt Online