Das geisteswissenschaftliche Zentrum der Universität Leipzig, Institut für angewandte Linguistik und Translatologie: Hier arbeitet Constanze Gräsche an ihrer Promotion, eine junge Frau Ende 20 mit großer knallroter Achtziger-Jahre-Brille und hippem Undercut, die sich auf den ersten Blick nicht von den anderen Studierenden und Promoventen unterscheidet. Seit einem knappen Jahr ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin - und "Arbeiterkind", denn in ihrer Familie haben alle eine Ausbildung gemacht.
Besonders jetzt, bei der Promotion. Constanze hat Übersetzungswissenschaften studiert, wenn sie damals gesagt hat, sie studiert, um Übersetzerin zu werden, war das etwas Anschauliches. Und dabei haben ihre Eltern sie immer unterstützt, ihr immer den Weg an die Uni offen gehalten - etwas, wofür Constanze Gräsche ihnen sehr dankbar ist. Und doch schwingen unausgesprochene Erwartungen immer mit, wenn sie ihre Familie besucht.
"Mein jüngerer Bruder hat mit 17 seine Ausbildung angefangen, mit 20 war er fertig und hat im Unternehmen gearbeitet, hatte sein erstes Auto mit 20. Ich bin jetzt Ende 20, habe kein eigenes Auto, habe auch noch keine Familie. Ich hab eine Cousine, die ist ein Jahr jünger als ich, die erwartet jetzt ihr drittes Kind. Das kann ich alles nicht vorweisen."
Es ist eine ambivalente Situation. Aber damit ist Constanze nicht allein. Die klassischen Hürden betreffen vor allem die Studienfinanzierung und Studienorganisation. Aber auch andere Gründe bringen Nicht-Akademiker-Eltern dazu, ihren Kindern eher vom Studium abzuraten.
Auch für Constanze Gräsche ist das akademische Leben noch immer keine Selbstverständlichkeit.
Doch nicht nur sie selbst fühlt sich manchmal merkwürdig fremd in der Uni-Welt. Vor allem erscheint ihr diese Welt oft wie eine einzige große akademische Blase, weit weg von jeder Realität.
"Ich bin weiterhin zwischen diesen Welten. Und ich kann nicht mehr in diese Arbeiterwelt meiner Familie zurück, ich hab aber auch den Eindruck, ich find nie richtig den Zugang zu dieser akademischen Welt. Und weiß auch gar nicht, ob ich das wirklich will."
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