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Kinderzeitung: Großstadtbienen

Andreas Bock ist seit acht Jahren hauptberuflich Imker. In der Stadt erntet er bis zu sechs Mal mehr als auf dem Land. Foto: Karen Bauer

Von Blüte zu Blüte - und dann über die ganz große Straße. Weshalb Bienen in der Stadt ein viel leichteres Leben haben als Bienen auf dem Land.

Autos rauschen über die sechsspurige Straße. Eine Straßenbahn bimmelt. Zur nächsten U-Bahn-Station sind es nur zehn Minuten. Ein perfekter Platz für die Bienen von Andreas Bock. "In der Stadt haben es Bienen viel leichter als auf dem Land", sagt er und hebt den Deckel von einer Holzkiste. Dutzende Bienen fliegen auf, krabbeln, brummen, summen.

Andreas Bock ist Imker - mitten in der Stadt. 16 seiner Bienenvölker leben hier auf einer Wiese im Münchner Stadtteil Schwabing.

Und das aus gutem Grund: "Sie entwickeln sich hier einfach besser." Im Frühjahr können die Bienen schon deutlich vor ihren Kollegen auf dem Land mit dem Nektarsammeln anfangen, weil es in der Stadt immer ein bisschen wärmer ist. Und im Herbst können sie hier länger raus. Und auch der Nektar, den die Bienen aus den Blüten sammeln, ist - so komisch es sich erst mal anhört - in der Stadt oft besser: In Parkanlagen und Kleingärten, auf Friedhöfen, Balkonen und Alleen blühen von Frühjahr bis Herbst ganz unterschiedliche Blumen und Bäume. Auf dem Land dagegen pflanzen Bauern oft auf riesigen Flächen immer dasselbe an. Dann gibt es Feld für Feld nichts anderes als eine Pflanze, zum Beispiel Mais. "Das ist Fastfood für die Bienen", sagt Bock, "minderwertige Nahrung". Die blühenden Wiesen daneben mähen Bauern oft recht schnell, damit sie Heu für den Winter bekommen. Für die Bienen bleiben keine Blüten übrig. "Auf dem Land ist es zwar grün. Aber mit dem Grün kann die Biene nichts anfangen." Dieses Frühjahr hat Bock in der Stadt sechsmal so viel Honig pro Volk geerntet wie auf dem Land.

In der Stadt werden weniger Pflanzengifte eingesetzt . "Das merkt man den Bienen sofort an", sagt Bock. "Hier in der Stadt sind die Bienen kräftiger." Abgase dagegen sind kein Problem. Denn Bienen sammeln den Nektar aus frisch geöffneten Blüten. Eine vergiftete Biene würden die Wächterbienen am Geruch erkennen und gar nicht erst hineinlassen, sagt Bock. Grausam? Ja, aber wichtig für das Bienenvolk.

Anfangs sorgten sich die Nachbarn hier in Schwabing um ihr Marmeladen-Croissant beim Frühstück auf dem Balkon. "Aber die Biene kümmert sich nicht um uns Menschen", sagt Bock. Inzwischen sind die Nachbarn neugierig auf die Bienen und wollen immer mehr vom Stadtimker wissen. Andreas Bock zieht einen Holzrahmen aus dem Bienenstock. Die Waben sind schon mit Honig gefüllt und einer dünnen Wachsschicht verschlossen. Bock tippt einen Finger hinein, schleckt ihn ab: Kräftig, erfrischend, ein bisschen nach Minze - so schmeckt der Stadtteil Schwabing im Sommer. "Das sind die Linden hier", sagt Bock. Sie blühen nur ein paar hundert Meter entfernt, entlang der Hauptstraße: vier Fahrspuren, plus Straßenbahn in der Mitte. "Schwabinger Sommertraum" nennt Andreas Bock diesen Honig auf den Gläsern. Ein echter Stadthonig.

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