Eindrücke aus dem Eltern-Kind-Büro "Rockzipfel". Tastaturgeklapper. Pause. Tastaturgeklapper. Dann Kinderlachen. Nebenan rollt ein Bobby Car über Laminatboden, ein Bauklotzturm fällt um. So sieht der Alltag im Dresdner Eltern-Kind-Büro Rockzipfel aus. Die Idee stammt aus Leipzig und hat Ableger in mehreren deutschen Großstädten.
Jette Stieber schreibt gerade konzentriert an ihrer Doktorarbeit zum
Thema ökologischer Pflanzenbau. Als ihre zweijährige Tochter ins
Arbeitszimmer kommt, weicht der angespannte Gesichtsausdruck einem
liebevoll-fürsorglichem. Klara will jetzt bei ihrer Mama sein. Sie setzt
sich auf den Schoß von Jette Stieber und schaut interessiert, was ihre
Mama am Laptop macht. Nach kurzer Kuschelzeit geht's wieder nach nebenan
ins Spielzimmer. Das Eltern-Kind-Büro im Dresdner Stadtteil Pieschen
war für Jette Stieber zunächst eine Notlösung, doch die Idee hinter dem
Rockzipfel-Projekt gefiel der Mutter. Seit September kommt sie
regelmäßig.
Der Rockzipfel ist ein Ort für Eltern, die ihre Kinder noch nicht
fremdbetreuen lassen wollen oder können und trotzdem beruflich
vorankommen wollen. Die Räumlichkeiten können bei Bedarf auch in den
Abendstunden oder am Wochenende genutzt werden. Wann und wie lange jeder
kommt, ist jedem selbst überlassen und wird flexibel gehandhabt. Auch
die Nutzungsdauer ist verschieden: Einige kommen nur für ein paar
Wochen, andere bleiben für mehrere Monate. Einsteigen für neue Eltern
ist jederzeit möglich, sofern ein Platz auf der Warteliste frei ist.
Familien können vorher an sogenannten Schnuppertagen ausprobieren, ob
das Konzept zu ihnen passt.
Gemeinschaftsprojekt statt reine Dienstleistung
Eine reine Dienstleistung ist das Eltern-Kind-Büro aber nicht, sagt
Isabell Wohlrab: "Der Rockzipfel ist ein Gemeinschaftsprojekt; da müssen
alle mit anpacken: Kochen, Lebensmittel einkaufen, Aufräumen und
natürlich auch Kinder betreuen". Die 29-Jährige ist selbst Mutter von
zwei Kindern und von Anfang an dabei. Erst als Nutzerin, später
engagierte sie sich im Rockzipfelverein und mittlerweile hat sie einen
Großteil der organisatorischen Aufgaben im Eltern-Kind-Büro übernommen.
Nebenbei arbeitet Isabell Wohlrab von hier aus auf Mini-Job-Basis in der
Tourismusbranche. Ihr zweiter Sohn ist vor kurzem ein Jahr alt
geworden. Er kommt jeden Tag mit zur Arbeit. Ob es stressig ist?
"Manchmal schon", sagt die junge Mutter und lacht, "aber es wird
besser". Hier schaffe sie mehr, als wenn sie sich abends zu Hause
hinsetzen müsste, erzählt sie.
Auch wenn nicht ganz so produktiv
gearbeitet werden kann wie in einem normalen Büro ohne Kinder und
Gemeinschaftsverpflichtungen, die Doktorandin Jette Stieber ist
mittlerweile von dem Konzept überzeugt: "Wieviel ich schaffe, hängt ganz
stark davon ab, wie ich mich selbst diszipliniere. Aber alles in allem
klappt es ganz gut." Lehramtsstudent Jan Hawlitschka nutzt den
Rockzipfel für sein Studium. Der junge Vater schätzt die Möglichkeit
"einfach als erste Ansprechperson fürs Kind da zu sein und gleichzeitig
was für die Uni zu schaffen". Mit seiner Freundin, die gerade ihre
Abschlussarbeit schreibt, teilt er sich einen Platz im Rockzipfel-Büro.
Kind und Arbeit unter einem Hut
Mit der Kinderbetreuung wechseln sich die Eltern ab. Freiwillige und Praktikanten unterstützen die Eltern seit einiger Zeit dabei. Zwei bis drei Mal pro Woche betreut zum Beispiel die 22-jährige Studentin Andrea Meier als Ehrenamtliche die Knirpse im Eltern-Kind-Büro. Seit Kurzem ist das Projekt auch anerkannte Stelle des Bundesfreiwilligen Dienstes.
Idee aus Leipzig
Ursprünglich stammt die Idee zum Rockzipfel-Büro aus Leipzig. Mittlerweile gibt es Ableger in Hamburg, Potsdam oder München. Vor zwei Jahren hat Juliane Drommer die Idee nach Dresden geholt, als sie mit ihrem zweiten Kind in Elternzeit war. Auf eigene Verantwortung mietete sie an drei Tagen in der Woche eine Art Ladenlokal, das für Kindergeburtstage, Krabbelgruppen und Musikkurse in der Neustadt vermietet wurde. Die Resonanz war groß und Gleichgesinnte schnell gefunden. Vor einem Jahr zog das Eltern-Kind-Büro in eine eigene Wohnung im Stadtteil Pieschen um und es wurde ein Verein gegründet. Das nächste Vorhaben der Eltern ist auch schon geplant: Sie wollen einen Außenbereich für die Kleinen herrichten - schließlich steht der Sommer vor der Tür.
Der Audio-Beitrag zum Thema lief Ende März 2015 auf MDR1 Radio Sachsen: